Zum heutigen Artikel wurde ich durch den Beitrag Ich will ein Opfer sein! auf der Seite “Zeit zu leben” inspiriert. Darin geht es um die Frage, warum so viele Menschen behaupten, an ihrer aktuellen Situation nichts ändern zu können.
Das Thema elektrisiert mich regelmäßig, weil ich selbst über viele Jahre zu den Opfern gehört habe. Zwar deutlich weniger jammernd als viele Zeitgenossen, aber mit einer gewissen Grundüberzeugung, dass ich an meinem Schicksal wenig ändern kann und das Leben so aushalten muss, wie es mir serviert wird.
Wenn dich das Leben ändert, ist die Zeit der Ausreden endgültig vorbei
Mit der Erfahrung des heftigen Umkrempelns in den letzten drei Jahren weiß ich, dass alles nur bequeme Ausreden waren, damit ich nichts verändern muss. Meine Taktik “Ich ändere mal lieber nichts, es wird schon irgendwann von selbst besser” ist überraschenderweise nicht aufgegangen.
Obwohl so viel in mir drin “Mach endlich etwas anderes!” geschrien hatte, habe ich mich Veränderungen so lange beharrlich und erfolgreich verweigert, dass ich mich gar nicht mehr ändern musste, sondern dass das Leben mich geändert hat. Mir ging es so beschissen, dass die Zeit der Ausreden endgültig (und endlich) vorbei war.
Ich weiß, dass du hier auf dem Blog liest, weil du selbst Veränderungen willst, oder zumindest ahnst oder spürst, dass da noch einiges in deinem Leben geht. Nur allein beim Gedanken daran wird dir schon mulmig. Und du findest immer wieder eine prima Ausrede, um dein Leben doch wieder nicht in die eigene Hand zu nehmen.
Deine Lieblings-Ausrede ist bestimmt in der Liste zu finden (ich habe darunter auch noch ein paar alte Freunde). Ich hoffe, dass du dich bei dem einen oder anderen Satz so richtig aufregst. Warum, erkläre ich später. Wohlan denn:
Die 42 beliebtesten Ausreden, um dein Leben nicht ändern zu müssen
- Wenn das so einfach wäre.
- Ich bin noch nicht so weit.
- Dafür bin ich zu alt (jung, dick, dünn, hübsch, hässlich, groß, klein …).
- Ja wenn das alle machen würden …
- So schnell kann das nicht gehen.
- Ich BIN doch schon witzig (gelassen, entspannt, fröhlich, glücklich …).
- Das können sich doch nur Reiche leisten.
- Aber bei MIR ist das ganz anders.
- Ich hatte so eine schwierige Kindheit.
- Und wer nimmt Rücksicht auf die kulturellen Eigenheiten meines Heimatlandes?
- Das Leben ist nunmal kein Wunschkonzert (Ponyhof, Kindergeburtstag, Zuckerschlecken …).
- Das schaffe ich nie.
- Mit meinem Gesundheitszustand ist das ausgeschlossen.
- Meine Eltern haben gesagt …
- Mein Arzt hat gesagt …
- Was sollen die Nachbarn sagen?
- Aber in der Zeitung stand, dass …
- Und was ist mit der Altersvorsorge?
- DU hast leicht reden, DU hast ja keine Kinder.
- Wir bleiben noch zusammen, bis die Kinder groß sind.
- Wenn das Wetter besser wäre (ich mehr Zeit hätte, der Job nicht so stressig wäre, ich nicht immer so müde wäre, das Fernsehprogramm nicht so gut wäre …), würde ich viel mehr Sport draußen machen.
- So bin ich halt und daran lässt sich nichts ändern.
- Alkohol und Zigaretten gehören für mich zu einem entspannten Abend dazu.
- Davor habe ich sooo eine Panik.
- Wenn ich erst einmal gesund bin (viel Geld habe, in Rente bin, die Kinder aus dem Haus sind, in der richtigen Stadt wohne, den Traumpartner gefunden habe …), dann …
- Ich habe gar keine Träume.
- Das ist viel zu gefährlich.
- Dafür fehlt mir einfach die Kraft.
- Damit kann ich niemals Geld verdienen.
- Die 17 Jahre bis zur Rente reiß ich auch noch runter.
- Sicherheit geht mir über alles.
- In unserer Familie wurde das schon immer so gemacht.
- Man kann heutzutage niemandem mehr vertrauen.
- Abenteuer sind nur etwas für junge Menschen.
- Um Großes zu erreichen, musst du brutal hart arbeiten und brauchst verdammt viel Glück.
- ICH würde ja schon, ABER mein Partner (Chef, Freund, Kind, Kollege) …
- Dafür habe ich leider keine Zeit.
- Wieso etwas ändern? Ist doch alles prima.
- Da muss ich erst noch ein paar Bücher dazu lesen (Kurse belegen, an Seminaren teilnehmen, Fortbildungen besuchen …).
- Ich profitiere intellektuell vom vielen Fernsehschauen.
- Man kann im Leben nicht alles haben.
- Dieser Blog ist doof, auf dem lese ich nie wieder etwas.
Na, welcher Satz, hat dich am meisten auf die Palme gebracht? Kochst du gerade innerlich, weil das “ALLES WIRKLICH NICHT SO EINFACH IST!”?
Je mehr du dich aufregst, umso besser!
Dann herzlichen Glückwunsch, du kommst deinem Thema immer näher! Je mehr dich etwas aufregt, umso eher solltest du dir das näher anschauen. Wenn dich etwas aufwühlt, was ich schreibe, dann ist es deine Wahrheit, die dir sagt, dass du mit der Sache noch nicht im Reinen bist.
Du darfst mir glauben, dass ich selbst das lange Zeit nicht wahrhaben wollte und auch heute noch immer öfter in die Falle tappe. Wenn mir jemand eine unangenehme Wahrheit gespiegelt hat, war die Reaktion: weit von mir weisen und durch langes Argumentieren belegen, dass die Faktenlage ganz anders ist.
Allein, diese Art von Selbstbetrug funktioniert nicht. Nachhaltig und gewinnbringend ist sie schon dreimal nicht.
Ausreden sind völlig okay
Ganz wichtig: Es ist völlig okay, all diese Ausreden zu haben. Deshalb musst du dir keine Schuldgefühle machen. In fast allen spiegeln sich alte Programmierungen und Glaubenssätze anderer wieder, die du über all die Jahre zu deinen eigenen gemacht hast.
Du darfst nur verstehen und akzeptieren, dass es Ausreden sind. Und keine unumstößlichen Fakten, die eine Veränderung in deinem Leben verhindern.
Es ist ausschließlich dein Gedankenkonstrukt, das dich vor unangenehmen Neuerungen schützt (die zwar langfristig gesehen eine sehr angenehme Wirkung haben, aber dafür müssen sie erst einmal in die Tat umgesetzt werden).
Und was ist mit dem blinden Piloten?
Jetzt rumort es wahrscheinlich in dir und du überlegst dir ein gutes Beispiel, das meine These entkräften kann.
Wie wäre es damit: “Aber wenn jetzt ein Blinder den Pilotenschein machen will, dann kann er das doch wirklich nicht. Dann ist das doch keine Ausrede.”
Ja, das stimmt, und zugleich darf ich dich fragen: Bist du blind? Willst du gerade einen Pilotenschein machen? Und wie viele Blinde kennst du, die einen Pilotenschein machen wollen?
Letztlich ist das Sammeln von Gegenargumenten, und seien sie noch so absurd, selbst wieder eine Ausrede. Nämlich dafür, sich zu trauen, den Kern des Themas anzunehmen, die eine oder andere Ausrede als solche zu entlarven und die gewünschte Veränderung anzupacken.
Ach, du wolltest ja noch meine Lieblings-Ausreden wissen: 5, 7 und 39.
Und deine? Schreib sie mir unbedingt in die Kommentare. Und ergänze bitte die Liste, wenn ich etwas vergessen habe. Ich freue mich auf deinen Kommentar! Falls du jemanden kennst, der den Artikel unbedingt mal lesen sollte, dann freue ich mich, wenn du ihn teilst oder weiterempfiehlst.
Foto: Unsplash.com
Hallo Mischa,
danke für diesen Artikel, damit hast du mich voll erwischt. Meine sind 2, 25 und 41 +
Und was ist wenn es schief geht …..
VG
Mati
“Und was ist, wenn es schief geht?!” – danke, danke, wie konnte ich den vergessen? 🙂
Liebe Grüße
Mischa
Bitte, gerne…;-)
Eigentlich dürfte ich auf solche Ausreden gar nicht mehr reinfallen, denn ich hab ja schon mal meinen gutbezahlten Job hingeschmissen und hab nochmal studiert. Und keine von den Ausreden ist eingetreten. Trotzdem kommen sie bei jedem neuen Projekt wieder.
Ich stelle mir öfters mal die Frage was ich unbedingt noch machen würde wenn ich wüßte das ich in einem Jahr sterbe oder in ein paar Monaten. Und dann überlege ich ob ich mit meinem Leben zufrieden wäre wenn ich morgen sterben würde. Das hilft ungemein um rauszufinden was mir wirklich wichtig ist, denn keiner weiß wann es zu Ende ist.
VG Mati
Dann mal Butter bei die Fische: Was ist deine Antwort drauf? 🙂
Naja, es steht ja noch einiges auf meiner Liste und da kommt immer mal was dazu. Auf der anderen Seite habe ich auch schon viel umgesetzt. Wenn ich also morgen sterbe kann ich schon zufrieden sein.
witzig, also so spontan klingelte genau bei den dreien auch bei mir nur zu gut, und wie ich finde zu der 2 geht in Kombination noch die 24 sehr gut 😉
super Artikel, muss direkt mal mit allen Ausreden in mich gehen, mal schauen, was da so für innerliche Kommentare bei rauskommen…
Hi Ildiko,
und, was ist dabei rausgekommen? Im Übrigen ist in der Tat 2 + 24 eine international renommierte Top-Kombination 😉
LG
Mischa
Hey Mischa,
irgendwie habe ich alle Ausreden schon mal durch ?(außer die 42)
Am meisten ruhe ich mich allerdings auf den Kindern aus (25) …wenn die erstmal aus dem Haus sind.?
Und einer meiner “schlausten” Sprüche ist: alles ist ein Prozess, das geht nicht von heut auf Morgen??
Liebe Grüße
Ela
Hi Ela,
du hast ALLE schon durch? Respekt! 😉
Wann sind denn deine Kinder aus dem Haus?
Liebe Grüße
Mischa
Hi Mischa,
also ich beschränke mich mal auf 16, 25 und 36. Wobei die 25 ganz oben kommt…..
+ da muss ich erst mal ein paar Nächte darüber schlafen….(in der Hoffnung, es entscheidet sich bis dahin von alleine oder es wird entschieden)
Liebe Grüße
Simone
Hi Simone,
entschieden ist es ja schon.
O-Ton eines tollen NLP-Trainers: “Wenn du denkst, du müsstest dich entscheiden, hast du dich schon lange entschieden. Es ist nur die Frage, ob zu den Konsequenzen deiner Entscheidung stehen kannst oder aus Angst davor wieder einen Rückzieher machst.”
Wünsche dir viel Kraft, guten Schlaf und alles Gute
Liebe Grüße
Mischa
Hi Mischa,
mir kommen die meisten Punkte wirklich bekannt vor, als ich mein Leben radikal geändert habe, durch kündigen meiner Arbeitsstelle und Beginn eines Studiums…. vor allem von meinem äußeren Umfeld, welches ich dann auch an mein neues Leben anpassen musste :-), immer dieser Versuch mir Grenzen in den Kopf einzureden… Wirklich fast alle Punkte durfte ich mir seit Beginn meines Studiums anhören, vor allem von Frauen
Hoffe auf baldige neue Blogbeiträge von Dir,
Viele Grüße
Andrea Dietrich
Hi Andrea,
das ist spannend, dass vor allem Frauen anderen Frauen das Leben schwer machen, wenn die sich verändern wollen. Wahrscheinlich weil für Frauen und ihre Verhalten immer noch ein stärkeres Rollenbild da ist, als sich die meisten eingestehen wollen.
Lieben Dank für deinen Kommentar und das schöne Lob
Viele Grüße
Mischa
Hi Mischa!
Die 40 ist klasse! Passt zu mir. Kind ist schon ausgezogen. Ist leider keine Ausrede mehr. Mein Tipp: “Sofort ins Tun kommen.” So mache ich jetzt wieder Autogenes Training seit 2 Wochen, nach deiner Empfehlung hab ich mir direkt eine der CDs gekauft. Weil ich die Männerstimme so schön fand. Was soll ich sagen? “Es tut mir wohl!” Die Ameisenarmeen sind schon da wenn ich nur die Stimme höre. Wenn ich mir schon mal eine CD kaufe. Passiert alle 10 Jahre. Dazu gibt es noch eine Fortgeschrittenen CD. Und das ist mir wichtig. Dass ich mich steigern kann. Den Artikel hab ich mir sowieso von dir gewünscht. Und AT hab ich früher mal gemacht. Mein Körper hat das nicht vergessen.
Hier noch ein paar Sätze:
“Ich will kein Chaos in meinem Leben.”
(Bin ein Ordnungsfreak)
“Ich kann das nicht.”
(“Willst du auf dem Level bleiben?”)
Heuli! Heuli! Bei meiner Tochter ist weinen angesagt. Aus Wut.
Weil Mathe ein Arschloch ist. Ich hab mal gelesen, mein Kind ist nicht mein Körperteil. Also nicht bemitleiden, sondern motivieren. Seitdem klappt das auch mit Mathe und mit dem Einparken.
(“Mach eine Faust und kämpf dich durch im Leben.”)
“Ich hab keinen Bock.”
(“Mach’s ohne!”)
Dein Humortipp hilft mir auch: Ich hab mich weggelacht als der Wohnzimmerboden halb unter Wasser stand. Die Dachdecker meinten schon, wenn das Wasser jetzt nochmal kommt, dann richtig. Schön, das ich das miterleben durfte.
Liebe Grüße – Tanja
Hi Tanja,
danke für deinen allumfassenden Kommentar gleich mehrere Blogartikel 🙂
Und viel Freude ohne Ausreden und mit mehr Entspannung.
LG
Mischa
Hi Mischa,
viele deiner genannten Ausreden kenne ich selber auch. Die 42 aber natürlich nicht 😉
“Man kann im Leben nicht alles haben” ist etwas, was ich wahnsinnig oft höre. Mein all time favorite aller Ausreden ist aber definitiv “Ich kann sowas aber nicht!” Das höre ich mindestens einmal pro Woche, wenn ich einer unzufriedenen Person in meinem Umfeld einen ernst gemeinten und (meiner Meinung nach) machbaren Vorschlag mache, was man ändern könnte um wieder gelassener zu sein. Meistens geht es dabei um Unzufriedenheit im Job. Ich habe vor ein paar Monaten deshalb auch mal einen ähnliche Beitrag geschrieben: http://www.co-monkey.de/erfolgreich-stagnieren/ – vielleicht ist das hier für deine Leser auch interessant.
Viele Grüße aus Berlin,
Nina
Hi Nina,
hast du bei “Ich kann das aber nicht” auch genau DIESE EINE leicht beleidigte Stimmlage im Kopf? Ich muss grad sehr drüber lachen.
Vielen Dank für deinen Linktipp, ist ein super Beitrag, hab ich mir gerade durchgelesen.
Liebe Grüße
Mischa
Hi Mischa!
Oh ja, diese Stimmlage kenne ich seeehr gut! Ich habe trotzdem die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Früher oder später zwinge ich den ein oder anderen schon noch zu seinem Glück, wenns von selbst nicht klappt 😀 …Freut mich, dass dir mein Beitrag auch gefällt!
Viele Grüße,
Nina
Hi Mischa,
wundervolle Sammlung. *lach*
Aber meine aktuelle Lieblingaausrede fehlt noch:
“Aber ich hab doch schon soo viel verändert… ” 😉
Liebe Grüße
Astrid
Hi Astrid,
hahaha, die ist auch super! Die schaffe ich mir auch drauf, perfekt 😉
Liebe Grüße
Mischa
Hey Mischa, der Artikel bringt’s auf den Punkt!
Unsere Lieblingsausrede, BEVOR wir es geschafft haben, uns von der Gesellschaft nichts mehr einreden zu lassen, war definitiv Nummer 7 ! 😀
Aber Du hast Recht: Ausrede erkannt, Ausrede gebannt!!!
Danke für den schönen Artikel!
Sabine
Hi Sabine,
na und WIE ihr die Ausrede gebannt habt und jetzt so cool euer Ding durchzieht. Einfach großartig. Ihr seid ein Vorbild für viele Zauderer, dass es geht, wenn einmal der Anfang gemacht wird und die Ängste so nach und nach verschwinden.
Liebe Grüße
Mischa
Hey Mischa,
klasse Aufzählung. Eine hätte ich noch (hoffe, ich habe sie nicht überlesen?) Immer wieder gerne genommen, selbst wenn gerade alles scheiße läuft: Könnte ja alles noch schlimmer kommen! 😉
Lieben Gruß.
Sebastian
Hi Sebastian,
ja, der ist gut 🙂
Liebe Grüße
Mischa
Hallo Mischa,
wie es so schön heißt – es gibt keine Zufälle … bin heute auf deinen Blog aufmerksam geworden und kann nicht aufhören zu lesen. Veränderung steht an, mein Arbeitsvertrag endet mit diesem Monat und dann kommt das große Wagnis: weiter so wie bisher und unglücklich sein, oder endlich das tun, wozu mein Herz mich drängt … wobei ich da mehrere, noch unkonkrete Vorstellungen habe. WENN da nicht dieses Festgefahren-sein wäre, eine innere Lähmung, ja auch Angst, Unsicherheit, keinen-Plan-haben …
Bei den Ausreden hab ich mich durchaus wiedergefunden, 1, 7, 8, 21, 25, 29 – oh oh!
Eine kann ich auch noch beisteuern: “Ich bin allein, mit Partner/Freunden wäre vieles einfacher.”
Danke für deinen Blog, ich bleibe dran!
SyAnn
Hallo 🙂
meine große Ausrede, von der zumindest ein kleiner Teil von mir ahnt, dass es sich um eine Ausrede handeln KÖNNTE: Bis auf die Angst, Depressionen, Selbsthass ist mein Leben toll und ich wüsste gar nicht, was ich ändern sollte….
Liebe Grüße
Die Dani
Hi Dani,
jaa, die Ausrede ist sehr, sehr gut. Du glaubst gar nicht, wie vielen Menschen ich vor 3 Jahren in der Klinik begegnet bin, die so gedacht haben.
Wie gehst du damit um?
Liebe Grüße
Mischa
Hi Mischa,
vielen Dank für Deinen hervorragenden Blog. Seit einigen Monaten bin ich begeisterte Leserin und in vielem, was du schreibst, finde ich mich und meine Gedanken wieder. Deinen Blog zu lesen hilft mir, wenn sich das Gehirnkarussell mal wieder immer schneller dreht und man Bremse und Ausstieg nicht finden kann.
Ich hielt mich immer für unglaublich stark und war auch sehr stolz darauf, immer wieder aufzustehen und neuen Mut zu fassen, Powerfrau halt. Dieses Image habe ich gehätschelt, vielleicht weil ich so erzogen wurde und mich nicht dagegen wehrte, trotz gescheitereten Suicidversuch im Alter von 14. Doppelt- und Dreifachbelastung mit Nebenjob am Wochenende zusätzlich zu 40 Stundenwoche, Kids und Hausbau habe ich als einen Indikator für Stärke gesehen. Und die Erfüllung aller meiner/unserer Wünsche auf später verschoben. Das ging auch eine Zeitlang trotz immer wiederkehrender Depressionen scheinbar einigermaßen gut, trotz einiger schwerer Schicksalsschläge (u.a. Leukämieerkranung unserer Tochter, Kernsanierung unseres Hauses nach schwerem Hagelschlag). Dazu habe ich lange Jahre in einer Firma und einem Job ausgehalten, der mir gar nicht gut tat. Die Erkrankung meiner Tochter hat die Kollegen nicht nur auf Distanz, sondern auch auf Mobbingkurs gehen lassen, da die Konfrontation mit einem solchen Thema viele in die Flucht schlägt. Ich blieb dennoch in dieser Firma, aus Angst, die finanzielle Belastung sonst nicht meistern zu können oder auch in unserer Region keinen besseren Job zu finden.
Durch eine schwere Hirnblutung meines Mannes vor vier Jahren im Alter von 49 haben sich alle unsere “ach so schönen” Träume in Luft aufgelöst. In der akuten Phase habe ich als erstes aus Verzweiflung, wie es weitergehen soll mit einem behinderten Mann, den Job gekündigt, was sich im Nachhinhein als die beste Entscheidung in meinem Leben herausstellte. Danach wurde es besser, neuer Job, mein Mann lernte wieder sprechen und laufen, wenn er auch stark körperbehindert bleibt, der Geist ist jedoch wie früher.
Mir geht es zwar heute immer noch nicht so gut, aber ich bin auf einem Weg, der in die richtige Richtung geht. Dennoch geht es nicht ganz so schnell wie ich es gerne hätte. Immerhin haben wir uns dieses Jahr ein Wohnmobil zugelegt, das zwar durch Vermietung finanziert wird und wir daher noch eher wenig damit fahren konnten, aber im Herbst kommt unsere Zeit. Ein Liegerad für meinen Mann haben wir uns auch geleistet, durch Verzicht auf andere Dinge, dafür können wir aber wieder zusammen Fahrrad fahren. Dennoch bleibt es schwer, wir haben uns beide immer noch nicht mit der Behinderung abgefunden, und dass wir vieles von dem, was wir aufgeschoben haben nicht mehr werden nachholen können. Das macht uns am allermeisten zu schaffen.
Huch, ist viel Text geworden…..
Meine Ausreden von der Liste sind leider 23, 25 und 36. Über 23 rege ich mich am meisten auf.
Liebe und mutige Grüße
Anja
Liebe Anja,
irgendwie habe ich vor lauter Begeisterung über meine Deutschland-Tour die Kommentare auf meinem Blog ganz aus den Augen verloren 😉
Ganz herzlichen Dank für deine Offenheit! Ich finde deine Geschichte super spannend, weil sie zeigt, dass a) wir oft viel mehr aushalten, als wir glauben (was aber auch nicht immer gut ist) und b) dass sich Dinge oft dann erst verändern, wenn wir dazu gezwungen werden. Und dann ist da plötzlich keine Angst mehr, sondern nur noch pure Notwendigkeit und das Leben geht trotzdem weiter.
Ich finde es großartig, was ihr aus der Situation macht und wünsche dir und deinem Mann weiter viel Kraft und Motivation. Und wer weiß, was ihr noch alles zusammen machen werdet, von dem du früher noch gar nicht geträumt hast 😉
Ganz liebe Grüße und alles Gute
Mischa
Hi Mischa…
oh ja, ich habe auch viele Menschen mit denselben Gedanken kennengelernt – sowohl in der vollstationären Psychiatrie als auch in der Tagesklinik.
Im Moment gehe ich noch gar nicht damit um …Obwohl die Angst/Depression seit 18 Jahren mein ständiger Begleiter ist, bin ich erst jetzt darauf gekommen, dass irgendwas vielleicht doch nicht so toll ist. Nur hinter das “was” bin ich immer noch nicht gekommen… Vielleicht ein Grund, warum sich meine Panik inzwischen weitere Wege sucht, mich wach zu rütteln….Inzwischen bezieht sie sich nicht nur auf mich, sondern vor allem auch auf meine fast erwachsenen Kinder … Diese Feststellung zeigt mir: JETZT muss ich meinen Arsch hoch kriegen … Toll, dass ich es in der Theorie geschnallt habe, ne;-)
Ein Ziel ist es, in Bewegung zu kommen… Derzeit sieht es so aus, dass ich nach 500 Metern gehen die Panik förmlich herbei rufe…
Dein Blog, Deine Erfahrungen haben mich zum Nachdenken bewegt – nicht mehr einfach nur hinnehmen … Danke Dir dafür. Und: Deine Reise ist klasse- von sowas träume ich 🙂
Liebe Grüße
Die Dani
Hi Dani,
weißt du, was das Schöne ist: Du musst gar nichts 🙂
Aber ich lese heraus, dass du etwas willst, und das gefällt mir sehr gut. Es ist auch überhaupt nicht so wichtig zu wissen, was jetzt der genaue Auslöser der Angst ist. Sondern eher zu schauen, wie du lernen kannst, nicht mehr gegen die Angst zu kämpfen, sondern loszulassen und stolz auf jeden noch so kleinen Fortschritt zu sein.
Deine Panik kann nur solange an dir rütteln, wie du es zulässt. Mit jedem Schritt hin zu dir und deinen tiefsten Bedürfnissen, mit jedem mutigen Schritt, mit jedem kleinen Erfolg, den du feierst, wird sie ein Stück kleiner.
Liebe Grüße und schöne Reiseträume (am besten bald umsetzen)
Mischa
Schöner Artikel – aber was tun, wenn man nichts ändern kann, weil man Schulden hat? Nicht mehr zahlen? Keine Option. Also, ran an die drei Jobs. Für mich hebt es einzig und allein daran, dass ich meine Fehler vergangener Zeiten ausbügeln muss. Andere mögen kein Problem damit zu haben, drei Finger in die Luft zu recken, aber für mich ist das tatsächlich der falsche Weg. Ergo – so einfach ist das nicht! 🙂
Liebe Paula,
danke für deinen Kommentar!
Es stimmt, dass mit Schulden manche Dinge erst einmal schwieriger sind. Und zugleich nicht unlösbar.
Wenn ich dich richtig verstehe, hast du dich gegen die Privatinsolvenz entschieden (korrigier mich, wenn ich das falsch gedeutet haben sollte). Falls dem so ist, hast du dir in der Tat das Leben schwerer gemacht, als es der Gesetzgeber vorsieht.
Ich sehe es so, dass in jeder Lebenssituation Veränderungsmöglichkeiten da sind, wenn ich es wirklich will. Wie gesagt: Mein Modell von Welt 🙂
Liebe Grüße
Mischa
Hi Mischa,
ja, ich habe mich gegen Privatinsolvenz entschieden, da eine solche das Leben noch mehr erschwert. Schufa-Eintrag ist nur ein solches Problem. Ich habe noch immer alles bezahlt und das gehört sich meiner Meinung nach auch so. Mache ich Privatinsolvenz, kann ich nicht mal mehr einen Handyvetrag abschließen, geschweige denn eine Wohnung mieten oder sonstige Verträge haben. Deswegen scheidet das aus – Du siehst – so einfach ist das nicht…grins…
Hi Paula,
ja, so hat jede Entscheidung ihre Konsequenzen. Dann wünsche ich dir, dass du einfach das Beste daraus machst.
Liebe Grüße
Mischa
Hi Mischa,
keine Ausrede passt zu mir. Ich lasse keine Ausreden mehr zu und seit 6 Jahren verändere ich mein Leben in kleinen Schritten. In vielen Bereichen ist mein Leben schon ganz toll, aber es ist immer noch viel zu tun…
Was ich aber nicht verstehen kann, sind viele Menschen, die ich kenne, die behaupten, dass sie nichts zu ändern haben und ein glückliches Leben führen. Ich würde nämlich an deren Stelle Burnout oder (wieder) Depressionen bekommen. Anscheinend ist jedoch jeder anders und jeder braucht was anderes zum Glück.
Liebe Grüße
Iwona