Heute war ein ganz anderer Artikel vorgesehen. Den zu veröffentlichen, fühlt sich für mich aber gerade nicht stimmig, vielleicht sogar zu belanglos an. Denn ich bin traurig. Traurig über das sinnlose Massaker von Paris. Traurig über die sinnlosen Opfer von Krieg und Terror, die es in derselben Zeit überall auf der Welt gab. Traurig über die unfassbare Hetze, den Vergeltungswahn, das “Auge um Auge, Zahn um Zahn”-Geschrei allerorten.

Ja, ich bin so ein naiver Träumer. Ich will zu den Guten gehören, die an ein friedvolles Zusammenleben von Menschen glauben. Nicht zu den Brandstiftern und Aufwieglern, die mit ihrer Aggression den Nährboden zu noch mehr Hass legen. Und dann erwische ich mich manchmal dabei, wie ich selbst in die Falle tappe. Wie diverse Kommentare auf Facebook mein Blut in Wallung bringen, die blanke Wut in mir hochsteigt und ich kurz davor bin,  Dinge zu antworten, die definitiv nicht Friedensnobelpreis-verdächtig wären.

Jeden Tag frage ich mich: Woher kommt es, dass die Welt gerade verrückt zu spielen scheint und wir alle mitgerissen werden (oder uns mitreißen lassen)? Dass gerade Kräfte wirken, die massive Veränderungen mit sich bringen und wir noch nicht einmal ahnen, ob diese am Ende gut oder verdammt schlecht für uns alle sein werden?

Ich versuche dann Klarheit zu bekommen, den Kopf immer mal wieder von all dem Wahnsinn freizumachen. Ich meditiere. Und stolpere über eine Passage in der Vergebungs-Meditation von Jack Kornfield, in der es darum geht, warum wir andere mit Gedanken, Worten oder Taten schädigen oder verletzen: “Du handelst nur aus zwei Gründen ungeschickt: aus Angst oder aus Schmerz heraus. Wir geraten in Verwirrung, merken es nicht. Und aus Schmerz und Angst heraus verletzen wir andere Menschen.”

Seitdem frage ich mich:

Wovor haben wir eigentlich Angst?

Wenn die uns innewohnende Angst eine so große Triebfeder ist, was steckt dann eigentlich genau dahinter?

Meiner Meinung nach sind es dieselben Ängste, deretwegen wir Krieg nach innen (darin war ich viele Jahre Spezialist) und nach außen führen. Wir haben Angst vor:

  • unseren Gefühlen (insbesondere Wut, Schmerz und Trauer)
  • den dunklen Seiten in uns
  • authentischem Auftreten
  • unserer Schwäche
  • der Unsicherheit
  • Verletzlichkeit
  • dem Anderssein
  • Veränderungen
  • Vergebung (anderen und uns selbst)
  • unserer ewigen Opferrolle
  • dem Tod

Oder kurz gesagt:

Wir haben Angst davor, dem Leben zu vertrauen

Wenn wir uns erlauben würden, mit jeder Faser Mensch zu sein und echte Menschlichkeit zu zeigen – und nicht wie gut programmierte Roboter durchs Leben zu steuern – dann hätte die Angst gar keine Chance mehr. Ohne Angst und Schmerz müssten wir nicht dauernd uns und andere verletzen.

Wir könnten uns dann endlich dafür entscheiden, bedingungslos für die Dinge zu leben, die das Leben erst zu einem Leben machen: Mut, Freiheit, Stärke, Liebe, Menschlichkeit.

Ich persönlich habe keine Lust mehr, von Bedrohungen zu hören. Ich lasse mich nicht mehr instrumentalisieren (Fernsehverzicht hilft da ziemlich gut). Ich will gnadenlos fröhlich und dankbar sein, jeden Tag die Schönheit des Lebens in mich aufsaugen.

Ich entscheide mich ab heute noch bewusster gegen Angst und Schmerz, sondern für Liebe, Menschlichkeit und Vertrauen. Auch wenn ich dafür als Gutmensch, Vollidiot oder was auch immer bezeichnet werde. Das ist es mir wert. Und ich weiß, dass ich nicht allein bin …

Wie viel Angst hast du derzeit? Hältst du es angesichts der Umstände für völlig verrückt, noch an das Gute im Menschen zu glauben und dem Leben zu vertrauen? Oder bleibt uns gar keine andere Wahl, wenn wir dieser grausamen Spirale irgendwann einmal entkommen wollen? Ich freue mich auf deinen Kommentar!

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