“Fernseher aus? Einen Tag vor dem WM-Finale? Was schreibt denn der für einen Quatsch?”, wirst Du Dich jetzt fragen. Keine Angst, natürlich schaue ich morgen Abend auch Fernsehen und hoffe auf den lang ersehnten Titel.
Aber wie wäre es denn, wenn die Kiste danach mal länger ausbliebe? Ich denke, gerade der Sommer ist doch eine wunderbare Jahreszeit für so einen Selbstversuch. Und vielleicht gefällt Dir das Ergebnis so gut wie mir.
Maximierung des Stillstands
Warum ich das so sehe? Weil ich selbst über viele, viele Jahre ein TV-Junkie war. Und damit ganz viel wunderbare Dinge verpasst und meine eigene Entwicklung blockiert habe. Raus aus dem Büro, Glotze an, Feierabend.
Aber das ist nichts zum Feiern. Das ist die Maximierung der Komfortzone und gleichzeitig des Stillstands. Lange wollte ich das nicht wahrhaben. Dachte, es sei eine super Idee, an einem Samstag im Winter acht Stunden Wintersport zu schauen, anstatt selbst rauszugehen. War es aber nicht.
Es bleibt so viel wertvolle Zeit
Ich weiß das, weil ich das seit einem Jahr anders mache. Radikal anders (zumindest im Vergleich zu vorher eine Reduzierung um gefühlt 98%). Und festgestellt habe, wie viel wertvolle Zeit selbst nach dem Job noch bleibt, sich selbst etwas Gutes zu tun.
Draußen Sport treiben, Yoga, Meditieren, Bücher lesen (so viele wie vergangenes Jahr habe ich noch nie geschafft), sich mit Freunden treffen, Essen gehen, mit dem Partner reden (statt gemeinsam zu glotzen) oder einfach nur auf dem Balkon in die Luft starren: Es gibt so viele Möglichkeiten – ausgehend davon, dass Du (noch) in einem nine-to-five-job bist – den Feierabend Nutzen stiftend zu verbringen. Das Fernsehen zählt nicht dazu.
Fernsehen macht Angst
Was das Grundproblem dabei ist? Im besten Fall unterhält Dich das Fernsehschauen. Im Regelfall aber verblödet es Dich und suggeriert Dir ständig, dass die Welt kurz vor dem Untergang ist.
Nicht nur die BILD kann Dir Angst machen, das schaffen auch die öffentlich-rechtlichen Sender mit ihren Nachrichten. Oder was wird uns suggeriert, wenn in der Tagesschau berichtet wird, dass irgendwo in Aserbaidschan bei einem Unwetter zwei Menschen ertrunken sind?
Genau: Die Welt ist gefährlich, unsere Natur spielt verrückt. Bleibt alle brav zu Hause, muckt nicht auf, ist eh alles schlimm genug da draußen. Ich habe das lange klaglos hingenommen. Und weiß heute: Das ist alles ein großer Quatsch.
Sei Dein eigener Experte!
Denn das Leben ist herrlich. Und Freiheit ist etwas Wunderbares. Dafür muss ich aber rausgehen und Dinge ausprobieren. Selbst feststellen, was gut für mich ist und was nicht.
Dafür brauche ich keine Wetter-, Politik-, Lifestyle- und schon gar keine Ernährungsexperten. Meine wichtigste Erkenntnis dabei – und das ist gerade für notorische Angsthasen, wie ich es einer war, unerlässlich: Stürz Dich in Abenteuer!
Raketenantrieb für Deine persönliche Entwicklung
Mach die Dinge, vor denen Du Schiss oder zumindest übergroßen Respekt hast – und zwar gerade deswegen. Das ist quasi ein Raketenantrieb für Deine persönliche Entwicklung.
Denn wenn Du eine neue Aufgabe gemeistert hast, von der Du vorher dachtest, dass Du das “eh nicht kannst”, “niemals lernst” oder einfach zu viel Angst davor hast, dann gibt Dir das ein Glücksgefühl, das unvergleichbar ist.
Du wächst weiter und weiter, weil Du nämlich irgendwann merkst, dass Du alle (neuen) Dinge meistern kannst, wenn Du nur willst und sie auch angehst.
Einmal auf den Fernsehturm?
Was das genau ist, weißt Du am besten für Dich. Für den einen ist es schon ein Abenteuer, mit seinem Chef mal eine ehrliche Unterredung zu führen. Für den nächsten, mal alleine in den Urlaub zu fahren. Oder eine neue Sprache zu lernen. Oder eine Segeltour zu machen. Oder auf den Fernsehturm hochzufahren. Oder, oder, oder.
Jedes Mal persönlicher Sieger
In meinem speziellen Fall ist das zurzeit: Alles ausprobieren, was rund ums Wasser zu tun hat. Da hatte ich immer ein bisschen viel Respekt, teilweise auch richtig Angst, mochte das Schaukeln nicht, etc.
Nun war ich auf meiner Reise schon zigmal mit Fähren unterwegs, habe mich beim Kajakfahren nach absichtlichem Kentern unter Wasser selbst aus dem Kajak befreit und geschafft, es auf dem Meer wieder zu erklimmen. Habe Stehpaddeln ausprobiert, was bei nettem kleinen Wellengang aus recht interessant war.
Und mich regelmäßig ins 12 Grad kalte Wasser gestürzt. Jedes Mal hatte ich ein bisschen Bauchgrimmen davor. Und bin jedes Mal als persönlicher Sieger hervorgegangen.
Fazit: Sei Dein eigenes Adventure-TV!
Und die Moral von der Geschicht’: Wenn du den ollen Fernseher schon nicht aus dem Fenster wirfst, dann versteck doch wenigstens die Fernbedienung mal ein paar Tage.
Du wirst erstaunt sein, wie viel freie Zeit Dir bleibt, um darüber zu sinnieren, welche Abenteuer Du unbedingt mal angehen willst und natürlich diese dann auch durchzuziehen.
Sei Dein eigenes Adventure-TV! Das wahre Leben spielt sich außerhalb der Flimmerkiste ab.
Und bei dir so? Junkie oder Abstinenzler? Oder auch in der Entwöhnungsphase? Ich freue mich auf deinen Kommentar!
Danke für den Beitrag. Ich werde es ausprobieren. Versprochen 🙂
Du? Ich bin von den Socken! Aber nur nix überstürzen, ned dass da Entzugserscheinungen bei zu schnellem Absetzen auftreten 🙂
Mmmhhh tja ich weiß nicht. So ganz ohne Beschallung? Vielleicht teste ich das mal auf meiner Insel
Der Versuch ist es wert! Ich habe ja daheim auch nicht auf null reduziert, aber so gut wie. Und seit ich unterwegs bin, vermisse ich überhaupt nichts (die deutschen Spiele habe ich mir natürlich in Kneipen angeschaut).
Und fürs Beschallen finde ich Musik allemal besser als Fernsehen. Für mich gibt es nur einen Fall, in dem ich die Kiste nicht missen möchte: Wenn ich richtig krank auf dem Sofa hänge und ansonsten gar nichts mehr kann. Dann finde ich ein wenig Ablenkung schon nett.
Hi Mischa,
sehr guter Artikel. Ich habe seit 6 Jahren keinen Fernsehr mehr und kann nicht glauben, dass ich auch mal zu den Menschen gehört habe, die fast das ganze Wochenende vor dem TV verbracht haben, aber das ist auch schon seeehr lange her… was für einen Zeitverschwendung und auch Verdummung. Da ich auch selten Radio höre, werde ich vermutlich irgendwann mal auch nicht mitbekommen, wenn die Welt untergeht … Ich kann mich dir nur anschließen, ausschalten, noch besser abschaffen, anfangen selbst zu denken und die Welt entdecken … da Draußen gibt es soooo viel … 🙂
Hi Natascha,
danke! Wenn ich das gewusst hätte, wärst du meine Ghostwriterin geworden 🙂
Das mit dem Weltuntergang trifft den Nagel auf den Kopf. Als ich vor zwei Monaten weggefahren bin und damals noch zwangsläufig ein wenig der hochwichtigen Nachrichten mitbekommen habe, zitterten alle vor der schlimmen Ukraine-Krise und dass wir bald alle jämmerlich deshalb leiden müssen. Als ich dann ein paar Wochen später zum ersten Mal auf sueddeutsche.de war, las ich ganz oben 4 Fußball-Artikel. Und die Ukraine tauchte unter den Top-10-Meldungen nicht mehr auf. Und da dachte ich mir: Entweder habe ich den Weltuntergang tatsächlich verpasst, oder es war doch alles wieder mal nicht so dramatisch (siehe BSE, EHEC, Vogelgrippe, etc. pp.).
Und Radio kann ich in der Tat auch kaum mehr ertragen. Nur hier im Ausland, da versteh ich wenigstens nichts.
Liebe Grüße
Mischa
Ich muss zugeben, allein schon der Titel des Beitrags hat mich zum Lesen bewegt. 🙂
Ich habe seit 2008 keinen Fernseher mehr. Wenn ich das anderen Menschen erzähle, bekomme ich meistens Mitleid, weil sie denken, dass ich mir keinen leisten kann. Oft kommt dann das Angebot, dass ich doch ihren alten bekommen könnte, da sie sich grad einen neuen und vorallem größeren gekauft haben …. Ohne Worte.
Herzlichen Willkommen in der Welt der TV-losen. 🙂
und
Viel Spaß beim Wassersport ausprobieren. 🙂
Grüße Myriam
Hi Myriam,
das ist witzig, dass Du dann gleich noch als “Entsorgungsstation” der alten Kisten vorgesehen bist 🙂
War das bei Dir damals auch eine bewusste Entscheidung, auf den Fernseher zu verzichten? Falls ja, warum?
Und was den Wassersport betrifft: Da bin ich jetzt heiß gelaufen und freue mich jetzt schon auf Finnland und seine 200 000 Seen (aber nicht auf die 500 Milliarden Mücken).
Liebe Grüße
Mischa
Ja, es war eine bewusste Entscheidung. Zur Schulzeit habe ich sehr viel TV geschaut und mit dem Unistart wollte ich das ändern. Und wenn man keinen Fernseher zur Verfügung hat, kann man auch nichts schauen. Das ist sehr praktisch. 🙂 Und mir hat ehrlich gesagt nie etwas gefehlt. Man schaut eigentlich auch nur, weil man sonst nichts anderes zu tun hat.
Heute abend werde ich dann das Finalspiel auf dem Laptop anschauen. Leider ist der Stream immer circa 1 Minute verzögert. Bei dem letzten Spiel hat die gesamte Straße gegröhlt und wir wussten zunächst nicht warum. Heute lassen wir die Fenster aber geschlossen. 😉
Rudelgucken oder neudeutsch “public viewing” mag ich nicht. Ich würde mich aber freuen, wenn die Menschen nicht nur zum rudelgucken auf die Straße gehen würde, sondern auch mal ihre Rechte auf der Straße einfordern würden und sich nicht vom TV “ruhig stellenlassen”.
Viele Grüße Myri
Das finde ich bemerkenswert konsequent!
Und das mit dem Jubel kenne ich auch. Zuhause haben die über uns Kabel analog und wir Kabel digital. Die sind immer früher dran 🙂
Und deinen letzten Satz kann ich nur ganz fett unterstreichen.
Und jetzt viel Spaß mit dem Stream und auf dass er nicht ruckelt.
Lg
Haha Miriam, das kenne ich … 🙂
Oh je, zurzeit hab ich es irgendwie nicht mit der Rechtschreibung … Sorry ich meinte Myriam …
Ach Natascha, das geht ja noch. Bei “Fuck lucky Go happy” wurden wir heute morgen auf FB mit dem Montags-Mantra begrüßt 🙂
Ja Mischa, dass mit den Medien … da muss man sehr aufpassen. Siehe Versuch an Facebook-Nutzern von Facebook & Cornell University, erschreckend wie sich Menschen manipulieren lassen können … Ich habe so viele Interessen, dass ich mich heute frage, wie ich damals so viel Zeit vor dem Fernseher verbringen konnte, denn meine Zeit ist jetzt immer so knapp, um alles machen zu können, was ich gerne machen möchte … 🙂 Viel Spass weiterhin.
In der Tat! Vor allem, wenn man bedenkt, dass das Leben endlich ist, man selbst vielleicht nicht immer so fit wie ein 25-Jähriger bleibt und dann irgendwann mit 70 sagt: “War geil, ich habe jeden Abend vier Stunden Fernseh geschaut. Ich habe zwar nichts von der Welt gesehen, aber alles über die Welt …”
Großartiger Bericht, Mischa! Ich hab ihn leider erst jetzt gelesen, aber war vorher schon relativ gelöst vom Fernsehen. Ich werds probieren, komplett ohne auszukommen. Und mal wieder sehr inspirierend und motivierend, ich lese viel lieber deinen Blog als mich die gleiche Zeit stumpf vor meine Glotze zu setzen. Ich wünschte, das würden noch viel mehr Menschen tun. Du hast mit allen Punkten recht! Raketenantrieb, persönlicher Sieger, Stillstand, eigenes Adventure-TV, kann ich alles unterschreiben. Ich muss sagen, seit ich wieder in D bin, bin ich doch etwas in die sogenannte Komfortzone zurückgekehrt, was mir nicht gefällt. Schlim, dass es so einfach ging. Aber das hab ich ja Gott sei Dank selbst in der Hand.:) Und dein Bericht hat mich glücklicherweise wachgerüttelt. Und dein letzter Kommentar beschreibt es auf soo großartige Weise: Wenn man bedenkt, dass das Leben endlich ist, man selbst vielleicht nicht immer so fit wie ein 25-Jähriger bleibt und dann irgendwann mit 70 sagt: “War geil, ich habe jeden Abend vier Stunden Fernseh geschaut. Ich habe zwar nichts von der Welt gesehen, aber alles über die Welt …”! Sollten sich so einige Menschen mal durch’n Kopf gehen lassen.:) Ich hab ihn mir gespeichert, um mich im Falle des Rückfalls immer dran erinnern zu können!!:) So, ich werd raus und Laufen, egal wie grau es ist!:):) Liebe Grüsse!:)
Hi Keoki,
danke für das Hammer-Lob! Ich lese auch inzwischen viel lieber geile Blogs, als vor dem Fernseher abzustumpfen.
Das mit der Rückkehr in die Komfortzone ist in der Tat eine Gefahr, der ich mich aktuell auch ausgesetzt sehe. Meine Lösung: Feste Gewohnheiten etablieren, die deinen Tag schon so gut ausfüllen, dass du gar nicht mehr groß über den klassischen Zeitvertreib nachdenken musst.
Liebe Grüße und viel Freude draußen
Mischa
Hi Mischa!:) Vielen Dank für den Tip. Beim Laufen hab ich’s schon anwenden können, muss es nur auf mehr Bereiche ausdehnen und meinen inneren Schweinehund mehr peitschen! Ich wünsch dir ein schönes Wochenende!!:)
Du willst ihn gleich peitschen? Ich würde ihn eher anlächeln und ihm sagen, dass du ihn ja verstehst, er aber trotzdem allein auf dem Sofa bleiben muss 🙂
Liebe Grüße