Bye bye, Dr. D

Ein VW Bus namens Dr. D, als Dank an einen großartigen Therapeuten!

Eine der größten Herausforderungen des Lebens – wenn nicht gar die größte überhaupt – ist es, seinen Ängsten ins Auge zu schauen. Viele kleine und große Ängste hindern uns täglich daran, unser Leben in all seinen Möglichkeiten auszuschöpfen. 

In der Serie “Nur Mut”, die regelmäßig auf diesem Blog erscheint, befrage ich Menschen, die sich ihren Ängsten in den unterschiedlichsten Bereichen gestellt haben. Diese erzählen, wie sie davon profitiert haben und welche Auswirkungen das auf ihr Leben hatte. Zudem kommen auch Experten zu diesem Thema zu Wort.

So wie bei Teil drei der Serie. Es ist mir eine sehr große Ehre, dass ich den Ärztlichen Direktor der Panorama-Fachkliniken in Scheidegg, Dr. Christian Peter Dogs, für ein Interview gewinnen konnte. Diese Fachklinik für Psychosomatische Medizin, Psychotherapie, Naturheilverfahren und TCM gilt als eine der besten Deutschlands.  

Meine Erlebnisse mit Dr. Dogs schildere ich in diesem Video und in meinem Hörbuch Adios Angst – Bonjour Leben! Auf Angst und Depression steht nicht lebenslänglich.

 

Hallo Dr. D! Sorry, aber der Kalauer musste sein, nachdem ich meinen VW Bus “Dr. D” schon nach Ihnen benannt habe. Ich denke sehr gerne an die Zeit in der Panorama-Fachklinik in Scheidegg zurück, weil sie mir in vielen Bereichen die Augen geöffnet hat. Und weil sie der richtige Mann waren, der mir immer wieder in den Hintern getreten hat. Wie haben Sie denn den Patienten Mischa Miltenberger in Erinnerung, wenn ich Sie kurz von Ihrer ärztlichen Schweigepflicht entbinden darf?

Dr. Dogs: Sympathisch, unsicher, ängstlich, rationalisierend, angepasst und freundlich, große Augen, veränderungsbemüht, familienbewusst, verliebt in seine Frau …

 

Wie viel Prozent der Patienten Ihrer Klinik leiden unter einer Angststörung verbunden mit Panikattacken?

Dr. Dogs: Ca.30 Prozent.

 

Sind das im Lauf der Zeit mehr geworden?

Dr. Dogs: Ja, weil die Diagnose immer mehr verwässert wird und die Kriterien immer weicher werden. Es gerät immer mehr in Vergessenheit, dass Angst und Unsicherheit ein ganz normaler Teil unseres Lebens ist. Die Angststörungen fallen in die Inflation unseres Krankheitsbegriffs, der eh immer mehr missbraucht wird.

 

Gibt es etwas, was all diese Menschen, die an einer Angststörung leiden, gemeinsam haben, also eine ähnliche Vorgeschichte – sprich, gibt es den klassischen Auslöser für Panikattacken?

Dr. Dogs: Nein, denn jede Herausforderung kann ein Auslöser sein. Aber was alle Angstpatienten verbindet, ist, wenig Selbstwert zu haben. Den bekommen sie unter anderem, indem die sich Herausforderungen stellen.

 

Einen Satz von Ihnen habe ich mir besonders gut gemerkt: „In Südeuropa gibt es keine psychosomatischen Kliniken: Die Italiener sind ja schon stolz auf sich, wenn sie ihr Auto unfallfrei in eine Parklücke bekommen.“ Wie wichtig ist denn das Selbstwertgefühl in Bezug auf psychosomatische Erkrankungen?

Dr. Dogs: Das zentrale Thema ist der Umgang mit unseren Gefühlen. Hier unterscheiden wir uns von den Südländern. Bei uns ist es eine Tugend, sich zusammenzureißen und sich nie gehen zu lassen. Außerdem lernen wir immer nur, uns auf das Negative zu fokussieren. Südländer lassen oft ihren Gefühlen freien Lauf und neigen zu Komplimenten und zur Selbstdarstellung. Stolz zu sein auf sich, ist ein wesentlicher Schritt zum Gesundwerden. So wie bei Ihnen: Sie können stolz darauf sein, welchen Herausforderungen sie sich jetzt stellen. Und beim Surfen werden sie sich ertappt haben, dass sie bei vollem Wind einfach vor lauter Lebenslust geschrien haben …

 

Ja, das stimmt! Warum tun sich Ihrer Meinung nach die Menschen so schwer, sich selbst anzunehmen? Stattdessen wollen sie lieber allen gefallen und so ihre Anerkennung bekommen. Beziehungsweise: Lässt sich Selbstwertgefühl trainieren?

Dr. Dogs: Ja, indem man Herausforderungen angeht und sich auch bewusst Anerkennug von den anderen holt. Ganz wichtig ist, Komplimente zu geben und anzunehmen und sich auf die eigenen Stärken und Fähigkeiten fokussieren, statt ständig auf die Defizite zu achten.

 

Ein entscheidender Punkt in der Therapie sind ja die sogenannten „Expos“, also die Übungen, in denen ich mit meinem Angstauslöser direkt konfrontiert werde. Letztlich der einzig gangbare Weg, um von einer Angststörung wegzukommen?

Dr. Dogs: Nein nicht der einzige, aber ein guter. Wichtig ist auch zu sehen, welche Dynamik hinter der Angststörung sitzt.

 

Eigentlich ja so einfach, wenn der Weg dahin und die Überwindung nicht so brutal hart wären. Verweigern sich Patienten diesen Expos auch manchmal?

Dr. Dogs: Ja, denn Leiden ist leichter als Handeln.

 

Was ist die Gefahr dabei, sich in seiner Angst einzurichten?

Dr. Dogs: Je mehr man Ängsten ausweicht, desto größer ist die Gefahr, dass sie generalisieren und chronifizieren.

 

Mal weg von den Patienten und hin zu Ihnen: Haben Sie auch vor irgendetwas Angst, wie zum Beispiel Spinnen, Gewitter oder Haien im Swimmingpool (von dieser Angst habe ich tatsächlich kürzlich gehört)? Und falls ja, wie gehen Sie damit um?

Dr. Dogs: Die Ängste, die sie ansprechen, sind durchaus gesund. Die sollte man behalten. Und mit der Angst vor Spinnen kann man gut leben. Ich bin unsicher, vor vielen Menschen zu sprechen und stelle mich dem seit über 30 Jahren. Ich bin dann jedesmal narrisch stolz, wenn ich es wieder gut gemacht habe.

 

Was zählen Sie denn noch zu den Ängsten, über die man schmunzeln kann – und ab wann sind diese therapiebedürftig?

Dr. Dogs: Da gibt es zu viele, um sie alle aufzuzählen. In einer Welt, in der wir vermeintlich alle angstfrei sein sollen, ist es oft lächerlich, was wir da alles therapieren …

 

Zum Abschluss die Frage, die an alle Interviewpartner geht: Das beste Mittel gegen die Angst ist …

Dr. Dogs: … sich ihr zu stellen, dabei auf Grenzen achten und sich nicht zu überfordern.

 

Vielen Dank für das Interview, Dr. Dogs!