Was für eine seltsame Überschrift! Ausgerechnet von einem, der auf dem Titelbild seines Blogs stolz seinen VW Bus präsentiert. Als Symbol der Freiheit, mit dem er seine Ängste überwunden hat. Oder nicht?
Nein. Oder zumindest Jein. Mit weniger „J“ und klarer Betonung auf dem „ein“. Ich bin damals nicht zu meiner Europatour aufgebrochen, um mich zu therapieren oder um zu mir selbst zu finden. Ich bin losgefahren, weil ich Lust auf etwas ganz Neues, auf ein Abenteuer hatte. Und vor allem, weil ich mich endlich rundherum gut fühlte, weil ich gelernt hatte, mit meinen Ängsten umzugehen und weil ich in dem Jahr zuvor wichtige Lektionen gelernt und dringend nötige Veränderungen vorgenommen hatte.
Warum ich das alles schreibe? Schließlich kennst du meine Geschichte schon. Stimmt, aber du kennst nicht den Inhalt der vielen Mails, die ich bekomme. Dort taucht immer wieder ein Thema auf: Der Traum davon, mit einer richtig langen Reise, einem echten Aus- und Aufbruch das eigene Leid zu verringern oder zu beseitigen.
Klingt wie ein Traum: Mal so richtig Abstand zu allem bekommen, was einen belastet. Neue Eindrücke, neue Menschen, am besten noch weißen Sand unter den Füßen. So richtig loslassen. Der optimale Moment und Ort, um Klarheit über sein Leben zu bekommen, oder? Was sollen einem hier Angst, Depressionen oder andere Sorgen anhaben?
Ziemlich viel. Anders formuliert: Du kannst deiner Angst nicht davonfahren. Und auch nicht davonlaufen oder davonfliegen. Okay, falls deine einzige echte Angst die Flugangst ist, dann könnte das Konzept aufgehen. Sonst eher nicht.
Denn du kannst deine Themen nicht mal kurz an der Autobahnraststätte in den Mülleimer schmeißen. Du kannst sie auch nicht im Flieger nach Australien über dem Meer abwerfen. Du trägst die Dinge in dir und mit dir – egal, wo du dich aufhältst. Also bist DU der Ort, an dem Lösungen gefunden und Veränderungen eingeleitet werden. Und nicht Phuket, Santorin oder Bali.
Darauf warten, bis der Deckel vom Topf fliegt
Ich selbst habe das oft genug schmerzhaft erlebt. Teilweise haben sich meine Ängste auf den Urlaubsreisen sogar noch verstärkt. Sollte es doch mal zwei, drei Wochen einigermaßen gut gegangen sein, kam die Panik spätestens in der Nacht vor der Rückfahrt oder auf der Heimreise selbst.
All meine Erwartungen vom Runterkommen, Kopf ausschalten, den Blick auf die schönen Dinge des Lebens lenken wurden oft genug bitter enttäuscht. „Eigentlich müsste es dir hier doch gut gehen“, dachte ich, während meine Hand beim Abendessen im feinen Hotel zitterte, weil mich die Angst schon wieder fest im Griff hatte und ich Panik hatte, dass jeder meinen bemitleidenswerten Zustand schon von Weitem sehen könnte.
Der Meister des Verdrängens, wieder einmal eingeholt von seinen unzähligen Ängsten.
Hätte sich damals etwas geändert, wenn ich statt 2 Wochen gleich 2 Monate weggefahren wäre? Nein, denn all meine Themen waren viel zu präsent, brodelten munter vor sich hin und warteten nur darauf, bis der Deckel wieder davonfliegt.
Eine große Reise ist nicht der Ausgangspunkt einer Therapie
Deshalb kann ich die Euphorie von Menschen nicht teilen, die eine große Reise quasi als Ausgangspunkt ihrer Therapie sehen. Obwohl ich selbstredend jede Art von Freiheitsdrang und den Wunsch, mal neue Dinge auszuprobieren und dem alten Trott den Rücken zu kehren, zu 100 Prozent befürworte.
Es stellt sich nur die Frage: Ist die Zeit schon reif dafür? Oder ist es nicht erst einmal an der Zeit, die offensichtlichen Baustellen anzuschauen. Oder sich – vielleicht zum ersten Mal im Leben – ganz ehrliche Fragen zu stellen, was denn die Baustellen sein könnten? Also schmerzhafte Antworten zuzulassen und möglicherweise noch schmerzhaftere (aber im Nachhinein gesehen dann sehr wohltuende und heilsame) Entscheidungen zu treffen?
Wenn du dann wieder Boden unter den Füßen spürst und merkst, dass sich etwas zum Positiven bewegt, wenn du spürst, wie du einen neuen Zugang zu deinen Ängsten bekommen hast und der Deckel sicher auf dem Topf sitzt, weil das Wasser nur noch lauwarm ist: Dann nichts wie los und auf in die Welt!
Postkarten bitte an mich
Bitte nicht falsch verstehen: Der Artikel soll keinesfalls ein Ratschlag an alle Angstpatienten sein, sich solange daheim zu verkriechen, bis alle Themen aufgearbeitet sind und keine Reisen mehr zu unternehmen. Im Gegenteil. Trotz der Angst immer wieder aufzubrechen und sich unterwegs manchmal überraschende Dinge zu trauen, ist extrem wichtig und gibt viel Selbstvertrauen für weitere Aufgaben. Ganz besonders für die Mutigen, die sogar allein losziehen.
Aber als Allheilmittel gegen alle angehäuften Sorgen, Ängste und Probleme taugen lange Reisen sicher nicht. Selbst, wenn man dort spannende Erfahrungen macht wie zum Beispiel auf dem Jakobsweg oder bei einem zehntägigen Vipassana-Meditationskurs, bei dem nicht gesprochen werden darf.
Das ist alles schön und gut. Aber deine Aufgaben musst du zuhause machen. Deswegen heißen sie ja auch Hausaufgaben und nicht Reiseaufgaben.
So, du hast dir jetzt alles durchgelesen, heftig den Kopf geschüttelt, weil du weißt und tief im Innersten spürst, dass du aktuell nichts dringender brauchst, als einen Ausstieg auf Zeit oder für immer. Weil du 1000 Prozent sicher bist, auf diesem Weg die Erfüllung zu finden. Dann bleibt mir nur noch, dir eine gute Reise zu wünschen. Und schick mir bitte eine Postkarte!
Hast du auch schon mal mit dem Gedanken gespielt, alles stehen und liegen zu lassen und einfach abzuhauen? Welche Erfahrungen hast du mit dem Thema Angst und Reisen gemacht? Gab es Aha-Momente unterwegs, die dich in dem Thema weitergebracht haben? Ich freue mich auf deinen Kommentar!
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Hallo Mischa,
boah ich kann Dir nur so laut und deutlich zustimmen!!! Leute, kümmert Euch erst um Eure Probleme und folgt dann Eurer Abenteuerlust 🙂
Ich war im Sommer 2015, direkt nach meiner Kündigung, zwei Monate lang ziemlich viel in Europa unterwegs. Nicht, um mich zu therapieren, sondern weil ich, als ich die Trips im Frühling geplant hatte, keine Ahnung hatte, wie weit es seelisch noch „bergab“ gehen würde für mich.
Rückblickend waren diese Reisen weder besonders klug im Sinne meiner Heilung noch haben sie mir die Freude bereitet, die ich sonst beim Reisen empfinde. Mir ging es unterwegs eher noch schlechter als zuhause und ich wechselte so oft die Umgebung, dass ich nicht zur Ruhe kommen und mich mit meinen Ängsten befassen konnte. Zudem war ich nicht alleine unterwegs und konnte mich auch nicht so zurückziehen und Zeit für mich nehmen, wie ich es zuhause gekonnt hätte. Ach so, und außerdem gab es bedingt durch die Reiserei auch eine Therapiepause von 6 oder 8 Wochen.
Wie gesagt, ich habe das nicht vorhergesehen, sonst hätte ich es anders geplant und nicht mein ganzes schönes Geld für „unglückliche“ Reisen ausgegeben, sondern die jetzt gemacht, wo es mir wieder besser geht.
Ich kann Dir also nur beipflichten und empfehle jedem, sich erstmal seine Themen anzuschauen, bevor er/sie sich daran macht, Reiseträume wahr werden zu lassen 🙂
Alles Liebe
Suzanne
Liebe Suzanne,
vielen Dank für die Einblicke und die Beschreibung deiner Seelenwelt auf deinen letztjährigen Reisen. Hattest du auch öfter diesen Gedanken „Was tue ich eigentlich hier?“ bzw. dir selbst Vorwürfe gemacht, warum du jetzt die Reise nicht genießen kannst?
Ich bin mir sicher, dass nach deinen Erfahrungen und deiner gelungenen Therapie die nächste Tour umso schöner wird 🙂 Ging mir zumindest so, als ich mir dann dachte: „Aha, so unbeschwert kann sich als Reisen anfühlen“ …
Ganz liebe Grüße
Mischa
Ja, ich wollte zweimal abbrechen, weil es mir so schlecht ging, und ich auch die dauernde Anwesenheit meiner Freundin zu der Zeit kaum ertragen konnte.
Vorwürfe habe ich mir nicht gemacht, ich hab mich irgendwie nur geärgert, dass ich nicht zuhause war und mir nicht die Ruhe nehmen konnte, die ich zu der Zeit brauchte.
🙂 Liebe Grüße zurück!
Hey Mischa,
du kennst ja meine Geschichte und ich kann dir nur beipflichten. Trotz allem möchte ich die Erfahrung nicht missen, der Angst mutig ins Auge gesehen zu haben und dann mit weichen Knien in den Flieger gestiegen zu sein, um quer durch Nordspanien zu wandern. Doch sehr, sehr schnell war mir bewusst, dass el pánico mit läuft – auch ohne Handyortung oder GPS.
Niemand sollte daher glauben, dass es ihn nicht am entlegensten Ort der Welt ‚erwischen‘ kann.
Ich bin jedoch felsenfest davon überzeugt, dass sich der Mut Dinge anzugehen auch langfristig auszahlt. Monate später stöbert man noch einmal in seinen Reiseunterlagen und denkt fast ungläubig: ‚Das habe ich wirklich gemacht??!!!‘.
Die Angst ist da, wo auch wir sind. Du weißt nur nicht, wann sie um die Ecke kommt…
Hi Andrea,
lieben Dank für deinen Kommentar! Das ist witzig, denn ich habe beim Schreiben an verschiedene Menschen und Geschichten gedacht, aber definitiv nicht an dich 🙂
Du hattest ja damals vor dem Aufbruch ein einschneidendes Erlebnis, bei dem du gespürt hast, dass du einen neuen Zugang zu deiner Angst findest. Insofern empfand ich es bei dir gar nicht als Flucht, sondern als Phase des Ausprobierens, was mit dem neun Wissen möglich ist. Im Sinne einer guten Angsttherapie also ein absolut zielführendes Vorgehen, auch wenn es am Ende kein Happy-End gab.
Und wie ich geschrieben habe, bin ich ganz wie du der Meinung, dass sich jede neue Erfahrung auszahlt und mal sich bloß nicht verkriechen soll. Nur sollte man sich eben nicht gleich die Heilung von so einer Reise versprechen …
Alles Liebe
Mischa
Lieber Mischa,
mir spukte schon seit einer Weile ein ganz ähnlicher Artikel im Kopf herum. Vielen Dank dir, dass du ihn aufgeschrieben hast! 😉
Immer wieder merke ich, dass Menschen, mit denen ich über meine Entwicklung spreche, erstaunt darüber sind, dass ich das alles zu Hause bewerkstelligt habe. Einmal „Eat, Pray, Love“ geschaut, und schon sitzt der Gedanke tief in uns, dass wir nur auf Reisen zu uns selbst finden können. Schließlich haben es ja so viele andere geschafft. Aber haben sie das wirklich oder wirkt das auf den schönen Sonnenuntergangsbildern nur so? Auch ohne Auslandssemester oder Highschool-Jahr ist man ja schon fast ein Außenseiter. Schließlich ist „Erfahrungen machen“ ja DAS Ziel, wenn man herausgefunden hat, dass Dauerkonsum es nicht sein kann. Aber ich habe den Eindruck, dass so manch einer Erfahrungen ebenso konsumiert wie ein anderer H&M-Klamotten.
Ich liebe das Reisen, aber ich war eben lange Zeit ein Angsthase und meine Entwicklung musste hier, in meinem gesicherten Umfeld passieren. Und jetzt spüre ich in mir eine Lust, etwas zu entdecken und die Welt zu sehen. Dafür muss ich aber keine Weltreise machen oder mit dem Rucksack durch die Pampa wandern. Ich kann, aber muss nicht. Ich freue mich auf meinen London-Aufenthalt nächsten Monat vermutlich viel mehr als andere sich auf Hawaii oder sonst was. Weil Reisen für mich etwas Besonderes bleibt und nicht zu einem Konsumgut geworden ist. Weil ich die Atmosphäre genießen will und nicht nur wegen dem Selfie vor der Sehenswürdigkeit irgendwohin fahre. Und schon gar nicht, weil ich erwarte, dadurch ein neuer Mensch zu werden. Denn ich glaube, diesen Anspruch kann keine Reise erfüllen, wenn es nicht von uns aus kommt.
Vielen Dank dir für diesen tollen Artikel, Mischa!
Ganz liebe Grüße
Anna
Liebe Anna,
nachdem du sonst immer die Gedanken aus meinem Kopf ziehst und auf deinem Blog zu wunderbaren Artikeln verarbeitest, habe ich halt diesmal den Spieß umgedreht ?
Ich finde es klasse, dass du keine Eat, Pray, Love-Erfahrung gebraucht hast, um die von dir gewünschte Entwicklung weg vom Angsthasen zu vollziehen, sondern dir etwas Nachhaltiges geschaffen hast. Manchmal ist der lange, unspektakuläre Weg doch der Beste.
Die Art, wie du über das Reisen denkst, gefällt mir ausgesprochen gut. Bewusst wahrzunehmen, was man wo tut, ist die großartigste Art, durchs Leben zu gehen.
Ganz viel Freude in London und liebe Grüße
Mischa
Lieber Mischa,
Du hast in Deinem Artikel etwas ganz Wichtiges angesprochen: Mann kann nicht vor sich selbst und seinen Problemen davonlaufen, man hat sich immer dabei.
Ich zähle da nicht nur die Reisen dazu, auch ein häufiger Wohnungs- und Arbeitsstellenwechsel oder „Ablenkung“ durch andere Dinge und Tätigkeiten.
Ich bin auch viel zu lange auf der Flucht gewesen – vor mir und meinen Problemen. Da gab es Momente im Urlaub oder bei Ausflügen in unsere traumhafte Umgebung, die wunderschön waren: wir als Familie zusammen, traumhafte Landschaft… und mir krampfte sich das Herz zusammen und es fiel mir schwer, mich zu freuen.
Warum fühlte ich mich nach den Urlauben nicht erholt und war nur traurig, wieder in die Arbeit zu müssen? Warum haben mir auch Wohnortwechsel nicht den erhofften Frieden gebracht? Warum konnte ich mich nicht freuen, mit meiner Familie zusammen in der Natur zu sein?
Weil ich mich und meine Grübelgedanken immer dabei hatte. Diese Gedanken drehten sich im Kreis, so dass ich keinen Ausweg fand.
Nach meinem Zusammenbruch im vergangenen Jahr habe ich mich ganz bewusst meinen Themen gestellt. Ich konnte den Grübelkreislauf durchbrechen und endlich mal von „außen“ auf mich und meine Probleme schauen. Dazu brauchte ich keine Reisen, nur viel Zeit für mich alleine.
Endlich ist die Freude zurückgekehrt in mein Leben.
Ich habe gekündigt und baue mir gerade hier vor Ort eine Selbständigkeit auf. Von meinem Mann und den Kindern erfahre ich viel Unterstützung. Das ist ein kostbares Geschenk, was mir so keine Reise bringen kann.
Natürlich habe ich dabei auch Ängste, aber ich laufe nicht mehr davon und versuche sie statt dessen liebevoll an die Hand zu nehmen.
Alles Liebe Dir,
Sabine
Liebe Sabine,
oh ja, der ewige Grübelkreislauf. Wem sagst du das … Ich ertappe mich heute noch manchmal dabei. Nur merke ich es dann und sage bewusst: Stopp! Oder ich powere mich so aus, dass gar keine Energie mehr zum Grübeln übrig bleibt 😉
Finde ich super, dass du dir bewusst die Zeit für dich und mit dir genommen hast und die entscheidenden Schritte vorangekommen bist. Für deine Selbstständigkeit wünsche ich dir nur das Beste und bin mir sicher, dass du das mit der tollen Unterstützung gut hinbekommen wirst.
Liebe Grüße
Mischa
Hi Mischa,
ein sehr kontroverser Beitrag wie ich finde, mit großem Diskussionspotential! Würde aber ganz pauschal nicht verneinen, dass einem eine Reise auf gar keinen Fall weiterhelfen kann. Ich habe es oft genug erlebt, dass, wenn man lange Zuhause ist und wirklich nur in seinem kleinen Umfeld, dann das Leben sehr schnell Scheuklappen bekommt und man sich viel eher verläuft, als wenn man hin und wieder Location wechselt. Ich weiß schon, worauf du mit deinem Beitrag hinaus willst und das sehe ich unter anderem auch so (auch meine Erfahrungen auf den Philis decken sich damit), dass einen die Probleme immer irgendwann einholen (und je länger man wartet, desto härter schlagen sie zu), aber eine Reise kann einen durchaus wieder Lebenskraft geben und einem eine andere (oder viele!) Perspektiven schenken. Wenn es hier nicht klappt, mit dem schönen Leben, warum nicht irgendwo anders, was spricht dagegen?
An sich würde ich da mehr differenzieren, denn je nachdem, was man auf einer Reise sucht, kann man es finden oder auch nicht. Ich gehe ja auch nicht zum Herrn Doktor um ein Abenteuer zu erleben oder auf die Arbeit um ein unvergessliches Erlebnis zu erleben oder mir dort Lebensinspiration zu holen. Die Frage ist, ob ich denn Zuhause bleibe um den Weltschmerz zu heilen oder in die Ferne gehe, um meine Probleme zu vergessen. Will ich denn von hier abhauen, weil mir alles zuviel wird und ich mich erhohlen will vom Alltagssumpf oder will ich aufbrechen um die Schönheit der Vielfältigkeit zu bewundern, mich von anderen Kulturen inspirieren zu lassen, zu erfahren wie andere, fremde Menschen fernab unserer Gesellschaftsnormen das Leben meistern, und dann mit viel Lebenswillen und Mut zurückkommen und versuchen alles anders zu machen, sodass ich letztendlich keinen Urlaub, keine Flucht aus meinem (echten) Leben mehr brauche? Was soll die Reise bezwecken? Soll sie mich heilen, soll sie mich erlösen? Oder soll sie mich inspirieren, mir Kraft schenken, mich neu wappnen für ein Leben nach eigenen Regeln? Was soll sie bezwecken?
Man sollte sich nur nie selbst täuschen, wenn man loszieht und mal sagt: Sorry Leute, ich bin raus. Denn dann, ja dann gibt’s ne böse Überraschung beim Heimkommen.
Liebe Grüße,
Mad
Hi Mad,
du weißt ja, dass es bei mir immer kontroverse Beiträge gibt. Sonst wäre so ein Blog ja auch todlangweilig.
Das mit der Diskussion sehe ich anders. Ich habe mich früher auch immer zu Tode diskutiert und wollte unbedingt bei allem Recht behalten oder bekommen (und ertappe mich noch oft genug dabei, wie ich wieder damit beginne). Aber bringen Diskussionen wirklich etwas? Oder ist es nicht sinnvoller, einfach die Meinung/Lebenseinstellung des anderen stehen zu lassen, nicht sofort als gut oder falsch zu klassifizieren und einfach mal wirken zu lassen. Oft ist es ja so, dass ein Text, bei dem man innerlich zu kochen anfängt und bei dem man direkt danach in die Tasten haut einer von der Sorte ist, die ein wichtige (unangenehme) Stelle bei einem berührt hat.
Was ich damit sagen will: Ich kann deine Ansätze zu dem Thema sehr gut nachvollziehen – zum Teil aus eigener Erfahrung und natürlich auch, weil jeder Mensch anders ist.
Dein letzter Satz gefällt mir besonders gut. Niemand ist je ganz raus, außer er lässt sich auf den Mond schießen oder lebt den Rest seiner Tage allein im Wald. Also sollte man immer im Hinterkopf behalten, dass es auch ein Leben nach dem (längeren) Aussteigen gibt.
Liebe Grüße und danke für deine guten Anregungen
Mischa
Hallo Mischa, mit dem Gedanken mit einem Wohnmobil, also das Zuhause immer dabei, irgendwohin zu fahren bin ich auf Deinen Blog gestoßen.
Ich weiß nicht einmal ob ich überhaupt reiselustig bin, aber nach 40 Jahren mit Angstzuständen weiß ich eigentlich überhaupt nicht mehr wer ich wirklich bin und was ich gerne mache.
Liebe Grüße, Christine
Liebe Christine,
40 Jahre Angstzustände? Hui, da hast du wahrscheinlich schon alles an Therapien und Heilmethoden durch, die es gibt, oder?
In deinem Fall denke ich: Wenn dir der Gedanke gekommen ist und du dir das vorstellen kannst, dann mach es. Für mich hört sich das mit deiner Geschichte super mutig an. Und jedem mutigen Hoffungsschimmer sollte man nachgehen. Hast du beim Reisen keine Angst bzw. ist die beherrschbar?
Alles Gute
Mischa
Ja ich habe alles durch an Therapien, Kliniken. Die Angstzustände waren aber nie Thema, anderes war wichtiger, Anorexie und PTBS. Ich weiß nicht ob ich beim Reisen Angst habe, habe es noch nie gemacht. Ich weiß nur das ich so auf keinen Fall mehr leben will und denke auch nicht darüber nach was passieren könnte. Sicherheit gibt mir mein Auto und die Dunkelheit. Ich werde nachts fahren, der 1. Versuch in 3 Wochen nach Berlin, 4 Std. Fahrt. Der nächste ist heftiger, ca 10 Std. Fahrt nach München und ein Konzert in der Olympiahalle. Du glaubst nicht wieviel Gegenwind ich von meiner Umgebung bekomme, hätte ich niemals für möglich gehalten. Statt positiver Bestärkung werden Horrorszenarien heraufbeschworen. Unfassbar!
Wahrscheinlich hat deine Umgebung Angst um dich, Christine, und reagiert so. Vielleicht haben sie sich auch einfach nur an die „schwache Christine“ gewöhnt und wollen gar nicht, dass du Stärke zeigst. Das sind normale Verhaltensweisen, die auftreten, wenn jemand einen Aufbruch wagt.
Ich finde es grandios und spüre förmlich in deinen Zeilen deine Energie und deinen Willen. Was hast du auch zu verlieren? Im „schlimmsten“ Fall drehst du nach 10 Minuten um und fährst wieder heim. Aber mit deiner Einstellung „Ich will so nicht mehr leben“ hast du wirklich eine super Chance, dir ein ganz neues Leben nach und nach zu erschließen.
Alles Gute dabei und ich freue mich, wieder von dir zu hören.
Ganz liebe Grüße
Mischa
Nach 10 Minuten umdrehen ist nicht 🙂 . Ich versuche es für mich ins lustige zu drehen, deshalb denke ich nicht darüber nach.
Ich habe 2 Antworten auf die 2 wichtigsten Fragen aus meiner Familie.
Mein Auto geht kaputt (15 Jahre alt), dann rufe ich den ADAC. Ich bekomme Panik, dann muß ich wohl den Notarzt rufen. Bei der Vorstellung von letzterem muß ich grinsen. Ob das schon mal jemand gemacht hat?
Meine Nachbarn machen sich lustig über mich wenn ich es mal wieder nicht schaffe einzukaufen: Und Du willst nach Berlin und München fahren 🙂 ? Damit kann ich aber umgehen weil ich es selber lustig finde 🙂
Komischerweise bin ich für alle die jetzt etwas dagegen sagen immer die starke Christine, meine Ängste wurden bisher negiert. Ich glaube da hat keiner Angst um mich, nein, ich weiß es, ich spüre minimalste Stimmungen. Ich kann einfach machen was ich will, ich bin frei und das sind die Angstmacher nicht.
Meine Nachbarn sind damit nicht gemeint, ich mag dieses auf die Schippe nehmen von ihnen, das macht es leicht 🙂
Wenn du bei der Vorstellung schon grinsen musst, dann ist das doch das beste Zeichen 🙂
Behalte dir deine Jetzt-erst-recht-Stimmung und deinen Freiheitswillen. Und lass mich unbedingt hinterher wissen, wie es war.
Jetzt fühle ich mich ein bisschen ertappt. Weil ich nämlich erst vor wenigen Wochen einen T5 gekauft habe und mit Mann und Kind in diesem Jahr viel unterwegs sein will. Mit und wegen und trotz Angst (und Depressionen, seufz).
Auf die Idee gekommen sind wir letztes Jahr, da haben wir zum ersten Mal mit einem gemieteten Bulli Urlaub gemacht. Nur eine Woche und nur wenige Stunden von daheim. Aber es war eine großartige Erfahrung – ganz anders als die beklemmenden (wenigen) Reisen zuvor in meinem Leben, die ich nicht gut genießen konnte. Der Bulli hat mir Sicherheit gegeben, aus der heraus ich mich für neue Erfahrungen und Menschen öffnen konnte. Ich hab eine neue Seite an mir entdeckt. Das war so schön, dass ich mein Auto verkauft, gespart und mir jetzt einen eigenen Bus gekauft habe (zur großen Begeisterung von Kind und Mann).
Meiner Angst davonfahren kann ich ganz sicher nicht. Aber das Unterwegs sein fordert mich heraus. Meine Angst möchte gern, dass ich daheim im sicheren Zimmer bleibe und gar nichts verändere. Daher sehe ich das Reisen für mich auch ein wenig als Konfrontation mit dem Unbekannten. Eigentlich ein positiver Ansatz, oder?
Hi Liz,
das ist großartig! Und widerspricht auch in keinster Weise meiner These – abgesehen davon, dass es eh nur meine Meinung ist und ich nicht der Scharfrichter bin, der irgendjemanden „ertappt“ 😉
Du hast für dich im Kleinen was riskiert und festgestellt, dass es dir gut tut. Und jetzt machst du die Sache ein bisschen größer. Besser geht’s nicht. Und so ein Bulli kann einem in der Tat auch Sicherheit geben, habe ich ja selbst festgestellt.
Also genieß die Zeit mit deinem T 5, Mann und Kind und hol dir noch ganz viele schöne Erlebnisse dort draußen im Unbekannten. Wo soll es denn als nächstes hingehen?
Liebe Grüße
Mischa
Naja, „ertappt“ schrieb ich deshalb, weil ich durchaus auch schon den Gedanken hatte, einfach abzuhauen. So ne Aussteiger-Romantik, die in der Realität nicht funktioniert – nicht mit meinen psychischen Anhängseln. Vor ein paar Jahren bin ich mit meinem Mann einen Monat lang durch Kalifornien gereist. Ich hatte mir diese Reise ewig gewünscht. Aber als wir dann dort waren, fühlte ich mich sehr oft irgendwie leer und überfordert und traurig. Hatte richtig Heimweh.
Da hab ich dann begriffen, dass ich erstmal kleinere Brötchen backen muss. Dass aber das Reisen für mich auch ein Teil der Therapie ist. Die Komfortzone verlassen, gegen die Angst, die mich bremst – dabei hilft mir jetzt der Bulli. Am Wochenende war ich zum ersten Mal einen Tag mit ihm unterwegs. War toll.
Gen Sommer soll es dann Richtung Kroatien gehen. Wenn ich mich traue. Ich übe jetzt erstmal ein bisschen mit Kurztrips 🙂
Okay, dann bist du ja in der Tat das perfekte Beispiel für den Artikel 😉
Finde es klasse, dass du es in kleinen Dosen probierst und dann schaust, wohin es dich führt. Und mal schauen, ob wir uns im Sommer in Kroatien begegnen – du weißt ja, wie DR. D aussieht 🙂
Hallo Mischa,
vielen Dank für diesen schönen Blog ?
Hier zwei Links, irgendwie ein bisschen auch zum Thema…
https://www.facebook.com/GilbertLiz/posts/980409515374497:0
https://www.facebook.com/GilbertLiz/posts/983596025055846:0
LG Anja
Hallo Mischa, eine kurze Rückmeldung von mir. Ich habe es geschafft 🙂
Bin nach Berlin gefahren, nicht mal ,wie gedacht, im Schutze der Nacht, sondern mitten am Tag. Die ersten 150 km waren furchtbar, als es Richtung Dunkelheit ging wurde es besser.
Die Fahrt nach München dann ohne Probleme, Olympiahalle auch 🙂
Für mich hat es im Endeffekt so funktioniert: Laß keine negativen Gedanken von innen und außen zu, nicht einmal eine Spur davon, und konzentriere Dich nur auf einen ganz bestimmten wunderbaren Augenblick am Ziel Deiner Reise. Ich hatte bei beiden Reisen jeweils nur einen kurzen tollen Augenblick im Sinn, den habe ich davor immer wieder für mich abgerufen und mich daran erfreut.
So langsam glaube ich an schicksal und karma.
Man bekommt soviele antworten hier und ist überrascht wie richtig man eigentlich unterwegs ist genial.
Das freut mich! Suchen und finden und immer wieder an die richtigen Menschen und Impulse geraten: so funktioniert’s 🙂