Hast du schon einmal versucht „Hej“ zu sagen (weiter im Norden von Schweden gerne auch wie „Hei“ ausgesprochen), ohne dass es dir dabei die Mundwinkel nach oben zieht? Also es zu schaffen, dass du nicht bei der Begrüßung schon lächelst?
Für mich ist das einer der entscheidenden Punkte, wieso ich Schweden so liebe. Weil ich es mag, wenn ich angelächelt werde, weil ich gerne selbst lächle oder zurücklächle, weil das einfach sofort positive Energie weckt. Weil mir das Lachen selbst in den größten Krisen nie komplett abhandengekommen ist, weil ich auch über das viele Lachen und meinen Humor vor einem Jahr wieder in die Spur gefunden habe. Für mich ist Lachen ein essentieller Bestandteil eines erfüllten Lebens!
Du entgehst dem Lächeln in Schweden nicht
Und deshalb tut Schweden so gut. Es ist völlig egal, wo du hinkommst: Du entgehst dem Hej und dem Lächeln nicht. Ob im Supermarkt, im Restaurant, bei McDonald’s (bitte meine Slow-Food-Freunde überlest das großzügig), auf dem Campingplatz, überall dieses Strahlen. Diese ernstgemeinte Herzlichkeit, die du an den Augen, den Gesten, an allem erkennst. Wie wohltuend!
Habe ich das Personal belästigt?
Und jetzt ein kurzer Vergleich mit Deutschland (löbliche Ausnahmen bitte nicht angesprochen fühlen): Oft komme ich mir wie ein Eindringling vor, der sich erlaubt, beim Einkaufen das Personal zu belästigen. Da werden dir Begrüßungen nur so entgegen gerotzt, das Wechselgeld hingeknallt, zum Abschied noch ein „Schönen Tag/Wochenende/Feiertag/ …“ gewünscht, der sich meist so anhört wie: „Hau endlich ab, ich kann meinen Job und dich nicht leiden, aber das muss man ja zu Kunden sagen.“ Oder die übellaunige Bedienung im Restaurant, die bei jedem Wunsch „gerne“ flötet und dabei einen Gesichtsausdruck macht, wie wenn ich ihr gerade eröffnet hätte, dass ich sie für 100 Kamele in den Nahen Osten verkauft habe.
Warum sind die Deutschen so muffelig?
Allgemein die Kommunikation. Jetzt bin ich doch schon eine ganze Weile unterwegs und habe jede Menge Menschen aus anderen Ländern getroffen. Und ja, alle meine schlimmen Vermutungen wurden bestätigt, ja sogar übertroffen: Wir Deutschen sind das muffligste Volk, das sich so weit und breit herumtreibt (und das haben mir leider schon viele Einheimische an diversen Orten bestätigt). Ich persönlich habe es inzwischen aufgegeben, Deutsche ab einem Alter über 50 anzusprechen. Es gibt da tatsächlich welche, die dich sogar ignorieren und so tun, als ob du chinesisch redest. Frei nach dem Motto: Was erlaubt der sich, uns in unserer wohlverdienten, langweiligen Zweisamkeit zu stören.
Ja, ich kann reden!
Absoluter Höhepunkt war eine Begegnung in Cambridge: Da stolpert ein fülliger Mann um die 65 samt seiner Frau circa einen Meter an mir vorbei, der ich gerade vor meinem VW-Bus sitze. Er schaut mich an, schaut mein Nummernschild an und sagt zu seiner Frau: „KE – ich glaube, das ist auch in Bayern.“ Und geht weiter. Leider ist mir erst zu spät eingefallen, dass ich ihm hätte nachrufen müssen: „Ich sehe zwar nicht so aus, aber ich kann hören UND reden.“
Schwedische Exportschlager außer Ikea
Aber genug des Deutschen-Bashings, ich wollte ja eigentlich noch mehr Liebesgrüße nach Schweden schicken. Denn um folgende Dinge beneide ich dieses Land und könnte mir eine Übernahme in Deutschland als echten Exportschlager vorstellen:
– ALLE reden Englisch. Wirklich alle. Vom Topmanager bis zur Putzfrau im Supermarkt. Das macht eine Reise durch dieses Land so wunderbar unkompliziert. (Dass die meisten der vorher beschriebenen Landsleute trotzdem meinen, dass sie überall ein Anrecht drauf haben, dass Deutsch mit ihnen gesprochen wird, muss ich wohl nicht extra erwähnen.)
– Es gibt genug öffentliche Toiletten. Diese sind hell, groß und sauber (sogar auf Bahnhöfen!!!). Und kostenlos (sogar auf Autobahn-Raststätten!!!). Keine Geldmacherei mit den ureigensten Bedürfnissen der Menschen. Wenn ich da in die Verhältnisse in Deutschland denke, müssten sich alle Beteiligten abgrundtief schämen. Wir sind so ein reiches Land, aber in dem Bereich nur auf Entwicklungshilfe-Niveau.
– Stockholm. Ich beantrage, dass jede deutsche Großstadt so aussehen muss. So viele schöne Menschen, zig Modestile (Minirock mit Gummistiefeln ist hier cool und nicht wie bei uns ein Grund zum Lästern), diese maritime Entspanntheit trotz all des Hauptstadttreibens, überall Wasser – einfach eine superlässige Metropole.
– Die Aufgeschlossenheit und Bereitschaft, dir wo immer es geht zu helfen und das Leben leichter zu machen. Die Erfahrung hatte ich bei uns bisher nur in Hamburg gemacht. Genau, dieses Hamburg, von dem immer alle behaupten, dass die Leute dort so zugeknöpft seien (wer auch immer diese Geschichte erfunden hat).
Das Fazit
Und die Moral von der Geschicht‘: Beim ersten Skandinavien-Trip 2012 habe ich mich schon in Schweden verliebt, nun ist es dank längerer Kennenlernzeit sogar die große Liebe geworden. Nicht, das ich falsch verstanden werde: Ich mag Deutschland sehr. Aber ich denke, von den Schweden könnten wir uns noch ganz schön viel abschauen. Hej då! (das heißt: Tschüss).
Foto: Henrik Trygg/mediabank.visitstockholm.com
He! So begrüßt man sich auf meiner Insel. Auch nicht schlecht oder?
He Sabine! Ganz sicher nicht 🙂 Und Norderney liegt ja schon fast in Skandinavien
Hej hej,
Sag mal, musste dieser Blogeintrag sein??
Jetzt will ich wieder nach Schweden! <3
Mit dem englisch stimmt tatsächlich. Vielleicht sollten auch vermehrt mal deutsche TV Sender US-Serien im originaltitel bringen!?!
Und das mit der deutschen Freundlichkeit stimmt definitiv. Gestern erst wieder im Supermarkt erlebt…
Wie dem auch sei, viel Spaß weiterhin, Mischone!!!
Ja lieber Benjo, das musste sein! Das juckte mich schon lang in den Fingern.
Danke dir, und den Spaß, den gönn ich mir 🙂
Hej Micha,
ich persönlich liebe die nördliche Länder auch sehr. Es ist zwar etwas länger her, dass ich in Schweden war, aber ich hatte auch ähnliche Erfahrungen gemacht. Dein Bericht macht richtig Bock auf Schweden. Ich werde in nächsten Jahren einige Trips mit dem Fahrrad planen. Nächstes Jahr ist erst Frankreich daran. Vielleicht 2015 Schweden? Mal sehen. Du hast mir auf jeden fall einen Floh ins Ohr gesetzt.
Dir eine schöne Zeit und bin mal gespannt, wo du als nächstes landest.
LG, Afschin
Hej Afschin,
das freut mich sehr, dass ich dich ein wenig inspirieren konnte!
Fahrrad-Trip klingt auch sehr cool. Konnte ich mir ne Weile lang gar nicht mehr vorstellen. Aber seit ich da einige gute Typen getroffen habe (z.B. Polen, die auf die Lofoten gefahren sind), nun doch wieder. Dann lass mich wissen, wo es dich hin verschlägt und wie es dir dabei geht.
Liebe Grüße
Mischa
Hey Mischa,
nach Schweden möchte ich auf jeden Fall auch mal. Dein Beitrag hat den Wunsch nur bestärkt. 🙂
Ich habe zwar keinen Vergleich, aber dieses generelle – ich nenne es jetzt mal – “Deutschland Bashing” kann ich so nicht unkommentiert stehen lassen. Ich treffe auch hier sehr oft auf gut gelaunte Servicekräfte, Bedienungen – überhaupt auf Menschen die gute Laune haben (du hättest z.B. mal die Klofrau beim Sade-Konzert in Köln sehen sollen – die hat Laune gemacht). Anders herum habe ich auch schon in Amsterdam (wo ich die Leute generell als sehr nett/geduldig empfunden habe) schon unfreundliche und unmotivierte Sercvice-Kräfte erlebt.
Ich glaube die gibt es einfach überall. In der Heimat fällt es glaube ich einfach am ehesten auf.
Nichts desto trotz freue ich mich, dass du in Schweden auf sie viele lachende Gesichter getroffen bist.
Viel Spaß weiterhin auf deinem Trip! 🙂
LG KAi
Servus Kai,
das sollte auf keinen Fall ein generelles Deutschland-Bashing werden. Aber die Unterschiede im Bereich Service, vor allem in den diversen Geschäften, finde ich schon eklatant zu meinem Heimatland. Und ich war zusammen mit meiner Tour 2012 schon viele, viele Wochen in Schweden und habe nicht eine mufflige Kassierin, Bäckereiverkäuferin, Angestellte von städtischen Verkehrsbetrieben etc. erlebt. Das ist also kein rosa gemaltes Bild, sondern meine erlebte Realität.
Ich weiß, dass es vor allem in den Großstädten inzwischen in Deutschland im Bereich Gastroservice viele professionelle, gute und gut gelaunte Kräfte gibt – zum Glück. Und natürlich habe ich die auch schon oft genug erlebt – aber das Gegenteil leider noch wesentlich häufiger. Ich weiß nicht, welches Problem wir in Deutschland mit dem Freundlichsein haben, aber für mich ist in dem Bereich noch ganz viel Luft nach oben – vor allem, wenn ich hier Schweden und Norwegen als Maßstab nehme.
Ich bin ja in drei Wochen in Berlin, und schildere dir gerne meine Erlebnisse diesbezüglich. Falls ich dann zumindest auf die Hauptstadt bezogen alles zurücknehmen muss, was ich geschrieben habe, dann tue ich das gerne 🙂
Liebe Grüße
Mischa
Wow! Jetzt will ich AUF JEDEN FALL nach Schweden! 🙂
Lass es mich wissen, wie es Dir in Berlin ergangen ist.
LG KAi
Jawoll, wieder einen angefixt 🙂
Und natürlich lass ich dich das wissen.
LG
Mischa
Hej!
Super Artikel! Ich war selbst erst letzte Woche in Schweden und die Situationen poppten in meinem Kopf nur so auf, als ich jeden deiner Punkte las.
Anfangs war ich ganz überrascht wie freundlich jeder “Hej” zu einem sagt, bis ich überrissen hatte, dass man damit jemanden nicht bewusst freundlich duzen möchte, sondern das es eine gängige Begrüßung ist, was es gleich noch schöner macht.
Absolut sehenswert das Land!
Hi Chris,
freut mich, dass du ähnliche Erfahrungen wie ich gemacht hast. Dieses Land ist für mich allein aufgrund der Freundlichkeit immer eine Reise wert.
Liebe Grüße
Mischa
Hej
Es ist zwar ewig her, dass du diesen Post geschrieben hast, aber ich habe dich erst jetzt gefunden und ich finde deine Beobachtungen der Schweden so schön. Ich liebe Schweden, und speziell Stockholm, genau für diese von dir genannte offene Freundlichkeit und Gelassenheit. Ich habe 2010/11 einen riesigen Sprung über meinen Angstgraben gewagt und ein Auslandssemester in Stockholm verbracht, was sich als beste Entscheidung meines Lebens heraus gestellt hat. Eine entspanntere Vorweihnachtszeit habe ich nie erlebt. Niemand drängelt, niemand rempelt dich an oder verbreitet Stress und Hektik. Besonders wenn man aus der Mainmetropole Frankfurt kommt, ist das eine sehr willkommene Abwechslung.
Ich würde deiner Liste noch zwei Dinge hinzufügen. Ich liebe es, dass selbst in der Hauptstadt Schwedens die Natur nur einen Katzensprung entfernt ist. Man fährt 10 Minuten mit der Bahn und steht im Naturschutzgebiet. Umgeben von Bäumen, Wasser und Ruhe. Und was ich am Meisten vermisse,…wenn man einen Hallonpaj (Himbeerkuchen) bestellt, wird man immer gefragt, ob man ihn warm und mit Vanillesoße haben möchte. Ja, bitte!
Ich werde mich jetzt bei dir weiter umsehen,
mir gefällt es hier nämlich ziemlich gut.
Liebe Grüße aus dem sonnigen Südhessen
Nina
Hi Nina,
das freut mich besonders, dass du diesen Artikel entdeckt hast, denn er gehört zu meinen Lieblingen 🙂 Allein bei der Erinnerung an die entspannte Zeit in Skandinavien geht mir schon wieder das Herz auf.
Finde ich klasse, dass du dort mal ein halbes Jahr gelebt und auch so wunderbare Erfahrungen gemacht hast. Und ja, ich liebe auch alle warmen Dinge mit Vanillesoße und die schwedisch-süßen Leckereien 🙂
Vielen Dank für deinen Kommentar und noch viel Freud beim Schmökern hier.
Liebe Grüße
Mischa