“Und was ist mit Nicole?” Wie oft habe ich diese Frage in den letzten Monaten gehört. Oft kam sie sogar schneller als die Frage, warum ich mich auf den Weg mache, was mich antreibt, wieso ich meinen Job hingeschmissen habe.
Ja, und es tat mir in dem Moment weh, dass ich mich dafür rechtfertigen muss, dass ich meine Frau allein daheim lasse, während ich auf große Reise gehe. Denn all diese Fragen nach Nicole implizierten, dass ich der böse Egoist bin, der aus Spaß ein bisschen in der Weltgeschichte herumreißt und dabei keine Sekunde an seine Liebste denkt.
Leider haben diese Menschen meine Vorgeschichte dabei außer Acht gelassen. Lebenserfahrungen, die ich in dieser Ausgeprägtheit niemand anderem wünsche. Erfahrungen aber, die mir gezeigt haben, wie mein Leben von nun an aussehen muss, dass ich nur noch auf meinen Körper hören darf und nicht auf kluge Ratschläge von anderen.
Kurz gesagt, geht es darum, Dinge zu tun, zu sagen, zu spüren, die MIR gut tun und nicht anderen. Das ist Selbstliebe – und kein Egoismus! Ich bin in der Früh der Erste, der mir begegnet und mit dem ich auskommen muss und abends der Letzte, dem ich Gute Nacht sage.
Nur wenn es mir gut geht, kann ich gut zu anderen sein
Und weil das so ist, muss es mir gut gehen. Das ist die Botschaft Nummer eins. Nur wenn das der Fall ist, kann ich auch gut zu anderen sein. Und bei all der Wehmut über unsere längere Trennung hat Nicole das zum Glück verstanden. Sie weiß, dass ich dieses einschneidende Erlebnis jetzt brauche, dass ich kreuzunglücklich wäre, wenn ich mich jetzt nicht auf den Weg mache.
Sie war diejenige, die in den letzten Jahren am meisten darunter gelitten hatte, dass ich mich selbst nicht mehr lieben konnte, dass ich irgendwie fremd im eigenen Körper war. Und sie war diejenige, die am glücklichsten war, als es mir nach kurzer Zeit in der Klinik schon viel besser ging und ich endlich wieder die alte Fröhlichkeit zurück hatte.
Natürlich haben wir viel über meinen Plan geredet, haben gelacht und geweint. Natürlich ist das eine Belastungsprobe, eine spezielle Situation, die wir so noch nie hatten. Aber uns beide verbindet ein riesengroßes Vertrauen und die Erkenntnis, dass individuelle Freiheit etwas Zentrales ist.
Wir gehören fest zusammen, und gehen doch beide unseren eigenen Weg. Auch das ist nicht Egoismus, sondern Selbstliebe. Egoismus wäre, mich an den anderen zu klammern, zu erwarten, dass mein Glück von seinem Verhalten abhängt. Aber wie schon erwähnt hängt mein Glück von meinem eigenen Verhalten, von meiner Einstellung, von meinen Gedanken, von meiner Selbstliebe ab.
Helfersyndrom macht unglücklich und krank
Der klassische Patient einer psychosomatischen Klinik ist nach meiner (zum Glück kurzen) Erfahrung ein Mensch mit Helfersyndrom, ein Perfektionist oder auch gerne beides zusammen. Helfersyndrom heißt, dass ich stets schaue, was ich anderen Gutes tun kann, mich dabei aber selbst komplett aus den Augen verliere. Der Helfer ist stets für andere da und zieht sein Selbstwertgefühl daraus, dass er von den anderen Anerkennung bekommt, weil er gut zu ihnen war.
Ich dagegen habe festgestellt, dass mein Selbstwertgefühl und mein Selbstvertrauen in die Höhe geschossen sind, seit ich zuerst an meine Bedürfnisse denke. Bin ich nämlich mit mir selbst im Reinen, habe ich auch plötzlich viel mehr Energie, mich um andere zu kümmern, wenn sie mich wirklich brauchen. Zuzuhören, wenn mir jemand etwas Wichtiges sagen will. Zu spüren, wenn es jemandem schlecht geht und nachzufragen. Ich bin sensibler, aufnahmebereiter, spare mir gute Ratschläge und versuche Dinge eher über die “Ich denke mich in dich hinein”-Ebene zu lösen. Das tut gut und ist ausdrücklich zur Nachahmung empfohlen. Egoismus ist das aber sicher nicht.
Zum Schluss noch dies: Ich bin wahnsinnig stolz darauf, eine so unglaublich liebe und verständnisvolle Frau zu haben, mit der ich seit 14 Jahren herumalbern und noch immer verliebt Händchen haltend durch die Stadt laufen kann. Deswegen widme ich ihr dieses Titelbild, das mir gestern erst in die Hände gefallen ist, als ich zusammen mit ihr unterwegs war.
Hut ab! Ich wünschte ich wäre schon soweit wie du. Ich steh noch am Anfang dieses Prozesses. Lass es DIR gut gehen dann gehts auch den Anderen gut. Genieße die Zeit!
Danke Sabine. Und du weißt ja: Der Anfang ist das Wichtigste. Dann kommt alles mit der Zeit ins Rollen. Liebe Grüße
Lieber Mischa,
also ich persönlich dachte eigentlich von Anfang an: Wow, was für eine großartige und starke Frau!
Das wollte ich schon länger mal gesagt haben. Jetzt unter diesen Artikel passt es ja wunderbar 🙂 Und ich freue mich schon drauf, hier etwas aus ihrer Sicht zu lesen (du hattest irgendwo mal sowas erwähnt).
Mach dir keine Gedanken darüber was die anderen denken, vielleicht steckt manchmal auch Neid dahinter? Ihr macht das toll!
Liebe Grüße
Bettina
Liebe Bettina,
ja, da kann ich dir in allen Punkten nur zustimmen 🙂 Ich werde ihr gleich von deinem Kommentar erzählen!
Im Übrigen gab es schon einen Artikel von ihr, nämlich hier: http://www.adios-angst.de/codewort-12-mai/
Ganz liebe Grüße
Mischa
Hey Mischa, bin durch Zufall auf deinen Blog gestoßen und er lässt mich seitdem nicht mehr los, Häppchenweise lese ich einmal am Tag einen deiner tollen Artikel !! Und du hast recht, es bringt nichts darauf zuschauen was alles nicht klappt, sondern darauf was alles schön ist und das wird dann immer mehr und wächst und wächst –> Das Umfeld bemerkt es und wie du oben so schön schreibst man ist empfänglicher für andere wenn man mit sich selbst im “reinen” ist !!! 🙂
Weiterhin ganz viel Erfolg !!!! VG Anna
Ps.: Worum ich dich echt beneide ist deine Frau – ganz großes Kompliment an Sie – bei mir und meinem Freund sieht das leider anders aus 🙁
Hi Anna,
ganz lieben Dank für deinen wunderbaren Kommentar! 🙂 Ich freue mich immer wieder ganz fest, wenn Leser auf meinem Blog gute Anstöße für sich finden.
Was ist denn mit deinem Freund? Engt er dich in deiner Freiheitsliebe ein?
Ganz liebe Grüße
Mischa