Was ist Mut? Seinen Job zu kündigen? Mit dem Fahrrad durch Afrika zu fahren? Nicht zu einem Familientreffen zu gehen? Einen Vortrag vor großem Publikum zu halten? Eine Spinne aus dem Wohnzimmer zu scheuchen?
Ich bin in letzter Zeit immer wieder über diese Frage gestolpert, weil ich oft Nachrichten bekomme, in denen steht: “Ich finde es klasse, dass du so mutig bist.” Und ich frage mich dann: Bin ich das wirklich?
Auf der einen Seite liebe ich es natürlich, als Ex-Hasenfuß von anderen als Mutmacher gesehen zu werden (und in meinem Superman-Shirt herumzulaufen). Auf der anderen Seite denke ich: Aber im Vergleich zu anderen bin ich doch gar nicht so mutig, oder?
Da gibt es schließlich Abenteurer wie Christian von Feel4Nature oder Timo von Bruder Leichtfuß, die einfach ihr Ding durchziehen, wilde Dinge wagen und ihr Leben ganz konsequent nach ihren eigenen Richtlinien führen. Aus meiner Sicht höchst bewundernswert.
Auf der anderen Seite bewundern mich viele Freunde und Bekannte für meinen Mut, weil ich einfach ohne Netz und doppelten Boden meinen Job gekündigt und mich für ein selbstbestimmtes Leben entschieden habe.
Also: Was ist jetzt Mut?
Bei dieser wichtigen Frage habe ich mir Rat bei meinen Lesern gesucht und im Newsletter gebeten, mir ihre Definition davon zu schreiben und welche Erfahrungen sie im Bereich Mut gemacht haben.
Ich bin ganz begeistert von den verschiedenen Ideen und Ansätzen. Hier sind sie:
Mut ist, Schwäche und Verletzlichkeit zu zeigen
Sarah ist auf ihrem Blog (unbedingt den Artikel lesen!) dieser Frage schon vor mir nachgegangen. Sie kommt zu dem Schluss:
“Mut bedeutet für mich das, was für gewöhnlich nicht mit Mut in Verbindung gebracht wird:
- Schwäche und Verletzlichkeit zeigen und sich erlauben, Ziele nicht zu erreichen.
- Fehler eingestehen.
- Sich authentisch und schutzlos zeigen.
Der Mutige hat seine selbstauferlegten Fesseln satt, er will endlich in Freiheit leben.”
Auf dem Weg zum Mut geht es nach Sarahs Meinung darum, seine Bequemlichkeit zu opfern, die Komfortzone zu verlassen und die Unsicherheit auszuhalten, um eine neue Freiheit zu entdecken – inklusive aller Gefühle, die aus dem Weg raus aus dem Gewohnten entstehen. Also auch die Tage anzunehmen, an denen die Kraft nicht für ein mutiges Verhalten reicht, kleine Schritte zu gehen und sich Ruhepausen zu gönnen.
Ein wunderbares Zitat habe ich mir gleich noch von ihr geklaut:
Wer nie ängstlich war, musste auch nie mutig sein.
Mut ist die edelste Form von Angst.
Mut ist, ohne Spanisch-Kenntnisse nach Madrid zu ziehen
Diana schreibt: “Persönlich bezeichne ich jeden, der sich selbst treu bleibt und sein Leben nach seinen eigenen Vorstellungen lebt, egal was die anderen – in dieser angeblich ach so toleranten Gesellschaft – dazu sagen, als mutig.
Menschen die etwas wagen, was mir selbst Angst machen würde, sind dann natürlich in meinen Augen mutig. Vielleicht macht es dieser Person ja auch Angst, aber sie wagt es trotzdem.
Ich wurde von Freunden als mutig bezeichnet, weil ich damals vor ca. 8 Jahren alleine – ohne jemanden vor Ort zu kennen – und ohne Spanisch-Kenntnisse nach Madrid gezogen bin. Ich hatte zwar schon einen Job, als ich hinzog, aber es war trotzdem ein totaler Neuanfang. Obwohl es sehr anstrengend war (vor allem das erste Jahr), hab ich es niemals bereut. Heute spreche ich Spanisch und inzwischen lebe ich in Mexiko. Das haben auch so einige für verrückt gehalten, weil ich vorher noch nie in Mexiko gewesen bin und man ja so viele „tolle“ Nachrichten über dieses Land in den Medien sieht.
Wozu mir z.B. noch der Mut fehlt – ich aber gerne irgendwann machen würde – ist alleine verreisen. Warum mir das so schwer fällt, verstehe ich selbst nicht, aber ich arbeite dran, zumindest mental.”
Mut ist, etwas trotz Angst zu tun
Rosemarie schreibt: “Ich weiß nicht, ob ich mutig bin. Andere bezeichnen mich als mutig, aber nur weil ich Dinge tue, die sie sich nicht trauen.
Dafür hab ich andere Ängste. Ich habe Angst im Fahrstuhl, Seilbahn etc. zu fahren, würde aber jederzeit mit dem Hundeschlitten durch die Schnee-Einsamkeit fahren.
Wenn ich Angst habe stelle ich mir manchmal die Frage: Ist es lebensgefährlich? In 99,99 Prozent der Fälle stelle ich fest: Es ist nicht lebensgefährlich, also tue ich es.
Manchmal frage ich mich: Nutzt mir die Angst ? Wenn ich feststelle, dass sie mir nicht nutzt, fällt sie manchmal wie ein alter Mantel von mir ab. In anderen Situationen nützt gar nichts, dann akzeptiere ich die Angst, durchlebe sie (nicht witzig) und habe schon oft erlebt, dass sie sich auflöst. Wieder in anderen Situationen nützt überhaupt gar nichts …
Und ehrlich: Wenn ich eine angstauslösende Situation vermeiden kann (siehe oben), dann kneife ich und sage: Nein danke, ohne mich.”
Mut ist, sich etwas zu trauen, das einem Nachteile bringen könnte
Katja schreibt: “Mut = sich (gegen alle Widerstände) etwas trauen oder etwas verweigern mit dem Bewusstsein, dass die mutige Handlung oder Weigerung auch persönliche Nachteile (wie z.B. Verlust von Freunden, Ansehen, finanzielle Nachteile usw.) nach sich ziehen kann.
Mut bedeutet auch: kalkulierte Risiken einzugehen. Als mutig bezeichnen wir jemanden, der etwas tut, was wir selbst uns nicht trauen würden.
Wobei: Was für einen Menschen eine mutige Handlung ist, löst bei einem anderen vielleicht nur Unverständnis aus oder bedeutet für einen anderen schlicht Dummheit. Es hängt also von den eigenen Werten und Charaktereigenschaften ab, was für jeden einzelnen mutig ist.
Wann war ich schon einmal besonders mutig? Ich habe einen gut dotierten Job gekündigt und nehme mir die Freiheit, als Selbständige verschiedene Geschäftsideen auszuprobieren. Für mich war die Entscheidung mutig. Bei anderen löste meine mutige Entscheidung nicht nur Kopfschütteln aus. Kommt dir bekannt vor?”
Mut ist, sich zu trauen etwas loszulassen
Carolin (deren Blog ich im Übrigen auch sehr empfehlen kann) schreibt: “Ich bin gefühlt schon einige Tode gestorben in meinem Leben – bei Schritten/Entscheidungen, die mir wahnsinnig viel Angst gemacht haben. Als ich damals meine Festanstellung gekündigt habe ohne was Neues zu haben, hatte ich wirklich Todesangst (so hat’s sich’s jedenfalls angefühlt).
Lange Zeit habe ich mit dem Schicksal gehadert dafür, dass es mir so Flausen in den Kopf bzw. ins Herz setzt, die es so wahnsinnig unbequem für mich machen ;-). So auch meine starke Sehnsucht, an den Bergen zu leben (ich komme aus Franken), die mich über Jahre hinweg schier verzweifeln ließ. Ich hatte keine Ahnung, wie und wo ich diesen Wunsch umsetzen sollte, dafür umso mehr Panik davor. Inzwischen bin ich dem Universum sehr dankbar für diese Arschtritte. Sie haben mich dahin gebracht, wo ich heute bin – mit Bergblick im wunderbaren Allgäu wohnend und meine Berufung lebend 🙂
Ich hatte noch einige mehr solcher Situationen, wo Altes, Bekanntes sterben musste, um für was Neues, viel Stimmigeres Platz zu machen. Inzwischen freue ich mich regelrecht darüber, wenn dieses feine Gefühl von “Carolin, es wird Zeit, das loszulassen und ins Nichts zu gehen” wieder auftaucht.
Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass es nicht nur irgendwie weiter geht, sondern, dass es sogar immer, immer, immer besser kommt als vorher. Ich muss mich nur trauen, es zuzulassen. Das bedeutet Mut für mich. Im Großen wie im Kleinen.”
Wow, so viele großartige Erfahrungen, so viele wertvolle Gedanken.
Ganz ganz lieben Dank an meine mutigen Leserinnen! Vielleicht trauen sich ja beim nächsten Mal auch die Männer (oder schreiben etwas in die Kommentare).
Zum Schluss noch mein Lieblingssatz, mit dem jeder Newsletter von mir endet:
Mut ist Angst plus ein Schritt.
Wie definierst du Mut? War für dich die passende Erklärung dabei? Was hast du schon gemacht, was du besonders mutig fandest? Ich freue mich auf deinen Kommentar!
Bin nicht rechtzeitig zum Antworten gekommen, weil ich auf Anhieb nicht die Richtige Formulierung gefunden habe. Aber jetzt:
Sich gegen Freunde und liebegewonnene zu stellen.
Hi Jan,
dem stimme ich zu. Wobei es ja nicht um die Konfrontation per se geht, sondern darum, dass man sich gegen sie stellt, um in einer wichtigen persönlichen Sache weiterzukommen, auch wenn die anderen anderer Meinung sind, oder?
Liebe Grüße
Mischa
Mischa, großes Kompliment an deinen Blog. Ich bin Fan deinen Themen und Gedanken. Thema “Ziele” fand ich wahnsinnig spannend. Und auch mit dem Thema “Mut” hast du mich wieder voll angesprochen. Ich denke übrigens wie du und sehe mich selbst nicht so mutig, wie es andere tun. Auch ich habe immer wieder gute Jobs gekündigt, um zu reisen oder neue Dinge zu tun. Ich folge meinem Gefühl und handele danach. Nicht immer die richtige Entscheidung zu treffen gehört dazu. Andere finden es mutig, seine Sicherheit aufzugeben, ich finde es gesund und konsequent, zu tun, was einem Spaß macht und gut tut. Ich finde es sehr mutig, ein Kind zu bekommen und die Verantwortung für anderen Lebens zu übernehmen. Alles Ansichtssache. Daher finde ich dein Zitat am Ende sehr treffend.
Hi Daniela,
lieben Dank für das Kompliment!
Und du hast völlig Recht: Es ist sehr mutig zuzulassen, auch mal die falschen Entscheidungen zu treffen. Wobei falsch ja relativ ist: Wüsste man es in dem Moment, dann würde man gar nicht die “falsche” Entscheidung treffen. Ich sage immer: “Die Entscheidung war dann wohl im Nachhinein betrachtet suboptimal.” 😉
Deine lebensbejahende, mutige Einstellung gefällt mir sehr gut. Viel Freude auf deinem weiteren Weg und liebe Grüße
Mischa
Hallo Micha!
Ich hab´s leider auch nicht rechtzeitig geschafft, dir zu schreiben.
Mut. Was ist Mut für mich?
Was ich z. B. an meinem Mann sehr bewundere und was ich wirklich mutig finde, ist Ehrlichkeit. Den Mut zu haben, ehrlich zu sein. Zu sagen, was man wirklich denkt. Zu seinen Gefühlen, seinen Ängsten und seinen Gedanken zu stehen. Sie auszusprechen, auch wenn sie einem vielleicht peinlich sind, oder man jemandem damit vor dem Kopf stößt und sich unbeliebt macht.
Ich bin oft nicht so mutig. Rede mir die Dinge gerne schön. Fixiere mich manchmal so auf das Positive, weil ich nicht den Mut habe einzusehen, dass das Leben manchmal auch richtig sch… sein kann. Doch nur mit dem Mut zur Ehrlichkeit – auch mir selbst gegenüber – kann ich damit beginnen die Dinge zu verbessern. Doch das bedeutet Arbeit, ich muss meinen kuscheligen Käfig verlassen und dazu habe ich nicht immer den Mut. Es gibt da so einiges, womit ich immer wieder scheiter, weil ich mich nicht traue, die Wahrheit zu sagen oder sie mir selbst gegenüber einzugestehen.
Mut = Ehrlichkeit
🙂
Hi Steffi,
oh ja, ehrlich sein ist sehr, sehr mutig! Egal ob seinem Partner, den Freunden oder sich selbst gegenüber.
Andererseits finde ich es auch als Selbstschutz nicht ganz verkehrt, sich die Dinge ein klein wenig schöner zu reden, als sie es eventuell sind, um das Leben nicht zu anstrengend zu machen. “Wir haben die Wahrheit so gut es ging verlogen”, singt Herbert Grönemeyer so schön. Sprich, wenn du immer nur auf der Suche nach dem Ausleuchten deiner Untiefen bist, reißt dich das vielleicht mehr ins Negative, als dir gut tut. Wie immer natürlich alles eine Frage des goldenen Mittelwegs …
Liebe Grüße
Mischa
Hallo Mischa, das ist ein schöner Artikel geworden.
Der Satz von Sarah hat mich besonders berührt weil ich nicht gerne etwas von mir preisgebe….ich habe schon zu viele blöde Antworten bekommen. Ich denke aber es ist ein guter Weg wenn ich mich authentisch und schutzlos zeige.
Liebe Grüße
Rosemarie
Hi Rosemarie,
ich finde, dass du schon relativ viel von dir hier preisgegeben hast. Also bekommst du von mir die Mutmedaille 🙂
Liebe Grüße
Mischa
Hallo Mischa,
das ist ein ganz toller Artikel. Ich hatte mich bisher mit dem Thema “Mut” noch nie konkreter auseinander gesetzt. Mut bedeutet für mich, sich genauso zu zeigen, wie man wirklich ist. Schwäche zeigen, Fehler zugeben, Emotionen zulassen.
Hi Julia,
lieben Dank für das Kompliment! 🙂
Mich hat es auch sehr viel Überwindung gekostet, mich endlich so zu zeigen, wie ich bin mit all meinen Schwächen/Problemen. Das Öffnen nach außen hat mir aber persönlich und im Umgang mit anderen wahnsinnig viel gebracht. Inzwischen ist es für mich nicht mehr mutig, sondern selbstverständlich. Für viele andere aber unvorstellbar, also eine Sache, für die sie tatsächlich nicht den Mut aufbringen.
Liebe Grüße
Mischa
Hey Mischa
Bin nun auch endlich dazu gekommen, mir Gedanken zu machen, was Mut für mich bedeutet.
Zum Artikel selbst. Mir gefallen die Antworten von allen 5 Lesern sehr gut. Wobei mir deine Definition am Besten gefällt: Mut ist Angst plus ein Schritt. WIe wir aber sehr schön erkennen, ist Mut etwas sehr persönliches. Für den Einen eine Selbstverständlichkeit, heißt für den Anderen ev. sehr mutig sein.
Persönlich verwende ich das Wort Mut, in meinem Leben, eigentlich gar nicht. Wenn ich so nachdenke dann fallen mir adhoc keine Szenen ein, anderen ich mit für mutig befunden haben. Ich verwende sehr viel lieber das Wort “Selbstvertrauen”. Je mehr ich an mich selber glaub und vertraue, desto eher mache ich Dinge welche unangenehm (herausfordernd) für mich sind.
In diesem Sinne, lass uns Selbstvertrauen tanken!
Alles Liebe
Patrick
Hallo Mischa,
wow, was für ein toller Artikel! Eine tolle Idee, verschiedene Standpunkte zu diesem Thema zu sammeln. Es ist doch witzig, wie Mut etwas unheimlich Subjektives ist, wie wir gegenseitig Verhaltensweisen des Anderen mutig finden, und für unser Gegenüber sind es die selbstverständlichsten Dinge… danke für diese inspirierenden Gedanken.
Liebe Grüße,
Leonie
Hi Leonie,
bitte, gern geschehen 🙂 Vielleicht sollten wir uns viel öfter für diese “selbstverständlichen” Dinge auf die Schulter klopfen und mit diesem Selbstbewusstsein noch mehr Mut für andere Aufgaben sammeln?
Liebe Grüße
Mischa
Ich stimme dem zu: Mut ist, etwas trotz Angst zu tun.
Wenn ich vor etwas keine Angst habe muss ich auch keinen Mut beweisen.
Ein schöner Artikel. Interessant wovor Leute manchmal Angst haben.
Grüße!
Hey Mischa,
bin gerade erst über diesen Artikel gestolpert. 🙂
Als Du ihn damals geschrieben hast, hätte ich kaum etwas dazu sagen können.
Doch mittlerweile erkenne ich etliche Umstände oder Situationen, die mir (oft höchst unangenehm) gezeigt haben: Mut ist die Meisterschaft der Integrität.
Zu meinen Werten zu stehen und sie zu leben, auch wenn ich dadurch krasse Nachteile im “Außen” verursache, das kostet viel Mut. Heraus treten aus der Komfortzone, es allen recht zu machen und sich selbst darüber zu verleugnen/verlieren.
Wobei Integrität mit Ehrlichkeit natürlich auch einher geht. Beides sind Aspekte der Authentizität, des “ganz bei mir Seins”.
Ohne das ist Leben nicht erfüllend und lebenswert!
Saludos
Sabine
Das hast du schön geschrieben 🙂 Hab ich nichts hinzuzufügen.
Auf ein erfüllendes Leben und liebe Grüße
Mischa