Ein Gastbeitrag von Suzanne Frankenfeld

Januar 2016. Ich habe gerade das wohl schwierigste Jahr meines bisherigen Lebens hinter mir gelassen. 2015 habe ich endlich meinen Job gekündigt, der mir eigentlich von Anfang an nicht gut getan hat.

Meine Angsterkrankung, die sich über die Zeit in diesem Job entwickelt hat, hat sich nach meiner Kündigung erstmal so richtig ausgetobt. „Stress weg? Na dann können wir zwei uns jetzt ja mal richtig nahe kommen“ – hat sie sich wohl gedacht. Dabei hatte ich erwartet, dass mit der Kündigung schlagartig alles besser werden würde.

Wurde es aber wie gesagt nicht. Meine Ängste kamen jetzt erst so richtig raus. Den Sommer 2015 über habe ich größtenteils in meiner Gedankenwelt voller Angst verbracht. Dabei hatte ich eigentlich geplant, ihn so richtig bewusst zu genießen – mit tollen Kurztrips und längeren Aufenthalten in Berlin, Amsterdam und an der Nordsee.

Überall nur Angst. Angst vorm Fliegen, Angst vorm Tod (was genau genommen für mich das gleiche ist), Angst vorm Autofahren, Angst, dass mir jemand meine Freiheit wegnimmt, Angst vor Krankheit, Angst vor ich weiß nicht was noch alles. In meinem Kopf löste ein Horrorszenario das andere ab.

Erst der Herbst brachte – gemeinsam mit den Terminen bei meiner Therapeutin – langsam Linderung und der Winter glücklicherweise sogar noch mehr davon. Aber hey, in diesem Artikel geht es eigentlich gar nicht darum, wie furchtbar das Jahr 2015 für mich war.

Abwegig, aber wahr: Ich bin dankbar für dieses Jahr

Nein, in diesem Artikel geht es darum, wie dankbar ich für dieses furchtbare Jahr bin.

Das hört sich natürlich erstmal völlig bescheuert an. Keiner von uns wünscht sich eine Depression oder Angsterkrankung oder sonst was in der Art, ich weiß. Ich möchte auch überhaupt nicht verklären, wie sehr man unter einer solchen seelischen Erkrankung leidet. Es ist nicht schön und ich wünsche das niemandem.

Unter anderem übrigens auch deshalb nicht, weil seelische Erkrankungen in unserer Gesellschaft im Gegensatz zu vielen körperlichen Erkrankungen immer noch ein Tabuthema sind, was es einem als Betroffenen auch nicht gerade leichter macht. Du wirst von vielen behandelt, als wärst Du ein rohes Ei und/oder irgendwie nicht mehr ganz zurechnungsfähig. Völlig abwegig.

Aber das ist jetzt auch wieder ein ganz anderes Thema.

Was meine Angsterkrankung für mich verändert hat

Doch ich bin tatsächlich dankbar für meine Angsterkrankung. Natürlich konnte ich das in der schlimmsten Zeit überhaupt nicht so sehen. Doch sie hat mir gezeigt, dass etwas in meinem Leben komplett in die falsche Richtung läuft und dass es so einfach nicht mehr weitergeht.

Meine Angst hat mich wachgerüttelt und wahrscheinlich vor einem stumpfen und vergeudeten Leben gerettet, das ich sicherlich auf dem Sterbebett bereut hätte.

Ich habe 2015 gelitten wie nie, aber ich habe auch so viel über mich gelernt wie nie zuvor. Ich habe ganz viel verstanden über mich selbst, wie ich bin und warum ich so ticke. (Genauso viel ist mir allerdings auch immer noch unklar, wir wollen ja hier bei der Wahrheit bleiben.) Und ich habe verstanden, dass ich gut bin, so wie ich bin, egal ob andere das gerade genauso sehen oder nicht.

Ich habe ein gutes Stück weit zurück zu meiner Intuition gefunden, die ich in den Jahren zuvor ungewollt und unbewusst hatte verkümmern lassen.

Es fühlt sich ein bißchen so an, als hätte meine Seele zu diesem „harten“ Mittel der Angsterkrankung greifen müssen, weil ich ihre Bedürfnisse mit aller Kraft ignoriert habe. Wie ein Wink mit dem Zaunpfahl. Okay, Hinweis verstanden. Inzwischen.

Was ich über das Leben gelernt habe

Eins vorweg: Ich bin noch jung – zumindest relativ – und denke, dass ich in meinem Leben noch viele Lektionen zu lernen habe. Ich bin nicht dem Irrglauben verfallen, mit einer Lebenskrise nun alle Weisheit in mich aufgesogen zu haben.

Dennoch habe ich das Gefühl, in diesem einen Jahr unverhältnismäßig viel über das Leben gelernt zu haben. Biologisch: 1 Jahr älter. Seelisch: 5 Jahre Erfahrung mehr. So in etwa.

Vor meiner Erkrankung war für mich vieles im Leben entweder schwarz oder weiß, Grautöne und Schattierungen gab es kaum – ganz besonders, was das Arbeitsleben angeht. Ich dachte, zu wissen, wie „es“ läuft, was funktioniert und was nicht funktioniert, wenn es darum geht, die eigenen Brötchen zu verdienen und Karriere zu machen.

(Allein schon dieses Wort. Karriere. Aber naja, wieder ein anderes Thema.)

Inzwischen weiß ich: Es gibt so viel mehr Möglichkeiten. Für mich, für Dich, für uns alle.

Eine Krise als Chance nutzen und sich öffnen

Da bei mir die Angsterkrankung im direkten Zusammenhang mit meinem Job in Erscheinung getreten ist – auch wenn manche Ursachen möglicherweise schon viel länger zurück liegen – beschäftige ich mich seitdem intensiv mit diesem Thema:

Wie kann es sein, dass eine Wirtschaft, die eigentlich unserem Wohl dienen soll, so viele von uns krank macht? Und wie kann man für sich auf individueller Ebene eine Lösung finden, die einen zufriedenstellt und eher zum Lebensglück beiträgt, als es zu zerstören?

Mit der Zeit habe ich entdeckt: Es gibt tausendundeine Möglichkeit, unser Leben – auch beruflich – nach unseren eigenen Wünschen und Bedürfnissen zu gestalten. Ich habe so viele inspirierende Menschen gefunden und zum Teil auch persönlich getroffen, die alle irgendwie Querköpfe sind, kein 08/15-Arbeitsleben führen und damit trotzdem gut ihren Lebensunterhalt verdienen.

Die Welt ist auf einmal so viel reicher an Optionen.

Ich denke, all das hätte ich ohne den schwierigen Weg mit meiner Angsterkrankung so nie erfahren und gesehen.

Warum ich diesen Artikel schreibe

Ich glaube, dass Mischa mit seinem Blog, seiner Geschichte und seinen offenen Texten vielen Lesern Mut macht – ganz besonders auch jenen, die gerade ihren Weg noch nicht so genau sehen. (Mal ganz abgesehen davon, dass Adios Angst einfach mega unterhaltsam ist!)

Dazu möchte ich mit diesem Artikel meinen eigenen kleinen Teil beitragen. Deswegen hoffe ich inständig, dass heute folgendes bei Dir hängen bleibt:

Ich habe ein wirklich bescheidenes Jahr 2015 erlebt. Ich habe gedacht, das hört niemals auf und mein Leben würde sich nun für immer so furchtbar anfühlen.

ABER ich habe gelernt: Dem ist nicht so. Meine Angsterkrankung hat mich wachgerüttelt, mich mir selbst und meinem wunderbaren Dickschädel wieder näher gebracht, meinen Horizont erweitert und mich ein Stück stärker gemacht für das, was noch kommen mag auf meinem Weg.

Und: Es wird besser. Auch wenn es sich gerade vielleicht überhaupt nicht so anfühlt. (Bei mir ist auch noch nicht alles wieder eitel Sonnenschein, aber doch schon wieder deutlich heller.)

Lass Dich nicht entmutigen, wenn Du gerade im tiefen Tal einer Erkrankung oder einer persönlichen Krise steckst. Die Chancen stehen gar nicht so schlecht, dass Du reicher herauskommen wirst, als Du hineingegangen bist!

Suzanne FrankenfeldÜber die Autorin: Suzanne ist Reisende, Freiheitsliebende, Sozialwissenschaftlerin, Kommunikationsprofi und noch einiges mehr. Auf ihrem Blog freeyourworklife.de schreibt sie über ihren Ausstieg aus der Konzernkarriere und die Suche nach einem ganzheitlichen, erfüllten (Arbeits-)Leben – und möchte damit auch anderen Mut machen, die sich ein erfüllteres Arbeitsleben wünschen.

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