Heute wird es Zeit für eine Beichte: Ich habe immer noch panische Flugangst. Genauer gesagt muss ich nur noch ein Jahr warten, dann kann ich mit meiner kompletten Flugzeug-Verweigerung silberne Hochzeit feiern. Im August 2017 wären es 25 Jahre, seitdem ich zum letzten Mal in einem Flieger gesessen bin.

2015 sollte das Jahr werden, in dem alles anders wird. Mit dem Schwung, dem Mut und der Lebensfreude meiner Europatour 2014 wollte ich das Thema endlich angehen. Das hatte ich hier mehrfach verkündet, unter anderem in dem Artikel über meine Bucketlist. Und auch im Interview auf Oh my Yogi hatte ich dieses große Versprechen gegeben:

“Die erste Panikattacke hatte ich mit 20 auf einem sehr unruhigen Flug von Lissabon nach München. Das war für mich so prägend, dass ich seitdem in kein Flugzeug mehr gestiegen bin (das soll und wird sich ändern, wenn ich von meiner Reise zurück bin!).”

Ähm, ja, genau. Der Plan ging dann wohl nicht ganz auf.

Doch warum? Super Frage, die ich mir gerade selbst gestellt habe. Jetzt starre ich hier in den Rechner und finde keine Antwort. Besser gesagt keine, die mich restlos überzeugt. Ich präsentiere einmal meine Auswahl potenzieller Antworten, warum sich Flugangst still und heimlich von meiner Agenda 2015 davongeschlichen hat:

  • Ich brauche das Fliegen nicht zum täglichen Leben. Überall, wo ich 2015 hinwollte, bin ich auch ohne Flugzeug hingekommen.
  • Mir geht es gut, auch wenn ich nicht fliege. Viele andere Herausforderungen habe ich mutig angenommen, mich meiner Angst gestellt und Neues probiert. Die Flugangst hindert mich also nicht daran, ein mutiges Leben zu führen.
  • Die Termine des Flugangst-Seminars in München haben sich ständig mit anderen wichtigen Terminen überschnitten (offiziell: “Echt schade.” intern: “Puh, Glück gehabt.”)
  • Die beiden großen Themen Beginn der Selbstständigkeit und Absetzen der Antidepressiva haben mich von Zeit, Energie und mentaler Stärke her richtig gefordert. Irgendwie habe ich keinen Raum mehr für eine dritte große Änderung gesehen.
  • Ich habe Angst vor der Flugangst.

Letzteres ist der entscheidende Punkt. Ich habe Angst davor, bei einem Comeback im Flugzeug so starke Panik zu bekommen, dass quasi meine Panikschleuse wieder aufgeht und mich in den früheren Strudel zurück reißt. Dass also all die Angstthemen und Phobien, denen ich mich so erfolgreich angenommen hatte, mit einem Schlag wieder da sind und der Wahnsinn von vorne beginnt.

Genau genommen weiß ich, dass das Schwachsinn ist. Was ich mir in den letzten fast 3 Jahren erarbeitet habe, kam ja auch nicht vom Himmel gefallen. Wie es mir heute geht, was ich heute sage, tue und schreibe ist alles ein Produkt meiner veränderten Verhaltens- und Denkweisen. Die kann man nicht von heute auf morgen einfach auslöschen.

TUN gilt auch für die Flugangst

Und wie lautet mein ewiges Mantra hier auf dem Blog? Du musst etwas TUN, wenn du deine Angst überwinden willst. Das gilt wohl auch für mich und meine Flugangst.

Im Gegensatz zu all den anderen Ängsten, mit denen ich mich auseinander gesetzt habe – sogar bei meinem Lieblingsthema Höhenangst bin ich letztes Jahr ein paar schöne Schritte vorangekommen -, ist die Angst vor dem Fliegen für mich etwas nahezu Ungreifbares. Mir fehlt der Ansatzpunkt, die Möglichkeit, es auf sanfte Art auszuprobieren. Doch es gibt dabei leider nur ganz oder gar nicht. Und das macht mir Angst.

Getriggert wurde ich vergangene Woche durch den Gastartikel von Suzanne, in dem sie offen über ihre Flugangst schreibt. Da ich nicht an Zufälle glaube, brauchte es wohl den auslösenden Moment, um endlich dieses Thema schonungslos ehrlich anzuschauen.

Dabei habe ich zwei Dinge festgestellt:
1.) Ich will unbedingt wieder fliegen, sonst würde mich die Flugangst nicht so beschäftigen.
2.) Ich brauche dafür therapeutische Hilfe, die am besten schon vor einem Flugangst-Seminar beginnt.

Denn besagter Flug 1992, in dem ich 3 Stunden lang dachte, dass ich sterben müsse, hat mich wohl ein Stück weit traumatisiert. Konzentrierte Todesangst ohne Fluchtmöglichkeit – ich merke jetzt schon wieder, wie ich bei dem Gedanken daran unruhig werde.

Ich steige nie mehr in ein Flugzeug. Oder doch?

Damals habe ich mir geschworen: Du steigst nie mehr im Leben in ein Flugzeug. Lieber fährst du ein paar Wochen mit einem Containerschiff über den Atlantik, falls ein Freund von dir auf die absurde Idee käme, in Amerika zu heiraten und dich einzuladen (der Ernstfall ist zum Glück nie eingetreten).

Doch deckt sich die Aussage wirklich noch mit meinem heutigen Leben? Lasse ich es wirklich zu, dass die Flugangst mein Leben einschränkt, obwohl in allen anderen Bereichen Freiheit mein höchstes Gut ist? Liegt hier vielleicht der letzte Schlüssel meiner Befreiung vergraben? Ist es die Angst vor meinem eigenen Erfolg, die mich am Boden hält, anstatt mir Flügel zu verleihen? Was würde passieren, wenn ich die Panik vorm Fliegen überwinden würde?

Wahrscheinlich fehlte es mir in dem Punkt bisher an der Verbindlichkeit, die für Veränderungen nötig ist. Vor allem die Frage nach dem “Warum”, die ich mir so konkret noch nie gestellt habe. Dann wird es Zeit. Warum will ich wieder fliegen?

  • Weil meine Frau nicht immer Zeit hat, wochenlang mit mir und meinem VW Bus durch die Gegend zu touren und gerne einfach mit mir in wenigen Stunden Griechenland erreichen würde.
  • Weil ich unbedingt einmal nach Island will und die Vorstellung einer zweieinhalbtägigen, stürmischen Fährfahrt bisher ungefähr genauso sexy fand wie einen Flug dorthin.
  • Weil ich mich dann endlich für eine Workation von Wirelesslife mit gleich gesinnten, ortsunabhängig arbeitenden Menschen anmelden könnte.
  • Weil ich in jedweder Hinsicht eine Flexibilität erreichen würde, die ich nutzen kann, aber nicht nutzen muss.
  • Weil ich tief in mir drin das Gefühl habe, dass mich nichts mehr stoppen kann, wenn ich die für mich größtmögliche meiner Ängste überwunden habe – oder mich zumindest soweit mit ihr arrangiert habe, dass sie mich nicht mehr limitiert.

Ob das reicht? Keine Ahnung. Ich will es zumindest probieren. Will mir selbst nicht in 20, 30 Jahren vorwerfen müssen, dass ich nicht einmal den Versuch gestartet habe.

Und wenn es nicht klappt? Dann mache ich mit gutem Gewissen einen Haken dahinter und fahr weiter Bahn und Bus. So Touren mit dem Bulli sollen ja ganz cool sein und ziemlich Spaß machen, habe ich mal gehört …

Hast du auch Panik vorm Fliegen? Falls ja, wie gehst du damit um? Vermeidest du das Fliegen oder konfrontierst du dich regelmäßig mit deiner Angst? Oder hast du sogar einen unschlagbaren Tipp, wie ich meine Flugangst loswerde? Ich freue mich auf deinen Kommentar!

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