Morgens halb zehn in Deutschland. Eine Nation übt sich in Gelassenheit.
Aaaah, dieser tattrige Opa vor mir regt mich auf, kann der nicht mal ein bisschen Gas geben und sich dann endlich für einen Parkplatz entscheiden oder stirbt der eher in seinem Auto?
Wenn diese Nachbarsblagen nicht sofort ihr Geschrei auf der Straße einstellen, dann vergesse ich mich und binde ihnen den Mund mit Panzertape zu!
Kann echt nicht sein, dass diese lahmarschige Bedienung ihren dicken Hintern in 20 Minuten immer noch nicht an unseren Tisch bewegt hat!
Waaas? Mein Zug hat 45 Minuten Verspätung? Das ist das letzte Mal, dass ich mich in einen Waggon ihres Drecksunternehmens gesetzt habe!
Hast du DEN gesehen? Geht der einfach bei Rot über die Ampel. Den hup ich an! Wir sind ja immer noch in Deutschland!
Tagein, tagaus dasselbe Drama. Das Leben läuft nicht so, wie es müsste. Und die anderen Menschen tun einfach nicht das, was sie sollten. Ein Skandal!
Du nickst gerade heftig oder murmelst “Genau so ist es” vor dich hin? Ich sag mal vorsichtig: Dann ist dieser Blog auf Dauer vielleicht nicht der ideale Lesestoff für dich.
Denn die Aufregeritis hierzulande bringt mich regelmäßig in einen Zustand, in dem ich nicht weiß, ob ich weinen oder lachen soll. Beides ist durchaus schon vorgekommen, wobei das leicht ironisch-kopfschüttelnde Lachen klar in Front liegt.
Eine Freundin von mir hat einmal gesagt: “Aber ich habe ein Recht darauf, mich über solche Dinge aufzuregen!” Worauf ich sie gefragt habe: “Wieso machst du es dir eigentlich so schwer?”
Zwischen Aufregung und Gelassenheit liegt eine entscheidende Frage
Wenn du gerade dabei bist, die Triebwerke zu zünden und vor Ärger durch die Decke zu gehen, stelle ich dir die Frage: Ist das, was gerade passiert, entscheidend für den Rest deines Lebens?
Falls die Antwort “Nein” lautet (und das wird sie mit maximaler Wahrscheinlichkeit), stellen sich die Fragen zwei und drei: Warum verschleuderst du so viel (negative) Energie für diesen absolut nebensächlichen Moment? Was hält dich davon ab, mehr Gelassenheit zu zeigen?
Soll ich es dir sagen? Es ist die Tatsache, dass es dir in deinem Leben verdammt gut geht, wenn du solchen Kinkerlitzchen so eine Bedeutung zumessen kannst.
Wahrscheinlich musstest du noch nie so richtig durch die Scheiße des Lebens waten, sonst wüsstest du: Dieser Kleinkram ist nicht einmal eine Sekunde deiner Aufregung wert.
Gleichzeitig geht es dir aber MIT deinem Leben nicht gut. Es brodelt in dir, andernfalls müsste sich nicht die ganze Zeit etwas durch deine heftigen Reaktionen Bahn brechen.
Denn wer zufrieden in sich ruht, denkt sich in solchen Situationen nur: Es ist, wie es ist. Und durch mein Geschrei oder meinen Zorn wird nichts besser.
Wenn die Gesundheit die Dinge von selbst regelt
Du sagst: “Aber wie soll ich bitte Gelassenheit zeigen und in mir ruhen, wenn das Leben so hektisch ist, für nichts genug Zeit bleibt und ich ständig so viele Dinge gleichzeitig erledigen muss?”
Da gibt es zwei einfache Möglichkeiten: Entweder haut dir – wie in meinem Fall – deine Gesundheit so ein ordentliches Brett an den Kopf, dass du taumelnd zu Boden fällst und hinterher realisierst, welche Dinge im Leben wirklich zählen. Da ich dir aber diese äußert schmerzhafte Umorientierung deiner Einstellung nicht als Lösung Nummer eins empfehlen kann, bleibt nur noch: sich selbst zu mehr Gelassenheit erziehen.
Klingt schwierig, ist es auch. Aber wenn du einmal begonnen hast, den Weg einzuschlagen, wirst du ihn mit Freude weitergehen. Frag dich einfach beim nächsten Mal, wenn du so richtig in Rage bist, ob dir deine Aufregung jetzt gerade wirklich hilft, woher du eigentlich deine Energie dafür nimmst und ob diese an anderer Stelle nicht besser eingesetzt gewesen wäre.
Dasselbe gilt für die Momente, in denen dich Selbstmitleid übermannt, du lautstark die Fehler von anderen Menschen beklagst und in einer Tour lästerst. Irgendwann wirst du sehen: Deine Energie verpufft dabei absolut sinnlos.
Ich weiß, so ein Verhalten gehört ein Stück weit zu uns Menschen dazu und wohl kaum jemand ist so grundgütig, wie es Mutter Teresa einst war. Aber das dauernde Jammern, Ärgern, Aufregen, Wehklagen und Lästern lässt sich wirklich extrem minimieren.
Gelassenheit ist kein Selbstläufer
Ich bin immer wieder stolz darauf, welche krassen Fortschritte ich in dem Bereich im Vergleich zu früher gemacht habe. Nicht nur, weil ich inzwischen weiß, wie lächerlich unser ständiges Aufregen im Vergleich zu einer schweren Krankheit oder einer echten Lebenskrise ist. Sondern auch, weil ich merke, dass es mir besser damit geht. Viel besser sogar.
Mit meiner neuen Einstellung mache ich mein Leben leichter. Das stellt für mich die wichtigste Erkenntnis dar. Die zweitwichtigste: Gelassenheit ist kein Selbstläufer. Ich muss mein eigenes Verhalten ständig beobachten und prüfen, ob ich nicht in alte Verhaltensmuster zurückfalle.
In der Zeit meiner Europatour war das gar kein Thema. Aber zurück in unserer daueraufgeregten und hektischen Gesellschaft habe ich im Laufe der Zeit den ein oder anderen Rückfall bei mir entdeckt.
Deshalb finde ich es nun eine geniale Hilfestellung, dass mein Freund Afschin einen kostenlosen Onlinekurs entworfen hat, in dem man sich das Jammern abgewöhnen kann. Denn es ist so einfach, sich das Leben nicht so schwer zu machen.
Und habe ich dich ertappt? Regst du dich schnell auf? Oder bist du die Ruhe selbst und siehst dem täglichen Wahnsinn eher mit einem Schmunzeln zu? Ich freue mich auf deinen Kommentar!
Jetzt hast Du mich ein bisschen ertappt 😉
Ich gerate ab und zu schon mal in diese Schiene. Früher vor allem wenn andere Menschen sich nicht regelkonform verhalten. Das war für mich ein echt großes Problem. Und ich mag das eigentlich gar nicht. Wie Du schon sagst, es ist absolut unnötig verschwendete Energie.
Aber es wird besser und man kann ja an sich arbeiten 😉
Den Anti-Jammerkurs muss ich mir unbedingt mal anschauen!
Alles Liebe
Andrea
Hi Andrea,
ich ertappe mich ja selbst ab und an 🙂
Allerdings nicht bei dem Thema “regelkonform”. Denn was ist das schon, wer hat die Regeln aufgestellt, wem nutzen sie? Es geht mir hier nicht um den Aufruf zur Illegalität, sondern darum, dass bei vielen Handlungsweisen mehr Spielraum ist, als wir oft glauben. Wenn mein Nachbar im Sommer um 23 Uhr noch beim Grillen draußen ist und sich unterhält, dann kann ich mich tierisch drüber aufregen – oder ich freu mich für ihn, dass er nen schönen Abend hat und schlafe einfach ein. Denn das geht viel besser, wenn man sich nicht aufregt 😉
Liebe Grüße
Mischa
Du hast recht. Gelassenheit kann man lernen. Ich bin in den vergangenen Jahren aich gelassener geworden. Sehr sogar, würde ich sagen. Und es tut gut. Und wenn mal wieder eine ältere Dame lautstark an der Ampel über ein Auto schimpft, das mit quietschenden Reifen vorbeifährt, ertappe ich mich dabei, wie ich vor mich hin grinse 🙂
Moin Stephan,
in der Tat! Gelassenheit lernt man am besten dadurch, dass man sich derer Momente bewusst wird, in denen man nicht gelassen ist und sich fragt, was man da eigentlich gerade tut. Und dann irgendwann auch mal über sich selbst grinst, wenn man sich doch unnötig aufregt 🙂
LG
Mischa
Super Thema, Mischa! Die deutsche Hektik fällt einem vor allem auf, wenn man mal die Gelassenheit der Südländer erlebt hat, gell? 😉
Klingt ein bißchen arg nach Klischee, ist aber wirklich so: seit ich jeden Morgen in Stille sitze (manche nennen das auch meditieren ;-)), bin ich soooo viel Gelassener geworden. Das ist ein echtes Allheilmittel – sogar meine Kundinnen haben es inzwischen zu schätzen gelernt 😉
Hi Carolin,
ich stimme dir vollumfänglich in allen Punkten zu 🙂 Aber ich habe nicht nur die Südländer als viel gelassener erlebt, sondern z.B. auch die Schotten, die Skandinavier, die Letten …
Und Meditation ist sowieso der beste Begleiter auf dem Weg zu inneren Ruhe. Geht sogar in der Warteschlange beim Bäcker: Nicht aufregen, tief schnaufen und dann manchmal sogar die Begrüßung verpassen, weil man so tief versunken ist (mir schon ein paarmal passiert) 🙂
Liebe Grüße
Mischa
Es ist so wahr…Nach einer langen Zeit in Südamerika fällt mir immer wieder auf, wie viel leichter Alles fällt wenn man die Dinge gelassen sieht. Allerdings denke ich, dass viele Menschen hier das gar nicht wollen. Sie WOLLEN sich ärgern und den Kopf schütteln und ihre Unzufriedenheit mit unwichtigen, alltäglichen kleinen Ärgernissen begründen. Man kann nur gelassen sein, wenn man mit sich und seinem Leben zufrieden ist und nur zufrieden sein wenn man die Dinge gelassen sieht..es ist ein Teufelskreis den es zu brechen gilt 😉
Hi Aninha,
darüber habe ich mir auch schon öfter Gedanken gemacht: Brauchen das die Menschen hierzulande einfach, weil sie sich sonst mit dem eigenen Leben auseinandersetzen müssten? Oder ist das genetische Veranlagung, erzieherische Prägung, das Wetter oder eine Mischung aus allem? Fragen über Fragen … 🙂
Liebe Grüße und vielen Dank für deinen Kommentar
Mischa
Hallo Aninha, Hallo Mischa,
Ich glaube es ist ansteckend.
Irgendwer regt sich über irgendwas auf und man meint man müßte auch seinen Senf dazu geben. Völliger Schwachsinn…in solchen Momenten Kopfhörer einstöpseln und Lieblings-Musik hochdrehen – oder alternativ auf Durchzug schalten – um das Negativ-Geschwafel auszublenden.
Ich hab mich früher auch immer über das “Schlangestehen” aufgeregt, inzwischen nutze ich die Zeit einfach um über irgendwas nachzudenken.
Viele liebe Grüße,
Diana
Hi Diana,
du machst alles richtig!
Weiter viel Freude beim Nichtärgern
Mischa
Großartig geschrieben, deine Worte treffen wirklich ins Schwarze!! Mir fällt die hiesige Unentspanntheit vor allem dann auf, wenn ich gerade von einer Indienreise zurückkomme – so wie es Aninha auch über Südamerika schrieb.
Um zumindest im Kleinen was dagegen zu tun, hab ich unlängst eine Anleitung zu mehr Gelassenheit geschrieben: http://www.alexandrapusch.de/gelassener-werden/
Ich denke, jeder einzelne Mensch, der Entspannung und Glück ausstrahlt, tut eine Menge für alle drumherum. 🙂
Hi Alexandra,
vielen Dank und ich gebe das Kompliment zugleich zurück, denn dein Artikel ist auch klasse 🙂
Ich sehe es wie du: Am meisten erreichen wir, wenn wir selbst gelassen bleiben und lieber einmal mehr als weniger lächeln. Dann geht es allen am besten.
Liebe Grüße in meine Lieblingsstadt Hamburg
Mischa
Lieber Mischa,
vielen Dank für diesen super Beitrag!
Ich finde, du hast den Nagel auf den Kopf getroffen. Gerade am Wochenende hatte ich wieder so eine Situation, in der meine Begleitungen sich min. 10 am Stück darüber aufgeregt haben, dass ein Cafe, in das wir gehen wollten, geschlossen hatte.
Da ist mir wieder klar geworden, wie häufig sich manche Menschen das Leben selbst schwer machen. Was bringt es ihnen denn zu jammern und zu klagen? Wir haben innerhalb von 30 Sekunden beschlossen, in das nächste Cafe zu gehen. Doch der Ärger über den geschlossenen Laden hielt noch für weitere 10 Minuten an.
Ein super Beispiel wie man sich und dem eigenen Glück mal wieder selbst im Wege stehen kann.
Lieben Gruß,
Katharina
Hi Katharina,
lieben Dank für das Lob!
Wirklich ein perfektes Beispiel von dir. Wahrscheinlich haben deine Begleiter dann auch noch am Montag ihren Arbeitskollegen erzählt, was es für eine Unverschämtheit ist, dass das Cafe geschlossen war 🙂
Oftmals ergeben sich durch die (auf den ersten Blick) unliebsamen Überraschungen ganz tolle neue Eindrücke und Erlebnisse. Also sollten wir eigentlich dankbar dafür sein, dass es manchmal nicht so läuft, wie wir es uns wünschen.
Wie reagierst du eigentlich in solchen Momenten? Denkst du dir deinen Teil oder gibst du den anderen einen kleinen Gedanken-Anschub?
Liebe Grüße
Mischa
Mutter Theresa war eine verdammte Hexe. Christopher Hitchens hat mich draufgebracht!
Ansonsten, sehr schöner Blog!
Ähm, da musst du mich noch aufklären, was es damit auf sich hat.
Ansonsten, danke fürs Kompliment 🙂
Mutter Theresa hat ihre Patienten kaum behandelt sondern leiden lassen bis sie starben. Leid war für sie gottgewollt da auch Jesus gelitten hat. Die hygienischen Zustände in ihren Häusern waren katastrophal.
Sie selbst hat sich als es mit ihr zu Ende ging palliativ behandeln lassen. Schmerzen waren wohl nur was für andere, nicht für sie selbst.
Auch von den Millionengeldern die gespendet wurden,ist bis heute vieles nicht aufgetaucht.