Freiheit ist, sich selbst auf die Schliche zu kommen, was Freiheit wirklich ist.

Dieser Satz kam mir gerade, als ich mein eigenes Zitat „Freiheit ist, an einem Ort zu sein, von dem ich nicht mehr davonlaufen muss“ gelesen habe, das gerade mal 3 Wochen alt ist und die ganze Zeit drauf lauerte, veröffentlicht zu werden.
Waaas, Freiheit soll sein, an EINEM Ort zu sein? Mein Verstand mag da noch nicht mitgehen. Mensch Mischa, du Rumtreiber, Freiheit ist doch, für Seminare und Spaß an der Freud von Schweden bis Portugal jederzeit mit deinem Womo herumdüsen zu können und dich nie festlegen zu müssen, oder? Wenn Freiheit dein höchster Wert ist, dann musst du das beibehalten. Zugvogel und so, you know. Überall und nirgends. Jeden Tag die neue Möglichkeit, alle Zelte abzubrechen und neue Menschen und Regionen kennenzulernen.

Stimmt! Zumindest rückwirkend betrachtet. Dieses Lebensmodell, das mich in mehr oder weniger starker Ausprägung von 2014 bis 2021 (haha, da isser wieder der 7-Jahres-Zyklus) getragen hat, war tatsächlich mein Tor zur Freiheit. Der Durchgang aus dem Gefängnis von Ängsten, Selbstaufgabe, Sklaven-Job im Konzern und Käfighaltung beim Wohnen in der eng bebauten Siedlung hinein in komplett neue Erfahrungswelten. Job kündigen, unterwegs sein, draußen sein, Raum, Weite, Millionen neuer Erlebnisse, Natursensationen, Begegnungen – das alles waren Meilensteine meiner Entwicklung. Die Freiheit, nach der mein ganzes System jahrzehntelang so laut geschrien hatte. Und meine Geistführerin sich wahrscheinlich genauso lang gedacht hatte: „Herrgott nochmal, wie viel Leid braucht der Kerl denn eigentlich noch, bis er endlich aufwacht?“

Aus dem alten Leben herauskatapultiert

Diese Freiheit des Aufbruchs, des Unterwegsseins, des Aufhebens aller zeitlichen und örtlichen Beschränkungen (um Urlaubs- und Brückentage zu feilschen empfand ich als eine der entwürdigsten Dinge meines Lebens – darf’s noch a Scheiberl Sklaverei mehr sein?) war überlebensnotwendig für mich. Ich danke Gott aus tiefstem Herzen für diese Eingebung im Herbst 2013 (ich kündige und mache eine Europatour), die mich aus dem alten, engen, angstbesetzen, zähen Leben förmlich herauskatapultiert hat. Tatsächlich habe ich erst dann, im zarten Alter von 42, eine Ahnung davon bekommen, wie sich Leben in echt anfühlen kann.

Break. Sonntag, 23. Januar 2022. Heute ist Tag 2 des Kennenlernens auf dem Yogahof. Gestern Abend haben meine Frau Nicole und ich die Ampel auf Grün gestellt. Go! Es ist Zeit für ein neues Abenteuer. Wir ziehen in eine Gemeinschaft aufs Land, wenn diese uns will. (und wie krass wegweisend die Entscheidung ist, merke ich daran, dass allein beim Schreiben darüber mein ganzer Körper vibriert und mir schon wieder Tränen in die Augen schießen) Ich liege also während meiner morgendlichen Yoga-Übungen auf dem Boden in Rückenlage. Kissen unter der Wirbelsäule, Arme seitlich von mir gestreckt, Herzöffnung. Da kommt er, dieser Satz: „Die Suche ist vorbei.“ Mich schüttelt es durch und durch. Dabei weiß ich ja noch nicht mal, ob wir die Wohnung bekommen. Also klar weiß ich es tiefsten Inneren, und das schon seit 10 Tagen. Deshalb ist es auch keine Überraschung, dass die Gemeinschaft uns dort eine Stunde später sagt, dass sie uns unbedingt wollen. Wohlgemerkt, bevor der zweite Kennenlerntag überhaupt begonnen hat und sie sich normalerweise einige Tage Nachspürzeit geben.

Mein Verstand sucht noch verzweifelt nach Gründen, warum das echt gar nicht geht. Erinnert mich an feste Regeln (kein Alkohol, kein Fleisch, verpflichtende Mitarbeit) und was sonst noch aus seiner Sicht meine Freiheit einzuschränken droht. Ja, ich höre es, nehme es zur Kenntnis. Und weiß: Das sind nur Gedanken der Angst. Angst, das Gewohnte und Bequeme aufzugeben. Doch – und das ist zum Glück das Einzige, was wirklich zählt – ist die Empfangsstation meines Herzens so heftig am Leuchten. Alles, wirklich alles zieht mich dorthin. Ich weiß es einfach, weil ich noch nie zuvor so ein starkes Energieband zu einem Ort und den dort lebenden Menschen gespürt habe. Kundalini Energie und so. Wenn du weißt, wovon ich spreche, weißt du, wovon ich spreche …

Regeln als Rahmenkonstrukt der Freiheit

Dieser Ort hat auf uns gewartet. Ein Ort, von dem ich nicht mehr davonlaufen muss, weil er mir zu eng, zu betonverbaut, zu perspektivlos war – und bei dem ich so viele Energien von Menschen auf so nahem Raum spüren musste, mit denen mich nichts verbindet, außer in derselben Straße zu wohnen. Ja, hier konnte ich alles tun – und war trotzdem so oft auf der Flucht.

Plötzlich wird mir klar: Ich darf Freiheit nochmal komplett neu für mich definieren. Die wahre Freiheit besteht nicht darin, dauernd unterwegs zu sein und sich an keine Regeln halten zu müssen. Freiheit ist, an einem Ort zu sein, von dem ich nicht mehr weglaufen muss. An dem die Regeln das Rahmenkonstrukt der Freiheit sind. Angekommen. Die Flucht ist vorbei. Dankbar dafür, mir auf die Schliche gekommen zu sein, was Freiheit wirklich ist.