Wie ich Wut in Dankbarkeit verwandelt habe

Am liebsten hätte ich geschrien. Die Herren nacheinander gepackt und einmal durchgeschüttelt. Dann noch den Schreibtisch erzürnt abgeräumt, die Tür zugedonnert und ab durch die Mitte.

Habe ich natürlich nicht gemacht. Bin nicht so der Typ für das ganz große Drama.

Ich wusste an diesem Abend vor gut einem Jahr einfach nicht mehr wohin mit meiner Stinkwut gegenüber dem direkten Vorgesetzten und den zwei Chefredakteuren. So viel Hoffnung hatte ich in unser entscheidendes Gespräch gelegt. Und am Ende blieb nur Fassungslosigkeit und bitterste Enttäuschung.

War es zu naiv, auf die menschliche Karte zu setzen? Von meinen drei schweren Depressionen und den Panikattacken zu erzählen? Und zu glauben, dass die Herren dadurch mehr Verständnis für meine Situation haben?

War es.

Abgelehnt! Abgelehnt! Abgelehnt!

Gleich dreimal sauste der Knüppel auf meinen Kopf: Sabbatical? Abgelehnt! Teilzeit? Abgelehnt! Anderes Aufgabengebiet als Redakteur? Abgelehnt!

So getroffen, taumelte ich heraus und wusste: “Das war’s jetzt. Für immer.” Wenige Tage später habe ich gekündigt.

Aber der Schmerz saß tief. Tagelang wusste ich nicht, ob ich kotzen, schreien oder weinen soll. Oder alles gleichzeitig.

Sportredakteur war doch mal mein Traumjob. Aber ich passte nicht mehr rein ins System. Hatte Schwächen gezeigt. Konnte und wollte so aus Rücksicht auf meine Gesundheit nicht mehr weitermachen.

Die grenzenlose Wut wollte einfach nicht weichen. “Die da oben” brauchen mich nicht mehr. Obwohl sie mir noch zwei Monate zuvor gesagt hatten, wie unglaublich wichtig ich wäre. Aber nur in der Funktion, in der sie das wollen. Denen doch egal, ob ich mich ein halbes Jahr später wieder in die Klinik verabschiede.

Wut als Startschuss für ein selbstbestimmtes Leben

Szenenwechsel. Dezember 2014. Rund ein Jahr später. “Aber im Nachhinein bist du wahrscheinlich froh darüber, dass deine Chefs so gehandelt haben?”, fragt mich ein guter Bekannter in einem intensiven Gespräch. Und ich antworte: “Ja, und wie!”

Tatsächlich erfüllt mich heute eine große Dankbarkeit darüber, was an diesem Abend passiert ist. Damals fiel der Startschuss für ein neues, selbstbestimmtes Leben. Ich hatte ihn nur vor lauter Wut nicht gehört.

Nur deshalb, weil meine Bosse so unflexibel waren, blieb mir zum Selbstschutz die Kündigung als einzige Option. So kamen all diese Dinge in Gang, über die ich immer wieder staune:

  • Neuer Mut
  • Ein anderer Blick aufs Leben und die Prioritäten (Zeit, nicht Geld)
  • Eine zunehmende Ablehnung unserer absurden Konsumgesellschaft
  • Echte Eigenverantwortung
  • Unbändiger Freiheitsdrang
  • Massiv gesteigertes Selbstwertgefühl
  • Kampf gegen die Bequemlichkeit
  • Dieser Blog
  • Unfassbar (und vollkommen ungewohnt) viele neue Kontakte
  • Neue Freundschaften
  • Ein zuvor nie geahntes Fasziniert-sein von Aussteigern und Abenteurern
  • Der Beschluss, mich selbstständig zu machen
  • Regelmäßige Kreativitätsschübe

Kurz zusammengefasst: Mir konnte nichts Besseres passieren, als zum Kündigen “gezwungen” zu werden.

Früher habe ich es mit einer verächtlichen Handbewegung abgetan, wenn meine Mutter mir sagte, dass alles im Leben schon seinen Sinn hat. Das konnte ich nie akzeptieren, vor allem, wenn irgend etwas Schlimmes passiert ist oder es mir richtig schlecht ging.

Inzwischen denke ich anders darüber. Die vergangenen zwei Jahre haben mir die Augen geöffnet.

Der Zusammenbruch, der vermeintliche Sturz ins Bodenlose, der am Ende gescheiterte Versuch, noch einmal im alten Beruf Fuß zu fassen: Das alles hatte den Sinn, dass ich mich endlich mit der Frage auseinandersetze, was ich vom Leben eigentlich will und konsequent dafür sorge, dass es mir gut geht.

Aber gut geht nicht im Sinne von: Ich spring jeden Morgen ins Taler-Bad wie Dagobert Duck. Sondern: Ich finde endlich zu den Dingen im Innersten, die mich ausmachen, die ich aber zu lange verdrängt habe.

Deshalb sage ich heute mit vollem Ernst und aus tiefstem Herzen: Danke, liebe Ex-Chefs, dass ihr mich ins Leben geschubst habt!

Sonst säße ich wahrscheinlich jetzt am Sonntagabend vor dem Fernseher, würde mich beklagen, am Montag wieder ins Büro zu müssen und mich fragen, warum ich da immer noch hingehe, obwohl ich Angst habe, an der Routine zu ersticken und mich eingesperrt fühle.

So sage ich aber nicht nur in dem Buch, an dem ich mitgeschrieben habe: Ich liebe den Montag! Er ist der Start in eine neue Woche voller Unsicherheit, Ungewissheit, neuer Herausforderungen und überraschender Lösungen. Manchmal auch voller Frust, aber stets gepaart mit sehr viel Lebenslust.

Und dafür bin ich zutiefst dankbar.

Hattest du schon ein ähnliches Erlebnis wie ich? Dass du fast geplatzt wärst vor Wut und später festgestellt hast, dass dir nichts Besseres als genau diese Situation hätte passieren können? Oder gehen die Änderungen in deinem Leben etwas sanfter vonstatten? Ich freue mich auf deinen Kommentar!