Ausblick

Ist alles nur ein langer Traum? Manchmal weiß ich morgens beim Aufwachen erst einmal nicht, wo ich gerade bin. Manchmal kommt es mir irgendwie surreal vor, dass ich gerade eine sechsmonatige Europareise mache, meinen Job gekündigt habe, nicht mehr jeden Tag ins Büro marschiere. Genau heute vor 4 Wochen hat meine große Abenteuerreise begonnen, bin ich on the road. Zeit für eine Zwischenbilanz:

Wie es mir geht?

Das ist die häufigste Frage von Freunden und meiner Familie per Whatsapp, Facebook, SMS oder am Telefon. Und dann gebe ich die Standardantwort, die früher zu oft nicht gestimmt hat, gerade aber dafür umso mehr: GUT. SEHR GUT. AUSGEZEICHNET. Natürlich nicht jeden Tag gleich gut (es gab ja auch einige Anlaufschwierigkeiten), aber das wäre auch ein bisschen viel erwartet und nicht realistisch. Ich genieße die Freiheit, die Natur, meine Fahrten mit Dr. D, überraschende Begegnungen, bisher ganz viel Sonne, den großartigen Reise-Soundtrack meiner Freunde und Ex-Kollegen und noch ganz viel mehr.

Was mir die Reise bringt?

Ein toller Freund bei dem und dessen ganz lieber Lebensgefährtin ich die letzten Tage verbracht habe, hat mich kürzlich gefragt: “Bist du für dich selbst durch die Reise vorangekommen?” Hier lautet die klare Antwort: JA. Manchmal kann ich es selbst kaum glauben, dass ich vor gut einem Jahr noch Panik vor dem Autobahnfahren, vor Tunnels, Baustellen, Staus und ein sehr mulmiges Gefühl bei Schifffahrten hatte. Davon ist nichts mehr übrig geblieben. Ich habe mir das durchs unablässige Tun und nicht mehr damit Aufhören erarbeitet. Ich habe bei all diesen Dingen jetzt die Selbstverständlichkeit erreicht, die viele Menschen sowieso haben, aber die für Angstpatienten oft ganz weit weg bis scheinbar unerreichbar ist. Und vor allem: Ich komme mit mir selbst klar, genieße oft das Alleinsein, auch wenn ich mir dann und wann etwas mehr Kontakt zu anderen Menschen gewünscht hätte.

Was ich vermisse?

– Natürlich meine Frau, die Familie, die Freunde, die witzigen Ex-Kollegen.

– Den täglichen Körperkontakt, die kleinen Dinge wie Umarmungen etc. Ich bin aber noch nicht so weit, dass ich Bäume umarme, obwohl das auch eine sehr gute therapeutische Disziplin ist.

– Den traumhaften Allgäuer Bergkäse meines Freundes Thomas Breckle.

– Die Fußballspiele des Vereins, an dem mein Herz hängt, dem VfB Durach.

– Unser kleines, schnuckeliges Gärtchen mit Kugelgrill und Slow-Food-Schnecke.

Was ich nicht vermisse?

– Meinen Job als Sportredakteur inklusive der ermüdenden täglichen Routine.

– Mich von Vorgesetzten herumscheuchen zu lassen und Teil eines streng hierarchischen Systems zu sein, das zunehmend auf Angst und Ausbeutung der Mitarbeiter beruht.

– Sinnfreie WM-Songs und auf WM getrimmte Werbung auf allen deutschen Kanälen.

– Einen Fernseher. Aber der blieb auch schon vor meiner Abfahrt fast immer aus.

– Das tägliche Nachrichten-Bombardement. Die Erde dreht sich weiter und weiter – ob ich jetzt weiß, wen Putin in Dünkirchen böse angeschaut hat oder eben nicht. Nachrichten spiegeln nicht meine Lebensrealität wieder und dienen in erster Linie doch immer nur der Tatsache, dass wir uns vor irgendetwas fürchten und auf “Experten” hören sollen, statt unser Leben selbst in die Hand zu nehmen.

Was ich noch vorhabe?

Aus persönlicher Sicht will ich noch das eine oder andere Abenteuer bestehen, das sich am Wegesrand anbietet. Nachdem ich bisher mit den Herausforderungen gut klar gekommen bin, kann ich da durchaus noch eine Schippe drauflegen, mit Mut an die Dinge herangehen. Ich will auch noch offener als bisher auf andere Menschen, die nicht meine Sprache sprechen, zugehen und dadurch noch mehr interessante Geschichten erfahren. Was diesen Punkt angeht, war ich manchmal noch etwas zögerlich – auch, weil ich so bei gewissen englischen Dialekten doch so meine größeren Probleme hatte. Das Gute jetzt ist, dass von nun an alle “europäisches Englisch” sprechen, was die Sache deutlich vereinfacht, wie ich schon in Belgien gemerkt habe.
Drei Dinge stehen auf der Agenda ganz oben: Nachts um 3 Uhr auf den Lofoten in der Mitternachtssonne eine Mountainbike-Tour machen. In Finnland einen Tag schweigend mit einem Einheimischen zusammen angeln und Bier trinken. Und in Portugal surfen lernen.

Lasst Euch überraschen, ob und wie mir alles gelingt. Ich würde mich freuen, wenn ihr weiter so fleißig lest und kommentiert. Und wenn Euch irgend etwas stört oder etwas fehlt: Lasst es mich wissen! Entweder direkt hier, per Kontaktformular oder auf Facebook.