Kürzlich bin ich über den Kommentar einer lieben Leserin gestolpert, der da lautete: „… auch wenn der Weg, der vor dir liegt, noch nicht klar erkennbar ist (und vielleicht nie sein wird).“ Ich gestehe, dass ich kurzzeitig erschrocken bin. Geht das gut, im Leben immer nur auf Sicht zu fahren? Hält ein Mensch auf Dauer so viel Unsicherheit aus?
Einen Moment später hatte ich ein Lächeln auf den Lippen und dachte mir: „Eigentlich eine wunderbare Vorstellung. Ist es nicht das perfekte Leben im Jetzt?“
Und wieder einen Moment später schossen mir Fragen über Fragen durch den Kopf. Fragen, die ich gar nicht auf Anhieb beantworten konnte. Vielleicht hilfst du mir mit deinem Kommentar später, ein wenig Klarheit in der Sache zu bekommen.
Ich frage mich:
- Wenn schon der Weg nicht auf Anhieb erkennbar ist, brauche ich dann überhaupt Ziele?
- Warum haben wir eigentlich Ziele?
- Kann man ziellos leben?
- Nutzen uns Ziele wirklich oder hindern sie uns?
- Ist es schlimm, gar kein Ziel vor Augen zu haben, sondern sich auf den Weg zu konzentrieren?
- Was passiert, wenn man sich dahin treiben lässt, wo es sich richtig anfühlt – dorthin, wo die passenden Begleiter sind?
Das Positive an Zielen
Sie bieten eine gewisse Orientierung. Ziele geben eine Richtung vor und sorgen dafür, dass ich überhaupt loslaufe. Dienen als Motivation, um ins Handeln zu kommen und nicht den ganzen Tag ziel- und sinnlos herumzugammeln (abgesehen davon, dass ziel- und sinnloses Herumgammeln ab und an sehr gut tun kann und zu den schönsten Formen des Müßiggangs gehört).
Das Negative an Zielen
Sie zementieren eine Verbindlichkeit und manchmal hässliche Unausweichlichkeit. Es geht meist um besser, höher, schneller. Krampfhaftes Fokussieren auf ein Ziel erzeugt Druck und führt zu negativen Konsequenzen. Beispiele gefällig?
- Der Vertriebsmitarbeiter hat keine Chance mehr, die geforderten unrealistischen Umsatzsteigerungen zu erreichen und wird abgestraft.
- Die Aktiengesellschaft droht ihre Zielvorgaben zu verfehlen und entlässt im Sinn des Shareholder Value Mitarbeiter, um die Zahlen aufzupolieren und den Aktienkurs in die Höhe zu treiben.
- Das große Lebensziel, unter allen Umständen einmal ein Eigenheim zu haben – ganz egal, wie die finanziellen Voraussetzungen sind -, versklavt Menschen teils auf Jahrzehnte und macht sie auf unsägliche Weise von ihrem Arbeitgeber abhängig. Durch die Kombination „Job weg, Haus weg“ sind schon zu viele schlimme Dinge passiert.
Was ich damit sagen will: Ziele können ja schön und gut sein. Aber nur, wenn ich auf dem Weg dorthin auch einmal auf die Bodenbeschaffenheit der Strecke achte. Was mir vor zwei Jahren noch wie eine Fahrt auf der Autobahn vorkam, stellt sich aktuell vielleicht nur noch als ein Kriechen durchs Gestrüpp dar. Dabei hätte es unterwegs Abzweigungen gegeben. Aber auf denen stand ja nicht das einmal festgelegte, unumstößliche Ziel. Also Augen zu und durch.
Ziellos leben ist doch gar nicht so schlimm, oder?
Was würde denn passieren, wenn wir uns viel mehr vom Weg als vom Ziel leiten lassen? Die überraschenden Möglichkeiten des ziellosen Lebens annehmen?
Ich bin der Meinung, dass unser Leben gerade dadurch so wertvoll, einzigartig und wunderbar ist, weil nicht alles planbar ist. Also könnten wir doch lernen, uns öfter mit dem Unausweichlichen zu arrangieren und auf die Wendungen zu reagieren, anstatt stur unser Standardprogramm abzuspulen.
Ein Standardprogramm, das noch dazu sehr oft von Zielen geleitet wird, die gar nicht unsere sind, sondern durch Erziehung oder sonstige gesellschaftliche Konventionen mehr oder weniger übergestülpt wurden.
Ich weiß: Echte eigene Ziele oder besser gesagt Wertvorstellungen zu definieren und zugleich Raum für spontane Zieländerungen zu lassen, kostet Mut und Überwindung. Unsicherheit inklusive.
Ich will nicht an den spannendsten Abzweigungen vorbeirennen
Mein Entschluss lautet: Ich kann, will und werde mich nicht mehr auf ein großes Ziel festlegen. Dazu ist das Leben viel zu spannend, zu überraschend, zu vielfältig an seinen Möglichkeiten. Wenn ich mich auf ein Ziel zu sehr fokussiere, renne ich vielleicht an den spannendsten Abzweigungen vorbei.
Ich will zu jeder Sekunde offen sein für neue Wegbegleiter, interessante Umleitungen und spannende neue Landschaften. Deshalb schaue ich ganz bewusst auf den Weg, nicht auf das Ziel.
Damit ich nicht ganz planlos umherirre, lasse ich mich von folgenden Wegweisern leiten:
- Neugierde und Lust aufs Leben
- Mut
- Vertrauen in das, was kommt
- Vertrauen in meine Fähigkeiten, für mich selbst zu sorgen
- Naturnah leben
- Zeit für die wesentlichen Dinge und Schönheiten des Lebens
- Den Menschen als Mutmacher dienen und meine Geschichten erzählen
Ich denke, damit lässt sich ein zielloses Leben ganz gut aushalten. Die Tatsache, dass ich noch so wenig von dem vor mir liegenden Weg weiß, gefällt mir mit jedem Moment besser …
Hast du große Ziele und findest meinen Text deshalb ziemlich verstörend? Oder bist du eher jemand, der das Leben und seine eigene Unvollkommenheit annimmt und sich lieber auf das Jetzt konzentriert? Ich freue mich sehr auf deinen Kommentar und bin gespannt, was du auf meine Fragen antwortest.
Lieber Mischa,
diesen Artikel MUSS ich einfach mal wieder kommentieren, weil ich mir dazu gerade heute Gedanken gemacht habe.
„Was passiert, wenn man sich dahin treiben lässt, wo es sich richtig anfühlt – dorthin, wo die passenden Begleiter sind?“
Während der 15 Monate, die ich in Spanien gelebt habe, habe ich genau das gemacht – mich treiben lassen! Dadurch habe ich so tolle Erfahrungen gemacht und meinem Leben eine neue Richtung gegeben, die vorher nie denkbar gewesen wäre.
Beim Klettern ist es übrigens eine bunte Mischung aus einem Ziel haben und offen bleiben für Abweichungen. Wenn ich mich nur auf das Ende der Route fixiere, übersehe möglicherweise rettende Griffe, die von unten gar nicht zu erkennen waren.
Nicht anders ist es im realen Leben.
Ein Tunnelblick verengt die Wahrnehmung, dabei hat das Leben so viel mehr zu bieten.
Mir ist es wichtig, offen zu bleiben und Optionen zu nutzen, die sich spontan ergeben. Mein Leben verläuft deshalb ziemlich kurvig und nicht gradlining, aber genau das bringt die Würze 😉
Liebe Grüße
Nima
Hi Nima,
das ist witzig, denn ich habe beim Schreiben öfter an deine Geschichte gedacht und dass du auch jetzt wieder loslässt und dich auf den ungewissen Weg machst. Das imponiert mir sehr.
Auf das kurvige Leben! 🙂
Liebe Grüße
Mischa
Hi.
Vor kurzem bin ich auf deine Seite gestoßen und stöbere seitdem etwas rum.
Gerade bin ich auf diesen Artikel gestoßen und finde, dass es eine sehr sehr schwierige Frage ist. Bzw es ist schwer eine Antwort zu finden.
Wobei, ist das überhaupt möglich?
Dennoch sehr interessant.
Gerade in jungen Jahren, wie es bei mir der Fall ist, das Abi ist vorbei und nun ist da das große Fragezeichen, stellt man sich diese Frage.
Einerseits denke ich, dass es viel schöner wäre jeden Moment zu genießen, das Leben im Hier und Jetzt zu leben und einfach darauf zu vertrauen, dass das, was kommt, schon richtig ist.
Aber andererseits ist es doch sehr schwer, da man ja, wie du bereits erwähnt hattest, man später evtl mal ein eigenes Heim haben will. Familie etc.
Und um das erreichen zu können braucht man ja ein Ziel. Zb einen guten Job, damit man unabhängig ist und sich das auch ohne Mann finanzieren kann.
Die Vorstellung frei von Druck und ähnlichem zu leben, denn das sind Ziele ja irgendwie, ist natürlich unglaublich traumhaft.
Aber irgendwie glaube ich, dass es schwer umzusetzen ist.
Vielleicht habe ich diese Sicht, weil ich noch sehr jung bin und somit noch nicht allzu. Viel Lebenserfahrung habe wie. Manch anderer evtl und das alles sehr unvorstellbar wirkt.
Grüße!
Hi Alisa,
vielen Dank für deinen Kommentar. Natürlich ist das eine sehr schwierige Frage. Und wie du siehst, habe ich die auch noch nicht abschließend beantwortet.
So oder so bin ich der Meinung, dass einen solche Riesenziele wie z.B. ein eigenes Haus viel zu sehr unter Druck setzen und wir unser ganzes Leben dem unterordnen. Du MUSST dir einen gut bezahlten Job suchen, weil du in der Selbstständigkeit nicht mit dem festen Gehalt rechnen kannst. Du MUSST auf Teufel komm raus und egal wie beschissen es dir dabei geht in dem Job bleiben, schließlich gilt es ja die Schulden abzubezahlen. Du MUSST an diesem Ort bleiben, denn schließlich steht da ja die Investition deines Lebens. Und du MUSST evtl. immer wieder daran denken, dass es vielleicht gar keine so geile Idee mit dem Haus war, weil es dich jeglicher Freiheit beraubt. Und du MUSST dir die Frage stellen, ob das wirklich dein Ziel war oder einfach nur das gesellschaftliche Normziel, nach dem sich alle richten, nur um nicht aufzufallen?
Lies einfach mal Connis offenen Brief zum Thema „Führst du dein geilstes Leben?“ Wenn das große Ziel ist, das für dich passende bestmögliche Leben zu führen, dann bin ich auch ein Anhänger von Zielen. Ich sehe das aber eher als grundsätzliche Lebenseinstellung, aus dem sich dann viele kleine Zwischenziele ergeben. Die Ziele, von denen sonst oft geredet wird und die so viele Menschen anstreben, sind eben fast immer materieller Natur. Und mit diesen Zielen kann ich nichts anfangen. Da bleibe ich lieber ziellos 🙂
Liebe Grüße
Mischa
Hallo Mischa,
…..passt….
Ich hab immer Ziele gehabt und hatte das Gefühl das sind die Anker in meinem Leben. Ich habe Träume die ich verwirklichen will aber ich spüre auf dem Weg dahin auch die Abweichungen. Das irritiert mich. Allerdings nehme ich auch die Freiheit wahr die darin liegt…
Ganz nebenbei habe ich gemerkt das ich gar nicht der Mensch bin der schnurstracks auf ein Ziel losgeht.
Danke für Deinen schönen Artikel
Rosemarie
Hi Rosemarie,
bitte, gerne! 🙂
Ich denke, die Kunst liegt darin, die Abweichungen anzunehmen, anstatt sich gegen sie aufzulehnen. Das Leben einfach annehmen, wie es ist: überraschend und eben selten geradlinig.
Liebe Grüße
Mischa
Was für ein wundervoller Artikel, lieber Mischa!
Auch ich habe festgestellt, dass es sich ohne große Ziele eigentlich viel schöner lebt! Wenn man dem Leben die Chance gibt, einen zu überraschen, passieren die wundervollsten Dinge! Klar, habe ich auch das Ziel z.B. mein Buch fertig zu machen, aber das ist alles kein Muss, sondern eher ein Will. 🙂 Ich schließe mich dir also zu 100% an und schaue, wohin mich das Ganze so führen wird, wenn ich meinem Herzen folge!
Einen wunderschönen Abend dir noch!
Anna
Hi Anna,
danke für deinen wundervollen Kommentar. 🙂
Ein super Ansatz, aus einem Ziel ein Will und kein Muss zu machen. Das lässt den nötigen Spielraum für Überraschungen und Wendungen.
Viel Freude weiterhin beim Folgen deines Herzens!
Ganz liebe Grüße
Mischa
Hallo Mischa,
der Beitrag hat definitiv das zeug zu meinem Lieblingsbeitrag auf Deinem Blog zu werden 🙂 Ich kann jedes Wort unterstreichen. ich verfolge schon seit Jahren keine große und „feste“ Ziele mehr. Denn das Leben ist Fluss und Ziele wirken manchmal Betonklötze, die an einem festhängen. Ich lerne immer mehr im Jetzt zu leben und das leben im Fluss, ohne große Ziele zu geniessen.
Namaste & Rock’n Roll 😀
Afschin
PS: Danke 🙂
Hi Afschin,
wow, was für eine Ehre, dass dieser Artikel dein Lieblingsbeitrag sein darf 🙂
Ich bewundere deine Art, ohne Betonklötze zu leben und dass dir dabei nie der Humor ausgeht.
LG
Mischa
P.S: Bitte 🙂
Wieder mal ein toller Artikel. Mein Weg war auch schon mal klar ausgelegt. Und dann? Adios Beamtentum auf Lebenszeit – Bonjour Auslandsstudium! Vier Jahre später stehe ich wieder am Scheideweg: Im Ausland bleiben oder nach Deutschland zurückgehen (allerdings wohl in eine Stadt wo ich niemanden kenne)? Beworben wird für beides, ich lasse das Schicksal entscheiden. Dein Artikel macht Mut!
Hi Jana,
das klingt aufregend und mutig – Respekt! Schön, dass du das Schicksal entscheiden lässt. Es wird so oder so eine tolle Lösung für dich herauskommen. Und wenn nicht? Dann zweigst du halt wieder mal ab 🙂
Viel Erfolg auf deinem Weg und liebe Grüße
Mischa
Hallo Mischa,
große Ziele – große Angst; kleine Ziele – kleine Angst; – keine Ziele – keine Angst? Abhängigkeit, Versklavung, Freiheit…
Manchmal kann die Suche nach Glück und Erfüllung oder gar nach einer Sinngebung zu Abzweigungen mit oder ohne Wegweisern im Leben führen. Was bleibt ist die Eigenverantwortung über das eigene Leben. Es hilft letztendlich nicht uns und andere zu täuschen um uns aus der eigenen Affäre zu ziehen. Auf Wege mit ausgestrecktem Finger hinzuweisen reicht auf Dauer nicht aus. Diese wollen beschritten werden, denn die Angst lässt sich genau so wenig verleugnen wie die Realität. So kann ich nach vielen Jahrzehnten in der Auseinandersetzung mit Ängsten feststellen, dass wir meistens die Sicherheit vor der Verwirklichung in unsere Lebensplanung berücksichtigen. Dann rasten wir aus, wollen das Versäumte nachholen und rennen schnurstracks vor unserer Vergangenheit weg. In eine vermeintlich bessere Zukunft hinein? Im Hier und Jetzt bewusst des Weges schreitend, scheinbar befreit von Konventionen und Zielsetzungen? Auch ein zielloses Leben anzustreben ist ein Ziel, ein sehr großes sogar! Mir persönlich würde das Angst machen. Ich denke schon, dass wir Ziele brauchen, nämlich bescheidene, beziehungsweise maßgeschneiderte. Der ständige Vergleich mit anderen Menschenzielen macht uns zu schaffen, nicht die Tatsache, dass wir Ziele für uns definieren.
Hallo Horst,
danke für diesen ausführlichen und sehr nachdenklich machenden Kommentar.
Mit Sicherheit vor Selbstverwirklichung sprichst du aus meiner Sicht ein entscheidendes Thema an. Da stecken die klassischen Ziele Geld und Karriere dahinter, denen wir viel zu viel unterordnen, ohne zu verstehen, dass es auch noch andere Weg gibt, auf denen wir auch nicht verhungern müssen, die uns aber glücklicher machen.
Ich sehe es wie du, dass man für sich kleine Ziele bzw. Wertvorstellungen definieren sollte, die einem Orientierung geben. Ganz individuell, ohne Vergleiche, ohne jemanden übertrumpfen zu wollen.
Liebe Grüße
Mischa
Wow irgendwie seltsam wie sich manchmal Dinge ergeben.
Ich hatte nämlich UNGELOGEN heute vor ein paar Augenblicken, bevor ich eben den Artikel auf Facebook entdeckte und las, genau solche Gedanken und hab mir vorgenommen das Leben in Zukunft einfach auch mal zu nehmen wie es kommt und nicht immer versuchen so viel zu planen.
Ein Schöner Artikel.
Viel Erfolg bei deinen Vorhaben in diese Richtung
Liebe Grüße
Steffen
Hi Steffen,
dann stand ich ja mit meinem Artikel genau an der richtigen Stelle deines Weges, um dir passende Lektüre mitzugeben 🙂
Ich habe das mit dem Planen gegenüber früher extrem zurückgefahren – und ich war wirklich ein gnadenloser alles Durchplaner – und es tut mir unheimlich gut. So habe ich immer noch einen (Zeit-)Puffer für die spontanen, angenehmen Überraschungen.
Liebe Grüße
Mischa
Hallo Micha!
Um welche Ziele geht es dir? Das ist mir nicht so ganz klar geworden.
Mir ist es noch nie so ergangen, „dass der Weg, der vor mir liegt, klar erkennbar war“. Ob nun mit oder ohne Ziel. Vielleicht hatte ich mal ein klares Ziel. Aber einen erkennbaren Weg dorthin, den hat es für mich nie gegeben.
Mal ein Beispiel. Ich habe nach dem Abi nicht gewusst, was ich machen möchte. (Ich hätte gerne was bestimmtes studiert, dazu ist es aber nicht gekommen – lange Geschichte…) Also habe ich irgendeine Ausbildung angefangen. Mein Ziel war es, diese Ausbildung zu Ende zu machen. Aber der Weg dorthin, der war mir nicht klar. Ich kannte also mein Ziel – nicht aber den Weg. Der hat sich dann schritt für Schritt vor mir entfaltet.
Aber auch das Ziel. Warum wollte ich dieses Ziel erreichen? Weil ist es erstrebenswert fand, eine abgeschlossene Ausbildung zu haben. Wofür auch immer. Es hat mal Spaß gemacht. Mal nicht. Aber zu der Zeit hatte ich nicht nur dieses Ziel. Ich hatte viele Ziele. Ich bin in eine eigene Wohnung mit meinem Freund gezogen. Ich war im Urlaub. Ich habe mir eine schöne Zeit mit Freunden auf Partys gemacht. Ich habe den Führerschein gemacht. Viele Ziele – viele Wege.
Mir ist selbst noch nicht ganz klar, was ich eigentlich sagen möchte.
Vielleicht, dass es nicht nur ein Ziel im Leben gibt. Es gibt Hunderte, Tausende. Kleine und große Ziele. Und es gibt ganz viele Wege. Mal gehe ich hier entlang, mal dortendlang. Ich schaue um Kurven, luke in Ecken, verweile, laufe schnell, gehe langsam.
Ich behaupte mal, dass wir eigentlich alle ziellos Leben. Oder vielmehr: Das Ziel des Lebens ist der Tot. Bis dahin beschreiten wir verschiende Wege, erreichen kleine und große Ziele.
Bei der Diskussion um ein Ziel, gar ein Lebensziel, erscheint es mir so, als wäre das Leben eine Gerade. Eine Linie, die vom Startpunkt gerade und direkt auf ein Ziel hinsteuert.
Aber so empfinde ich das Leben nicht. Für mich ist das Leben kein Fluss – von der Quelle zum Meer – für mich ist das Leben das Meer. Ein Meer voller Möglichkeiten, auf dem ich mich mal treiben lassen kann und mal zu einer Insel schwimme. Mal treffe ich andere, mal bin ich alleine. Mal lege ich irgendwo an und dann lasse ich mich weiter treiben. Mal habe ich ein Ziel, mal nicht.
🙂
Ach – ergänzen möchte ich noch: Meistens kommt es doch eh anders als man denkt. Und ich merke auf dem Weg, dass das Ziel gar nicht mehr so erstrebenswert ist, wie ich zunächst dachte. Ich lerne auf dem Weg und ändere dann die Richtung. Wie könnte ich mich weiterentwickeln, wenn ich einfach nur sturr mein Ziel verfolge, auch wenn es schon längst nicht mehr zu mir passt?
Hi Steffi,
wow, da hast du ja mal wieder einen rausgehauen! 🙂 Vielen Dank für die intensive Beschäftigung mit dem Thema.
Wir liegen glaub ich gar nicht so weit mit unserer Einstellung auseinander. Mir geht es vor allem um diese großen, übergeordneten Ziele (ich muss so und so viel Geld verdienen, ich muss diese Karrierestufe erklimmen, ich muss ein Haus haben, ich muss ein besserer, attraktiverer, eloquenterer Mensch werden, ich muss noch zwei weitere Fremdsprachen lernen …), die doch irgendwie nur aus dem Vergleich mit anderen und einem gewissen gesellschaftlichen Druck zustandekommen.
Ich bin überzeugt davon, dass solche Ziele au Dauer nicht gut tun, sondern dich unter Druck setzen und falsche Handlungsanreize auslösen.
Also sage ich mir lieber, wie ich leben und nicht was ich erreichen will. Denn ich bin überzeugt davon, dass ich im Einklang mit meinem Leben in der Summe die Dinge erreiche, die ich im Inneren auch will. Ich nehme meine Wertvorstellungen als Orientierung und brauche damit nicht das Riesenschild auf der Autobahn der großen Ziele.
Wenn wir uns mal mit unseren Campern treffen, werden das bestimmt lange, philosophische Abende 🙂
Liebe Grüße
Mischa
Wusste gar nicht, dass ich dich damit so geschockt habe 😉 Jetzt freu‘ ich mich drüber, was mein Kommentar ausgelöst hat.
Ich persönlich setze mir sehr wohl Ziele und verfolge sie. Aber ich versuche offen zu bleiben dafür, wie und wann sie sich realisieren und überlasse das Ergebnis einer Art „göttlichen Fügung“. Wir Menschen wissen halt oft nicht, was das beste für uns ist bzw. können uns noch bessere Optionen gar nicht vorstellen.
Für mich besteht die Kunst darin, sich Ziele zu setzen (die meinen Sehnsüchten und damit meiner Seele entsprechen) und gleichzeitig nicht an eine fixe Vorstellunge gebunden zu sein, sondern offen für die unbegrenzten Möglichkeiten zu bleiben, die das Leben zu bieten hat 😉
Und am meisten freu‘ ich mich über all die „zufälligen“ Begegnungen, die dann passieren – so wie zum Beispiel mit dir! 🙂
Liebe Grüße! Carolin
Hi Carolin,
das mit dem Schocken gehört doch manchmal bestimmt zu deinem Business 😉
Deine Herangehensweise an das Thema gefällt mir ausgesprochen gut. Ich denke, das entspricht in weiten Teilen meiner Einstellung. Vor allem nach Dingen zu streben, von denen ich weiß, dass sie mir im Innersten gut tun und meine wahren Sehnsüchte erfüllen.
Wird Zeit, dass wir unsere „zufällige“ Begegnung mal wiederholen 🙂
Liebe Grüße an die Vorbildunternehmerin
Mischa
Hallo Mischa,
diese gesellschaftlichen Ziele: Hausbau, Karriere etc. hatte ich sowieso nie. Ziele finde ich wichtig. Ich wusste genau, an welchem Tag mein Buch fertig sein soll und das war es dann auch auf den Tag. Es hat mir zu jedem Zeitpunkt Spaß gemacht und war nie Stress, weil ich kein Kopfmensch bin und den Moment genieße. Ziele setzen Limitierungen und das finde ich wichtig. Heute gammel ich rum und lese mal deinen Blog. War auch ein längeres Ziel von mir. Das Autofahrbeispiele mag ich gar nicht. Bin Fußgängerin. Ich sehe mich am Strand und Dinge kommen angespült. Möglichkeiten, die ich nutze oder wieder reinwerfe und loslasse. Fertig. Noch mal zum Autobeispiel: Du kannst ein paar Tramper mitnehmen und dein Ziel ist irgendwann dahin weil das Leben anders läuft. Ein Ziel pro Tag ist gut für eine wie mich, die sich sonst treiben lässt.
Liebe Grüße – Tanja
Hi Tanja,
danke für deine Sicht der Dinge, die meiner sehr ähnelt. Was du beschreibst, sind für mich die Zwischenziele, die sich auf dem Weg ergeben und die auch sehr nützlich sind. Die gibt es in meinem Leben durchaus auch. Aber selbst bei diesen sehe ich keinen absoluten Zwang, sie zu erreichen, wenn sich auf dem Weg dorthin eine bessere Option ergibt.
Ach und: Fürs Herumgammeln muss ich mir kein Ziel setzen. Das ergibt sich immer wieder ganz von selbst. Ohne einen gewissen Müßiggang drehen die Menschen auf Dauer durch. Und das gilt es zu verhindern 🙂
Liebe Grüße
Mischa
Wenn ich im Hier und Jetzt lebe, dann brauche ich doch keine Ziele, keine Träume mehr, oder? Diese sollen doch nur dahin führen, dass ich bestimmte Momente, die ich z.b mit Glück, Sicherheit, Zufriedenheit verbinde, wieder oder erstmals erleben kann. Gefühle, die wiederum sehr subjektiv empfunden werden und meiner eigenen Wertung unterliegen. Dh. jeder erlebte Moment wird von mir bewertet. Aufgrund meiner Erfahrungen, Erlebnisse, auch meiner jeweiligen Stimmung positiv oder negativ. Das Empfinden oder das Erleben des jeweiligen Moments hängt also sehr stark von der Vergangenheit ab und beeinflusst gleichzeitig die Zukunft, in dem ich positiv erlebte Momente wiederholen möchte bzw. im negativen Fall diese Momente in der Zukunft vermeiden möchte. Damit lebe ich aber doch dann niemals nur im Hier und Jetzt, sondern immer in enger Verbindung zu Vergangenheit und Zukunft. Selbst diese Umschreibungen „den Moment geniessen“ oder „die Situation annehmen“ bedeuten nur, dass ich das Hier und Jetzt bewerte und entsprechend genieße oder annehme. Positiv/negativ – mit Perspektive auf die Zukunft. Ich genieße: wer weiß, was morgen kommt. Ich nehme an: es wird bestimmt wieder besser.
Um tatsächlich hier und jetzt zu leben, darf ich eigentlich nicht genießen und bewerten. Ich darf den Moment überhaupt nicht bewerten. Er ist da, er ist wie er ist und gleich kommt der nächste. Ich habe eine beobachtende Funktion: ich bin im Park. Die Sonne scheint. Es sind viele Menschen da, die lachen. Ich sitze auf einer Bank. Ein Hund bellt. Zwei Kinder streiten um einen Ball.
Dabei muss ich völlig neutral bleiben. Denn sobald ich denke, ach ist das schön, bewerte ich. Aus meinen Erfahrungen der Vergangenheit heraus und mit Wünschen für die Zukunft.
Wege brauche ich nicht mehr zu finden. Wozu? Ich will ja nirgendwohin. Die Momente, das hier und jetzt reiht sich aneinander. Träume gibt es nicht mehr für mich. Unnötig geworden.
Das soll die Lösung sein, Anleitung zum glücklicheren Leben!?
Entweder habe ich alles falsch verstanden oder bin noch nicht so weit. Ich möchte nicht beobachten, sondern teilnehmen am Lachen und Weinen. Mich erinnern, was schön war und mich darauf freuen, was schön werden kann. Möchte vergessen, wenn etwas traurig oder angsteinflössend war und darauf vertrauen, dass es bei einem nächsten Mal ein klein wenig besser wird. Ich möchte fühlen, lieben, träumen. Fehler machen machen, verzeihen können, geliebt werden, müde sein, bescheuert sein all das, was für mich zum Leben dazu gehört.
Vielleicht bin ich dann nicht immer glücklich, aber ich lebe und beobachte nicht nur, wie die anderen leben und all das tun, was so falsch ist, wenn man den modernen Erleuchteten glaubt.
Kann sein, dass ich blödsinn geschrieben habe. Muss aber nicht
Hi Susanne,
warum sollte das Blödsinn sein? Du hast alles sehr gut und verständlich beschrieben. Vor allem den letzten Absatz finde ich ganz wunderbar, den würde ich 1:1 so unterschreiben.
Ich tue mir mit der Antwort trotzdem ein bisschen schwer, weil ich nicht genau weiß, auf was bzw. welchen Text du dich in deinem Kommentar beziehst? Habe ich irgendwo geschrieben, dass man immer und überall völlig neutral gegenüber allen Dingen sein soll, und damit glücklich wird? Falls du das herausgelesen hast, kann ich Entwarnung geben. Das ist sicher nicht meine Meinung und hat auch nichts mit der Realität zu tun. Und ich hoffe auch, dass du mich nicht zu den modernen Erleuchteten zählst. Der negative Touch dieses Ausdrucks gefällt mir nämlich nicht (Achtung: Das war eine Wertung!)
Ich rufe nur dazu auf, gelassener zu sein und sich erst einmal auf Momente und Menschen einzulassen. Nicht sofort alles mit seinen Erwartungen und schlechten Vorerfahrungen und Vorurteilen zu überziehen, sondern die Situationen und Gegebenheiten erst einmal anzunehmen wie sie sind.
Auf alle Fälle vielen Dank für deinen Kommentar und vielleicht kannst du nochmal schreiben und für mich ein bisschen Licht ins Dunkel bringen 😉
Liebe Grüße
Mischa
Hey,
Dein Text macht mir Mut neue Wege zu gehen, weiter zu machen und auch diese ziellose Seite in mir anzunehmen und auch mal positiv zu betrachten.
Ich bin nach dem Abi ziemlich ziellos ins Leben gestolpert. Meine Eltern haben mich machen lassen und mich immer unterstützt. Ich hatte keine Ahnung was ich vom Leben will. Und die habe ich leider bis heute noch nicht. Ich bin nun 24, hab eine Ausbildung hinter mir und bin auf der Suche, nach meiner Berufung, meinen Zielen, meiner Bestimmung und den Werten die mir wichtig sind.
Ich verurteile diese inkonsequente, wenig ehrgeizige, ziellos und planlose Seite an mir. Auch weil uns doch immer suggeriert wird, das wir für alles einen Plan brauchen und ehrgeizig unsere Ziele verfolgen müssen. Ich versuche fast schon krampfhaft so ein Ziel für mich festzulegen. Letztes Jahr hätte ich fast geheiratet, weil ich dachte eine Familie zu gründen sei so ein Ziel. Es fühlte sich nur einfach furchtbar an. Ich hab die Notbremse gezogen und alles abgesagt. Nun stehe ich wieder ziellos hier und vielleicht ist das genau richtig 😉
Danke dir.
Ich werde deine Webseite mal genauer unter die Lupe nehmen 🙂
Liebe Grüße.
Liebe Sophie,
danke fürs Teilen deiner Erfahrungen!
Ich kann dir versprechen: Das Leben fühlt sich wesentlich lebendiger an, wenn du es geschehen lässt und nicht zwanghaft irgendwo hin willst. Der Sinn ergibt sich unterwegs und nicht durch ein hoch gestecktes Ziel.
Fang doch einfach im Kleinen an: Was bringt deine Herz zum leuchten und auf welche Dinge hast du schon lange keine Lust mehr? Dann einfach mehr von dem einen und weniger von dem anderen. Wenn du dich daran konsequent orientierst, lebt sich das Leben ganz von allein, ohne dass du über Ziele nachdenken brauchst.
Ganz liebe Grüße und viel Freude beim Stöbern
Mischa