Steffi Australien

Eine der größten Herausforderungen des Lebens – wenn nicht gar die größte überhaupt – ist es, seinen Ängsten ins Auge zu schauen. Das müssen nicht gleich mit einer Angststörung einhergehende Panikattacken sein. Viele kleine und große Ängste hindern uns täglich daran, unser Leben in all seinen Möglichkeiten auszuschöpfen. 

In der neuen Serie “Nur Mut”, die ab jetzt regelmäßig auf diesem Blog erscheint, befrage ich Menschen, die sich ihren Ängsten in den unterschiedlichsten Bereichen gestellt haben. Diese erzählen, wie sie davon profitiert haben und welche Auswirkungen das auf ihr Leben hatte. Zudem werden im Lauf der Zeit auch Experten zu diesem Thema zu Wort kommen. 

Los geht es heute mit Steffi, Jahrgang 1980, aus Darmstadt, Diplom-Sozialpädagogin, die momentan in ihrer Arbeit mit Kleinkindern zu tun hat. Sie ist einfach mal auf eigene Faust auf eine neunmonatige Weltreise losgezogen. Mehr darüber kannst du auf ihrem Blog Steffis Traumzeit lesen.

 

Hi Steffi, von welchem neuen Reiseziel träumst du gerade?

Aktuell suche ich das Ziel für meinen Urlaub im November. Ich möchte Strand, Sonne, Meer, Entspannung und die Seele baumeln lassen. Und im Anschluss an die entspannten Tage noch ein bisschen erkunden, erleben und unterwegs sein. Ich denke, es wird Thailand!

Es klingt kurios: Du schreibst auf deinem Blog, du hättest aus Angst vor dem Alleinreisen zu oft auf das Reisen ganz verzichtet. Und dann ziehst du los und machst gleich eine neunmonatige Weltreise allein. Wie hast du es denn geschafft, die Angst auf so beeindruckende Art zur Seite zu schieben?

Die Neugier und das Wollen dieser Reise haben irgendwann die Angst überwogen. Ich hatte die Idee dieser Weltreise, habe angefangen Blogs zu lesen, Reiseführer zu wälzen und war zunächst nur begeistert. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wann genau und wie diese Idee kam, aber ich war besessen davon, auf Weltreise zu gehen. Die Ängste kamen, je näher der Abreisetag rückte und je mehr Fragen Freunde, Bekannte und Familie gestellt haben. Je mehr ich auf mögliche Situationen und Gefahren hingewiesen wurde, desto mehr Angst bekam ich. Aber das innere Gefühl, losziehen zu wollen, und die Vorfreude haben irgendwann alle Ängste unwichtig gemacht. Und ganz entscheidend war auch das Wissen: Wenn es nichts wird, dann fliege ich eben einfach wieder nach Hause. Aber ich habe es gewagt und muss mich nicht im Alter fragen: Was wäre gewesen wenn …?

War es ein längerer Prozess, um zu diesem Punkt zu kommen – oder hat es auf einmal Klick gemacht?

Die Entscheidung für die Reise war einfach irgendwann da. Ich kann mich nicht mehr erinnern, woher sie kam. Wie oben schon erwähnt, war ich von dem Moment an wie besessen von der Idee der Reise. Das hatte ich schon einmal vor ein paar Jahren, als ich die Idee hatte, den Jakobsweg zu gehen. Auch damals habe ich alles darüber aufgesogen und mich durch nichts beirren lassen. Das Gehen des Jakobsweges war eines der tollsten Erlebnisse die ich hatte. Und so war ich überzeugt davon, dass – wie damals – alles gut werden würde.

Steffi Bali

Was waren die Dinge, vor denen du dich am meisten geängstigt hast, und wie bist du diese dann angegangen?

Meine größte Angst war tatsächlich: Was wenn ich keinen Anschluss finde? Wenn ich immer nur alleine beim Essen sitzen muss? Außerdem hatte ich dann irgendwann auch Bedenken, wie das so sein wird als Frau alleine unterwegs. Ist das sicher?

Hast du dann auch die Erfahrung gemacht, dass letztlich nie etwas auch nur annähernd so schlimm ist, wie man es sich in seinen Horrorvisionen ausmalt?

Also für den Fall der Weltreise kann ich das zu 100% bestätigen. Ich hatte eine verdammt gute Zeit und habe mich nie unsicher gefühlt alleine als Frau. Auch nicht, wenn ich doch mal alleine im Dunkeln unterwegs war. Und auch das mit dem Anschluss hat gut geklappt. Irgendwann lernt man auch das Leute anquatschen, und mit jedem Mal fiel es mir leichter.

Du hast ja nicht nur den Entschluss zur Reise gefasst, sondern auch noch Job und Wohnung gekündigt sowie deine Sachen verkauft oder verschenkt. Dieser Schritt würde den meisten Menschen noch mehr Angst machen, als allein auf Reisen zu gehen. Wie war das für dich?

Dieser Schritt war wie eine Befreiung. Endlich alles los, endlich frei, endlich bereit loszuziehen. Ich bin ein Sammler. Ich kann mich schwer von Dingen trennen. Zumindest war es vor der Reise so. Es fiel mir anfangs auch wirklich schwer, Dinge für den Flohmarkt raus zu sortieren oder wegzuwerfen. An Freunde weiterschenken hat ganz gut geklappt. Aber im Nachhinein war es genau, was ich gebraucht habe. Ich fühlte mich leichter und freier! In meiner neuen Wohnung habe ich auch schon wieder aussortiert, weil ich gemerkt habe, wie ich wieder in alte Muster zurückfalle.

Steffi Kambodscha

Nach diesem konsequenten Schritt und der darauf folgenden Reise bist du nach deiner Rückkehr aber fast genauso konsequent wieder in den Alltag zurückgekehrt, wie du schreibst. Neuer Job, neue Wohnung, ansonsten business as usual. Zerreißt es dich da nicht manchmal, jetzt wo du weißt, wie sich echte Freiheit anfühlt?

Es zerreißt mich ständig! Eigentlich hätte ich schon nach zwei, drei Monaten wieder los gewollt. Nicht unbedingt gleich wieder auf Weltreise, aber ein bisschen hier, ein paar Wochen dort. Die Begegnungen mit Menschen aus verschiedensten Ländern und Kulturen, die täglichen Herausforderungen, die Organisation der Weiterreise, die Unterkunftssuche … Immer wieder Neues zu entdecken und erleben, die tatsächliche Freiheit, das fehlt mir so sehr! Ich vermisse das Unterwegssein unglaublich stark. Ich konnte viel weniger von der Reise mit in den Alltag nehmen, als ich gehofft hatte.

Wie groß ist dein Drang, wieder auszubrechen?

Riesig! Nicht auszuhalten. Der Drang ist so „schlimm“, dass ich eigentlich schon wieder den nächsten Ausstieg plane.

Noch einmal zurück zu deiner Weltreise. Zu den Dingen, vor denen man zu Recht ein wenig Bammel haben kann, gehört sicher, sich mit einem Auto irgendwo im Nirgendwo hinzustellen und eine Nacht zu verbringen. Und dann auch noch allein als Frau. Wie bist du damit umgegangen?

Das ist eine gute Frage! Irgendwie bin ich gar nicht damit umgegangen. Vielleicht naiv, aber ich hatte mir da keine großen Gedanken gemacht. Klar war für mich nur von Anfang an, dass Übernachten im Zelt ausscheidet, weil alleine im Zelt schlafen echt gruselig ist. Das Auto hat mir irgendwie Sicherheit gegeben. Und auf den ersten Campingplätzen war auch immer recht viel los, so dass ich immer ein sicheres Gefühl hatte. Ich war eine Weile mit zwei anderen Mädels in die gleiche Richtung unterwegs, und wir haben uns oft abends auf dem Campingplatz getroffen.

Ich hatte eigentlich nur zweimal ein komisches Gefühl. Einmal, als ich in Australien keinen Campingplatz gefunden habe und dann auf einem Parkplatz übernachtet habe und neben mir ein – erst mal ein bisschen unheimlich wirkender Typ – mit seinem Camper geparkt hat. Wir sind dann aber ins Gespräch gekommen, und er war sehr liebenswert und lustig. Er meinte ich solle mir lieber Gedanken machen, dass keine Polizei vorbei kommt, denn eigentlich dürfe man dort nicht übernachten. Und in Neuseeland stand ich einmal ganz alleine auf einem Platz, es war total stürmisch, und die Geräusche des Windes waren schon teilweise recht gruselig. Und als dann um ziemlich genau Mitternacht plötzlich doch noch ein Auto auf den Platz fuhr, bekam ich kurz einen Gespenstergeschichten-Panikanfall.

Was gibst du nach all deinen Erfahrungen anderen Frauen mit auf den Weg, die sich vor dem Alleinreisen fürchten?

Probiert es aus! Seid mutig! Was ist das Schlimmste, was passieren könnte, wenn Du es ausprobierst? Wenn Du mit diesem worst case umgehen kannst, dann trau Dich! Und wenn Du unterwegs merkst, dass es einfach nicht Dein Ding ist, dann kehr wieder um. Lieber umkehren, als sich mit 70 zu fragen: Was wäre gewesen wenn…? Ach hätte ich damals doch nur …, dann vielleicht wäre …

Auf deiner Bucketlist der Dinge, die du in deinem Leben noch unbedingt tun willst, steht unter anderem „Mit dem Camper durch Europa“. Ich bin ja seit vier Monaten auf diese Weise unterwegs und kann dir nur raten: Tu es! Hast du schon einen Plan, wann du das angehen willst?

Am liebsten gleich nächstes Frühjahr! Aber realistisch gesehen muss ich erst mal das richtige Fahrzeug finden und dann auch noch Kohle übrig haben, um die Reise zu finanzieren. Also heißt es im Moment viel Sparen! Aber ich bin da optimistisch, es wird laufen wie mit dem Jakobsweg und der Weltreise. Wenn es so weit ist, dann werde ich es wissen und wie besessen darauf hinarbeiten. Und bis dahin gibt es auf der Bucketliste ja noch viele weitere Punkte.

Ergänze zum Schluss bitte folgenden Satz: Das beste Mittel gegen die Angst ist …

Sich ihr zu stellen!

Vielen Dank für das Interview, Steffi!