… dem Herz folgen und ins Ungewisse reisen, nur mit einem Rucksack.
Wenn ich Mischas Blog lese, sehe ich in ihm einen Bruder. Und ich fühle mich erinnert an meine eigene Geschichte und Sehnsucht. Den Drang, rauszuplatzen aus dem festgefahrenen Leben, das ich Alltag nannte, und abzuhauen in die Welt, nach dort, wo der Wind weht, Hauptsache frische Luft um die Nase, immer dem Herzen nach.
Irgendwann habe ich es dann getan. Und ich habe es nicht bereut. Nicht bereut, meinen alten Job aufgegeben zu haben, um mehrere Monate durch Spanien und Portugal zu reisen. Statt des eigenen VW-Busses habe ich den Weg des Pilgers gewählt. Wenn auch lange nicht so schnell unterwegs, so bin ich doch genauso frei, kann spontan entscheiden, an einem Platz verweilen, doch noch eine Herberge weiterziehen als vorgesehen, ganz im Moment sein.
Der Mensch ist dafür gemacht, die Sonne im Gesicht zu spüren
Nicht jeder Mensch ist dafür gemacht, den Großteil des Tages, des Lebens, einen Bildschirm anzustarren, eine PC-Maus zu berühren. Er ist dafür gemacht, die Sonne im Gesicht zu spüren und auch den Regen manchmal, mit Menschen zu sprechen und sich zu bewegen.
Eine Hand zu halten und über eine Wange zu streichen anstatt über eine Tastatur. Seine eigene innere Stimme und Intuition wieder wahrzunehmen, anstatt die stetigen Infos und die voller-Glamour-niemals-erreichbaren-und-immerglücklichen-Werbe-Gesichter, die einen im Netz bespringen, wenn man sich aus seinem E-Mail-Programm ausloggt.
Ich möchte das nicht verteufeln, das moderne Computer-Arbeitsleben. Täglich, jahrzehntelang sich auf dem Feld den Hintern aufzureißen und zu malochen, bis der Rücken irgendwann vielleicht für immer zwickt, ist vielleicht auch nicht unbedingt die bessere Alternative.
Ich möchte nur dazu aufrufen, einmal, ein einziges Mal zumindest, dem Herzen zu folgen, zu springen, die Sehnsucht in sich ernst zu nehmen. Vor allem für den, dessen Herz danach schreit und dessen Sehnsucht brennt. Wenn du nicht das tust, wofür du brennst, dann brennst du irgendwann aus, burn out.
Bei aller Sicherheit und bei allem Guten, was sie uns bietet – zu viel Sicherheit ist auch wie ein Knast. Wir leben vermutlich nicht ewig. Wir müssen irgendwann einmal erwachsen werden – auch wenn wir längst erwachsen sind. Ich meine damit: Verantwortung übernehmen. Dafür einzustehen, was wir wollen. Wir und niemand anderes. Darauf zu scheißen, was andere sagen, denken, empfehlen. Was unsere Eltern gesagt hätten.
Denn ob wir 30 oder 50 Jahre alt sind: Viele von uns, mich eingeschlossen, tragen immer noch Bilder mit uns herum, wie wir glauben, sein zu sollen. Wie wir glauben, Leben leben zu sollen. Wir merken manchmal gar nicht, dass es nicht unsere eigenen Werte sind, die wir da leben. Mit Erwachsensein hat das nichts zu tun.
Es braucht Zeit, bis man sich traut
Ja, dieser Weg ist hart, und es braucht Zeit, bis man die Nase voll davon hat, die Nase voll zu haben. Bis man sich traut. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Und auch wenn ich mich einmal getraut habe, bin ich noch nicht davor gefeit, mich wieder überwinden zu müssen.
Denn es kommen neue Situationen und Weggabelungen. Es ist ein stetiges Aufspringen auf den fahrenden Zug, unserer Sehnsucht hinterher. Ich bin dabei zu lernen, dem Weg zu folgen, bei dem „Herz“ auf dem Wegweiser steht. Meist führt dieser Weg zunächst durch Dunkelheit, denn es ist noch ungewiss, wo er langführt.
Der Kompass ist das Gefühl. Fühlt es sich stimmig an, ist es der richtige Weg. Kein leichter Weg. Doch es ist der einzige Weg, den es sich lohnt zu gehen.
Über den Autor: Christoph Erkens ist in diesem Frühjahr und Sommer mehrere Monate mit dem Rucksack durch Spanien und Portugal gepilgert. Über seine spannenden Erfahrungen schreibt er auf dem Blog Jakobsweg-Küstenweg Um auch anderen zu helfen, über ihren Schatten zu springen und sich auf die (Pilger-)Reise zu sich selbst zu begeben, hat er das Projekt Rucksackreise zu dir gestartet.
Toller Bericht!
Ich bin den Weg nur ein Stück gegenagen, von Santander nach Santiago, aber es war besonders.
Und ich träume davon noch einmal zu gehen, von zu Hause.
Ich gespannt auf Dein Projekt. Klingt sehr spannend!
Viele Grüße
Steffi
Hi Steffi,
danke! Von Santander bis Santiago ist ja schon ein grosses Stueck. Die Idee von Zuhause aus zu gehen, hatte ich auch schon. Wenn du die Zeit & das Budget hast, ist es bestimmt eine tolle Sache. Ich hab ein paar Menschen getroffen, die das gemacht haben und strahlende Gesichter hatten.
LG Christoph
Hallo! Dein toller Bericht gefällt mir sehr und was du sagst, spricht mir auch sehr aus der Seele und dem Herzen! Ich kann dich wirklich gut verstehen, denn auch ich habe einen langen Kampf mit Burnout, Depressionen und Existenzängsten hinter mir. Es freut mich auch sehr, dass du die richtige Partnerin an deiner Seite hast. Das hatte und habe ich mit meinem Partner auch. Ich wünsche dir für deine Zukunft nur das Beste! Ganz liebe Grüße Nic
Hi Nicole, vielen Dank für deine Worte. Ja, ich glaub es geht vielen Menschen heute so, und wir dürfen noch einiges lernen über Mut, Demut und das Leben. Vor allem, da uns viele Tore ja offenstehen und heute so vieles moeglich ist wie das Reisen, Job wechseln und ein anderes Leben führen. Aber was meinst du mit der richtigen Partnerin an meiner Seite? Meinen Rucksack? 🙂 Ich bin alleine losgezogen.. 🙂
LG Christoph
Toller Artikel und poetisch toll geschrieben. Ich hab gleich mehrere Sätze gefunden, die ich so zitieren könnte! Allein die Überschrift bringt es schon auf den Punkt.
Es ist wirklich wahr, es ist ein harter und langer Weg, bis man den Mut aufbringt und der Sehnsucht folgt. Aber allein mit der Tatsache, dass Sehnsucht existiert, ist eine wichtige Vorraussetzung immerhin geschaffen. Denn zu oft habe ich das Gefühl, in vielen Menschen brennt gar nichts.
Hallo Patrick,
ja, da hast du Recht. Wir dürfen die Sehnsucht wie einen Motor benutzen, der uns vorantreibt, ebenso wie die Wut. Ich weiss, was du meinst, und mir ging und geht es manchmal auch so. Ich denke, in uns allen ist Sehnsucht und brennt etwas, nur manchmal ist es sehr weit weg, dass wir es gar nicht mehr wahrnehmen. Es braucht immer wieder ein innehalten und nach innen gehen, hinspüren, und auch mal in die scheinbare Leere gehen und die einen Moment aushalten, denn nur von dort und dann können wir unsere Stimme hören. Das ist zumindest meine Erfahrung. Alles Gute dir,
Christoph