Kann mich mal bitte jemand zwicken? Danke!

Ach, warum du mich zwicken sollst? Na damit ich weiß, ob mein Leben gerade nur ein ziemlich ausgedehnter Traum ist oder ob mir das alles in echt passiert. Ist letztlich auch egal. Die Grenzen sind fließend, objektive Realität gibt es eh nicht.

Ich weiß auf alle Fälle, dass mein Leben mir gerade eine Aneinanderreihung ziemlich vieler abgefahrener Momente bietet. Das fühlt sich vom Tempo und der Intensität der Erlebnisse ziemlich irre und teilweise surreal an.

Ein bisschen so, wie wenn ich jahrelang den Tanztee im Altenheim auf der Hammond-Orgel begleitet hätte. Und plötzlich zerrt mich jemand als Vorband von Iron Maiden auf die Bühne, wo ich vor 80.000 Menschen am Nürburgring spielen soll.

Das Witzige dabei: Nach außen ist davon noch gar nicht so viel zu sehen (außer vielleicht mein neues Reisemobil, das im Juli meinen treuen Weggefährten Dr. D ablöst). Dafür habe ich im Inneren ein paar echte Riesenschübe erlebt. Der kleine Mischa auf Wolke 7. Oder war es Rakete 7?

Bin ich jetzt im Fernsehen?

Was passiert ist, fragst du? Gegenfrage: Wie lange hast du Zeit?

Okay, ich fass mich kurz. Im Rahmen meiner Möglichkeiten.

Los ging es vor 2 Monaten wieder einmal mit meiner neuen Taktik: schnell für eine Sache zusagen, vor der ich mich früher gedrückt hätte, damit ich gar nicht erst überlegen brauche, ob ich davor Angst habe. Ein bisschen schizophren? Vielleicht, funktioniert auf alle Fälle.

So landete ich am 18. April bei der “Runden Ecke” in Köln. Ein wunderbares Format, das Patrick Lynen in Deutschland etabliert hat und in dem ganz normale Menschen rund 10 Minuten lang im Scheinwerferlicht und von Kameras gefilmt ihre Geschichte erzählen.

Erst einmal beim Vortreffen in kleiner, geschützter Runde. Danach werden die Videos geschnitten und das Team entscheidet gemeinsam mit den Erzählern, ob und wie es weitergeht (die Krönung der verschiedenen Möglichkeiten ist ein Fernsehauftritt im WDR). Wer will, dass sein Auftritt niemals öffentlich wird, hat die freie Entscheidung darüber.

Spot on, Auftrittsapplaus: Da stand ich also nun und habe 10 Minuten lang erzählt, welche Panik ich früher beim Sprechen vor größeren Gruppen hatte. Und dass solche Auftritte noch immer nicht gerade zu meinen Lieblingsdisziplinen gehören (sehr vorsichtig formuliert), auch wenn ich in vielen anderen Bereichen meines Lebens der Angst “Auf Wiedersehen” gesagt habe.

Ich war richtig schön nervös und habe mit Sicherheit nicht den souveränsten Auftritt meines Lebens hingelegt. Doch das Beste dabei: Das ist sowas von scheißegal.

Es ging nämlich einzig und allein darum, es zu tun. Nicht zu kneifen. Mich hinzustellen und allen zu sagen: “Es ist völlig okay, wenn ich hier mit roten Wangen und roten Ohren stehe. Denn Hauptsache, ich stehe überhaupt hier und beweise mir einmal mehr, was ich mich alles traue.”

Mir selbst die Erlaubnis zu geben, so zu sein, wie ich bin. Dass weder meine Gesichts- noch meine Ohrenfarbe mich davon abhalten können, vor (immer mehr) Menschen meine Geschichte zu erzählen. Um so irgendwann die Rampensau zu werden, die tief in mir steckt und verdammt laut grunzt. Viel zu lange habe ich sie aus Angst vor möglicher Blamage in ihrem dunklen Stall gelassen und nur in seltenen Momenten mal ins Freie gelassen. Damit ist nun Schluss.

Nach dem Auftritt habe ich eine tiefe innere Zufriedenheit gespürt. Früher wäre meine erste Frage gewesen: “War ich gut (genug)? Und wie geht’s jetzt weiter?” Diesmal war ich einfach nur super stolz auf mich – völlig unabhängig davon, wie meine Leistung war oder ob ich mich damit für höhere Weihen empfohlen habe.

Tschakka und Tränen: 2 Tage bei Christian Bischoff

Das Thema “Öffentliche Auftritte” hatte sich derweil recht schnell bis zum Universum, also zumindest mal bis zum NDR, herumgesprochen. Ganz kurzfristig kam eine Anfrage, ob ich mich für einen Beitrag über Antidepressiva und die Probleme beim Absetzen interviewen lassen will.

Wollte ich und hätte mich als Buchautor zu diesem Thema natürlich profilieren können. Nur der Termin passte nicht. Ich hatte schon lange das Seminar von Christian Bischoff in Bregenz “Die Kunst, dein Ding zu machen” gebucht und wusste, dass ich dort einige Freunde und viele weitere spannende Menschen treffen werde.

Teufelchen: “Mann, Alter, du kannst ins FERNSEHEN! Den Bischoff mit seinem ollen Stirnband und deine Freunde kannste auch wann anders sehen. Sag zu, das ist deine Chance!”
Engelchen: “Hej Kollege, warst du nicht stolz drauf, endlich deine Intuition wieder gefunden zu haben? Was meinst du denn, warum du das Seminar gebucht hast und dich mit deinen Freunden triffst? Wird da nicht ziemlich viel für dich dabei sein?”

So ging das zwei Tage lang mit dem Geschnatter, bis ich entschiede habe, was eh schon feststand: Ich gehe zum Stirnband-Mann. Das Fernsehen muss noch ein bisschen auf mich warten.

Und die Entscheidung war sowas von wow, yeah, juppeidu und Hallelujah! Also richtig. Ich dachte im Vorfeld, ich schau mir halt mal so ein Tschakka-Seminar eines genialen Motivationstrainers live an. Und ja, es war Tschakka, pushen, tanzen, ausflippen, kollektive Ekstase von 1600 Menschen. American Style. Sehr geil.

Doch das war nur ein kleiner Bestandteil. Quasi das Lockermachen von Körper und Geist für die super Inhalte, die zwei Tage lang in verschiedenen Formaten erarbeitet wurden. In einer Atmosphäre voller Wertschätzung, menschlicher Wärme, großer Verbundenheit und richtig fetter Energieschübe wurde mir sowas von klar, warum ich hier bin und nicht woanders.

Eine Übung, die Leben verändern kann

Vor der Übung “Potenzialblick” hatte uns Christian Bischoff gewarnt. Sie könne Leben verändern. Jaja, immer dieser super-duper-Versprechungen. Doch hej, der Mann hat recht. Für mich war es die krasseste Übung ever.

17 fremde Menschen, mit denen ich noch nie ein Wort gewechselt habe, die nichts von mir, meinem Lebenslauf, meinem Beruf, meinen Stärken oder meinen Vorlieben wissen, schauen mir 3 Sekunden lang in die Augen und schreiben dann intuitiv auf einen Zettel, was sie Außergewöhnliches in mir sehen (also nicht nur in mir, sondern jeder war natürlich mal dran). Und heraus kam das (ich weiß, sind nur 12 Zettel, haben nicht alle aufs Bild gepasst):

Potenzialblick

Als ich die Zettel nachts auf dem Campingplatz in meinem Bus mit zittrigen Händen aufgefaltet habe, hat es mich echt umgehauen. Das alles bin ich? Das ist nicht das Drehbuch für den nächsten Superman-Film? Unfassbar …

Vor allem der Satz: “Ein Lehrer, jemand, der mir was beibringen kann” hat mich kaum mehr schlafen lassen. Wenn ein anderer Mensch mir das schon aus dem Gesicht abliest, ist es dann nicht höchste Zeit, diese Gabe noch viel verstärkter mit der Welt zu teilen? Endlich Angebote zu entwickeln, mit denen ich Menschen direkt helfen kann? Und ja, die auch etwas kosten, weil meine Hilfe verdammt wertvoll ist und ich nicht auf Dauer den kostenfreien Ersatztherapeuten spielen kann und will. Alle Qualitäten, die ich dazu brauche, haben ja die anderen schon in mir gesehen.

Mischa und Rainer

Spontanparty mit meinem Blogleser Rainer.

Und so ging es die ganze Nacht und den nächsten Vormittag. Als mittags dann auch mein lieber Blogleser Rainer, der auch auf dem Seminar war, zu mir meinte: “Hej, du machst so großartige Arbeit. Wenn ich dich irgendwie unterstützen kann, dann sag einfach Bescheid”, brachen alle Dämme.

Ich bin zu meinem Bus gelaufen, hab mich hingelegt und eine halbe Stunde nur geflennt. Alles durfte jetzt raus, was sich an aufgeschobenen Träumen, Ideen und Erkenntnissen angesammelt hatte, die ich bis dato nicht bereit gewesen war anzuerkennen.

Zurück in der Halle habe ich das dem lieben Karsten, der zwei Sitze weiter saß, erzählt – und es ging sofort wieder los. Dann kam für mich einer der berührendsten Momente meines Lebens: Karsten hat mich einfach eine gute Minute lang in den Arm genommen und gehalten.

Wieder durfte ich so sein, wie ich bin. Wieder habe ich mich in all meiner Verletzlichkeit gezeigt, wurde angenommen, aufgefangen. Meine innere Größe wuchs in dem Moment gefühlt über die Höhe der Seebühne Bregenz hinaus.

Und sonst so?

Was ich in den zwei Wochen danach bis heute erlebt habe, versteht wohl nur, der Zugriff auf sämtliche meiner Kommunikationskanäle hat. Eine solche Flut an Wertschätzung, an Zuspruch, an Angeboten, an Unterstützung jeglicher Art habe ich noch nie erlebt. Das war, wie wenn jemand gesagt hat: “Wenn du dich so für die Welt öffnest, öffnet sich die Welt auch für dich.”

All das darf sich jetzt erstmal setzen. Die übersprudelnde Energie etwas in geordnete Bahnen gelenkt werden. Um dann gewisse Dinge in Angriff zu nehmen, die schon lange überfällig sind: die Überarbeitung der Webseite mit dem Thema “Mut” als zentralem Element; das Erstellen konkreter Angebote, wenn Menschen direkt mit mir zusammenarbeiten wollen und der Vorbereitung meiner großen Interviewtour mit Live-Interviews super interessanter Menschen in vielen europäischen Ländern.

Und wenn ich zwischenzeitlich noch auf die eine oder andere Bühne gezerrt werde: Immer her damit! Die Geschichte des Manns mit den roten Ohren darf gerne noch viel öfter erzählt werden.