Ach du Scheiße, mehr als zwei Monate seit dem letzten Artikel. War gerade mein erster Gedanke. Dann musste ich lachen.

Die Herren Musterschüler und Leistungserbringer in meinem Kopf plappern zwar nicht mehr so oft und laut wie früher. Doch auf ein vollständiges Sendeverbot konnten wir uns leider noch nicht einigen. Die Gewerkschaft “Vereinigung der Inneren Kritiker” hat da was dagegen.

Abgefahren. Da sitze ich seit Tagen immer wieder am Rechner. Lege einen Artikel an, doch die Tastatur bleibt stumm. Mangels Ideen? Nein, da stehen ein paar richtig gute Themen auf meinem Zettel. Doch keine gut genug für jetzt gerade. Was anderes ist dran. Merke ich und klappe den Deckel meines MacBooks wieder zu.

Die Frage der Fragen: Was ist denn eigentlich los?

Was ist eigentlich los mit mir in diesem Sommer? Warum gab es schon seit ewiger Zeit keine Facbook-Liveinterviews mehr, obwohl ich die so sehr liebe? Warum finden hier keine Worte mehr den Weg in einen Artikel, obwohl ich gerne schreibe? Oder anders gefragt: Warum kritzel ich zwar Notizblock für Notizblock voll, aber bring nichts Sichtbares nach außen?

Die einfache Antwort: Weil ich’s kann 😉

Okay, die ehrliche Antwort:

  • Weil ich nicht mehr gewusst habe, wie ich den unglaublichen Wust an neuen Eindrücken, Gefühlen, Erfolgen und Misserfolgen kanalisieren soll, dass es auch für andere nachvollziehbar ist.
  • Weil dem Mischa, der sonst fröhlich, frank und frei aus seinem Leben plaudert und seine Erkenntnisse mit der Welt teilt, eine Weile lang seine Leichtigkeit abhanden gekommen ist.
  • Weil irgendwas in mir plötzlich gemeint hat, ich müsste jetzt besonders großartige und strategisch wichtige Artikel verfassen, die meine Experten-Kompetenz unterstreichen. Schließlich treibe ich mich inzwischen als hauptberuflicher Mutmacher in der Weltgeschichte herum und verdiene mein Geld nicht mehr als freier Journalist, der viel Zeit fürs Bloggen investiert.

Was bremst mich?

“Ja und was hat dich denn konkret so ausgebremst, lieber Mischa?”, willst du bestimmt wissen.

Als guter Coach müsste ich dir jetzt natürlich ein paar hochtrabende Erkenntnisse präsentieren, die ich ganz schnell herausgefunden habe – verbunden mit einer Reihe formidabler Tipps, wie du das vermeiden oder besser machen kannst. “Nimm die Abkürzung!”, heißt es dann immer so schön im Marketing-Fachjargon der Coaches und Trainer. Sorry, das ist Bullshit. Für den eigenen Weg gibt es keine Abkürzung.

Natürlich können dir aufmerksame Begleiter helfen. Sie schauen mit dir zusammen genau hin, wie gut deine Schuhe sind, deine Grundkonstitution, deine Kondition, dein Orientierungssinn, deine Lust aufs Laufen, deine Versorgung, deine Empfindlichkeit für Sonne, Regen und Wind – und was du alles drüber denkst, wie schwer das Laufen ist.

Sie können dich drauf aufmerksam machen, wo Stolpersteine sind, die du bisher nicht gesehen hast oder wo es sich ganz fluffig laufen lässt. Sie unterstützen dich, feuern dich an, bauen dich auf. Doch eines musst du immer selbst: gehen und im Lauf der Zeit immer besser spüren, ob die Richtung passt. Keine noch so gut gemeinte Abkürzung hilft dir, wenn sie nicht zu deinem momentanen Weg passt.

Der Saboteur, gelangweilt und gut geschult

Zurück zum Thema: Mein gut geschulter Saboteur hat mich ausgebremst. Nachdem er bei einigen meiner Themen schon länger nichts mehr zu melden hat und ihm augenscheinlich langweilig wurde, hat er beschlossen: Nehmen wir mal den Bereich Business, da lassen sich doch schnelle Wirkungstreffer erzielen.

Und buff: Rechte Gerade, linker Haken, der Kamerad zielt echt gut. Zweifel, Unsicherheit, Ängste, Aufschieberitis – die Anfangsphase eines eigenen Business (und ja, mein “Herzensbusiness” hat in vielen Bereichen noch mal eine ganz andere Dimension als das Freelancen) ist ein perfekter Ort für den Showdown mit dem eigenen Saboteur. Oder wie Business-Mentorin Andrea Hiltbrunner immer so schön sagt: “Bevor das Pflänzchen durch die Erde stößt, wird erstmal eine ganze Menge Dreck nach oben gebracht.”

Für alle, die einen Turbo in Sachen Persönlichkeitsentwicklung hinlegen wollen, also der gute Rat: einfach ein eigenes Business starten. Da wirst du mal mit eigenen Themen konfrontiert, von denen du dachtest, dass es die gar nicht gibt. Oder du glaubtest, schon lang einen Haken dran gemacht zu haben.

Die Gründe liegen (so gut wie) nie im Außen

Echt lustig, wie ich eine Zeitlang die Gründe im Außen gesucht habe:

  • zu viel Reisestress
  • zu viel Bürokratie und Steuerkram
  • zu viele Einzelaufgaben, die mich überfordern
  • zu hoher Energieaufwand bei den Coachings und Seminaren
  • zu wenig Kreativität in meinem Home Office

Ich hab tatsächlich mal ein bisschen Opfer gespielt und gejammert. Schließlich haben alle genannten Punkte ein klein wenig Berechtigung. Doch was ich übersehen hatte: Es liegt ausschließlich in meiner Hand, etwas im Außen zu ändern oder bei gewissen Themen meine Gedanken und Glaubenssätze dazu zu hinterfragen. Wem oder was gebe ich da eigentlich die Macht über mich und meine Gefühle?

Dann die Erkenntnis, auf die ich im ersten Moment gerne verzichtet hätte:

Ich sabotiere mich unbewusst, damit es mir nicht zu gut geht.

Falls du dich erinnerst: Letztes Jahr erst habe ich einen Artikel verfasst, der so hieß: Warum du keine Angst haben musst, dass es mir zu gut geht. Sehr lustig.

Dabei hatte ich mir selbst noch nicht die Erlaubnis gegeben, ein abwechslungsreiches Leben UND ein geiles Business zu haben UND trotzdem nicht 80 Stunden die Woche dafür arbeiten zu müssen.

Über das, was an Selbstsabotage passieren kann, wenn im Leben die nächste wichtige Stufe erklommen wird, hatte ich zwar schon in diesem Buch* gelesen. Doch etwas zu lesen und zu verstehen, ist das eine. Es dann auch zu fühlen und gleich bei sich anwenden zu können, das andere …

Ego so: “Hurra!” – Gefühl so: “Jetzt echt?”

Spannende Feststellung dabei: Rein aus der Ego-Sicht hätte ich glücklich sein müssen. Ausgebuchte bzw. sehr gut besuchte Seminare, tolle Kunden, mein Lieblings-Angebot “Intensivcoaching in der Natur”, das sehr gut angenommen wird und bei dem sich richtig viel bewegen lässt, ein Buchvertrag mit einem Verlag, obwohl ich nie irgendwo angefragt hatte. Dazu immer wieder interessante Anfragen für Workshops und diverse Projekte.

“Läuft bei dir”, heißt es dann gerne aus der Außenperspektive. Doch innen hat der Motor leise gestottert. Mal auch lauter. Und das nicht, weil ich auch zwei Seminare wegen zu weniger Anmeldungen absagen musste. Oder weil im Coaching-Kalender noch genug Termine sind, die sich auf Kunden freuen. Das gehört alles zum Geschäft und lässt mich in der Ruhe und im Vertrauen bleiben.

Es war eher die Frage: Was brodelt denn da in mir? Da war immer wieder so viel Unzufriedenheit, Lustlosigkeit, mangelnder Antrieb – und ich bin nicht richtig an das Thema rangekommen.

Dazu die zwei Stimmen: “Alter, stell dich nicht so an, du hast doch ein geiles Leben – und jetzt sieh zu, dass du wieder in deine gewohnte Energie kommst, basta!” Andere Schulter: “Ganz ruhisch, Junge, bleib in der Ruhe, nimm an, was gerade passiert, die Lösung wird sich zeigen. Wie immer.”

Die Wut braucht ihren Platz

Tatsächlich wie immer: Nachdem ich meine Reflexion/Meditation noch viel bewusster auf die Frage gelenkt habe, was mir das Leben gerade sagen will, kamen endlich die Antwort: Zum einen ist da ziemlich viel angestaute Wut (danke meiner lieben Freundin Anja Reiche für ihr Buch*, das ich genau in diesen Tagen in die Hand genommen habe und das mir in einigen Passagen die Augen dafür geöffnet hat). Wut vor allem auf mich selbst, unter anderem wegen meiner ewigen Aufschieberitis. Wut, die mal richtig Platz braucht. 

Wenn die Wut keinen Kanal findet, dann hemmt sie mich im Innen, anstatt sich im Außen zu entladen. Was nicht heißt, dass ich dafür jemanden anschreien oder die Haustür des Nachbarn eintreten muss. Sondern sie einfach komplett als Gefühl wahrnehmen, eingestehen und zulassen.

Schließlich hat Wut eine fantastische Energie, die ungeahnte Kräfte freisetzen kann, wenn ich den richtigen Umgang mit ihr finde. Das habe ich seinerzeit in der Klinik am eigenen Leib erfahren. Trotzdem habe ich mir im Lauf der Zeit nach und nach eingeredet, dass ich ja gar keine Wut mehr habe. Wie soll ich auch, wenn’s mir im Verhältnis zu früher so gut geht?

Wie gut, dass ich diese Lüge nun enttarnt habe und mich schon richtig drauf freue, meine Wut noch besser kennenzulernen. Nachdem ich Anfang der Woche diesen Entschluss gefasst hatte, war ich schon 30 Minuten später bei einem Wut-Seminar angemeldet. Keine halben Sachen mehr. Wie immer

Wo liegt der Koffer voller Abenteuer?

Außerdem brauche ich wieder deutlich mehr Spiel, Abenteuer und Wildheit, damit ich ausgeglichen bin. Ich habe mich schon lange nicht mehr beim Sport so richtig ausgetobt, habe schon ewig nicht mehr dieses Gefühl von “Boah, bin ich im Arsch und war das geil” gespürt.

Auch in dem Punkt wieder eine wunderschöne Koinzidenz. Während ich schon mitten im Erkenntnisprozess bin, veröffentlich der liebe Chris, der schon zwei meiner Mutmacher-Camps besucht hat, folgenden Beitrag auf Facebook, der mich richtig geflasht hat:

Liegen gelassen….

Wo hast du deine Leichtigkeit liegen gelassen?
Wo liegt dieser kunterbunte Koffer voller Abenteuer, Riesendrachen und den Luftballons die dich fliegen lassen?

Augen auf, ein eintauchen in den neuen Tag, gefüllt mit Superhelden Stunts, kunstvollen Tanzeinlagen oder Gemälde die den Zauber der Fabelwelt versprühen… Wo sind diese Momente geblieben?

Ich fühle deine Starrheit wie du versuchst dieses eine Gefühl einzufordern.

Ich erkenne dieses Eis in deinem Blick, das dein tief schlummerndes Funkeln dahinter schützt. Das diese Grossartigkeit beschützt, die niemals wieder verletzt werden will.

Ich spüre deine Angst davor die Kontrolle zu verlieren, machtlos und schutzlos zu sein.

Ich fühle in deinem perfektioniert angepassten Verhalten diesen Schmerz, welcher von dir eines Tages ganz intensiv eingeatmet wurde.

Dieser Schmerz der Zurückweisung, die Unterdrückung und der Veränderung. Der Moment als die Farben verblassten, die Stimme verstummte und die kalte Realität einzog ins Abenteuerland.

Dieser Moment als die bedingungslose Liebe fühlbar gebrochen wurde. Als die Liebe mit Erwartungen gekoppelt wurde.

Dieses Gefühl welches deinen Herzschlag formte.

Dieses Gefühl welches dich niemals enttäuscht.

Dieses Gefühl welches dich trägt wenn du es an die Hand nimmst.

Was ist jetzt deins? Wer bist du und wo sitzt dieses Kind welches in dem Moment sitzen geblieben ist?

Atme ein, sehe dich um und entdecke in dem Moment deine unerschöpfliche Möglichkeit die Abenteuer zu leben.

Dein Statement für die Grossartigkeit und die Liebe.

Das Leben.

Der Saboteur hasst Ehrlichkeit

Warum nach diesen berührenden Worten noch nicht Schluss ist? Weil ich immer das letzte Wort haben will. Ach ne, weil ich sonst nicht gewusst hätte, wie ich die richtige Klammer finde.

Mein wichtigstes Learning einmal mehr: Wenn sich etwas unrund anfühlt, dann nicht weglaufen und verdrängen. Geduldig im Prozess bleiben, hineinspüren, fragen, fragen, fragen – und dann warten, bis die passenden Antworten kommen.

Ja, ich verspreche dir, die kommen immer, wenn du bereit für Ehrlichkeit bist.

Je ehrlicher du bist, je stärker du dich dem aktuellen Schmerz stellst und hinschaust, was los ist und was es jetzt braucht, desto weniger Angriffsfläche hat dein Saboteur.

Der Haken? Die Taten!

Der Haken? Die Erkenntnis allein ist schon mal super. Noch viel mehr hilft es dir, wenn du Taten folgen lässt. Dann windet sich dein Saboteur vor Zorn, während deine Laune steigt.

Bei mir hieß das konkret: zum Seminar angemeldet, einige lang aufgeschobene Dinge erledigt oder in Gang gebracht, Interview-Sendepause beendet (auf dieser Facebook-Seite von Anke Vogler gibt’s am Freitag um 12.30 Uhr ein Live-Interview namens Soultalk mit mir), endlich, endlich, endlich wieder einen Blogartikel geschrieben und gemerkt, wie gut mir das tut.

Nicht zu vergessen ein großer Akt der Freiheit und Selbstliebe: Mein Smartphone geht abends in den Flugmodus, liegt in einem anderen Raum und wird erst mittags aktiviert, außer ich brauche es beruflich dringend. Endlich gehört meine Energie morgens wieder vollständig mir.

Danke, mein Saboteur, für deine treuen Dienste. Ich weiß, dass du es gut gemeint hast und einfach wolltest, dass ich mir nicht zu viel zumute und gut auf mich aufpasse. Versprochen. Und jetzt darfst du gehen. Servus, mach’s guat!

 

Foto: Unsplash.com
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