Freunde

Kennst Du Deinen besten Freund bzw. Deine beste Freundin von Kindesbeinen an? Oder aus der Schulzeit? Falls ja: Glückwunsch! Ich nicht.

Irgendwann habe ich die (schmerzliche) Erfahrung gemacht, dass eine Freundschaft wie alles andere im Leben im Fluss ist. Es ist ein Kommen und Gehen, ein Verstärken und Abebben, ein Finden und wieder Loslassen.

Keine Frage der räumlichen Trennung, sondern der geistigen

Warum? Weil wir uns (hoffentlich) weiterentwickeln, neue Wege einschlagen, von neuen Ideen beeinflusst werden. Für mich ist es also weniger eine Frage der räumlichen Trennung denn der geistigen.

Zwei Menschen, deren Basis für eine tiefgehende Freundschaft nicht mehr da ist, sollten das auch in Würde akzeptieren. Und nicht nur aus Gewohnheit weitermachen, wie ein Ehepaar, das sich schon lange nichts mehr zu sagen hat.

Als ich vor elf Jahren meine erste schwere Depression hatte, habe ich zum ersten Mal ehrlich reflektiert, wie es mit meinen Freundschaften aussieht. Und erschreckt festgestellt, dass ich keinen Freund (mehr) habe, dem ich meine Geschichte anvertrauen kann. Bei einem hatte ich es probiert, doch da war keinerlei Verständnis vorhanden.

Ganz im Gegenteil: Er hat mein Vertrauen sogar missbraucht und gewisse Dinge weitererzählt. Zum Glück habe ich auch dank meines Redakteursjobs in den folgenden Jahren großartige Menschen kennengelernt. Später im Leben dauert das Beschnuppern zwar länger, dafür ist das Verhältnis dann intensiver, so zumindest meine Erfahrung.

Wenn die Kraft fehlt

Das Schlimme für mich war, dass ich wegen der depressiven Phasen und meiner Panikattacken viel zu stark auf mich selbst fixiert war. Oft fehlte mir auch einfach die Kraft, unter der Woche noch etwas mit Freunden zu unternehmen oder auch nur ein Telefonat zu führen.

Und ich habe mich wirklich geschämt, wenn ein guter Freund angerufen hat, aber ich nicht hingegangen bin, weil ich einfach nicht konnte und wollte. Ich war einfach noch nicht weit genug, mich zu öffnen und zu sagen, was mit mir los ist.

Von wegen Aufschrift “Psycho”

Zu meinem großen, großen Glück sind mir alle wichtigen Menschen selbst über mein schlimmes Jahr 2013 hinaus erhalten geblieben. Niemand von denen, die mir wirklich nahe sind, haben sich abgewendet. Alle wollten sie meine Geschichte hören, haben mich besucht, mir geschrieben und das Gefühl gegeben, dass ich keinen Stempel auf der Stirn habe mit der Aufschrift “Psycho”.

Noch schöner: Aus manchen eher lockeren Verbindungen sind richtig intensive geworden. Dafür bin ich immer noch unendlich dankbar. Nicht zu vergessen, die vielen wunderbaren Menschen, die mir in den 5 Wochen Klinik-Aufenthalt in Scheidegg begegnet sind und aus denen sich einige schöne Freundschaften entwickelt haben. 

Eigentlich stand das Thema gar nicht auf der Agenda für meinen Blog. Doch als ich auf meiner Europareise Station bei ganz lieben Freunden in Ostfriesland gemacht habe, wusste ich, dass ich auch darüber schreiben will und muss. Spontan fielen mir folgende “Erkennungsmerkmale” ein, die für mich inzwischen ein wichtiger Kompass sind.

10 Dinge, an denen Du echte Freunde erkennen kannst

1. ) Für ein Treffen ist Dir kein Weg zu weit, keine Zeit und kein Geld zu schade.

2.) Bevor Ihr Euch trefft, herrscht bei Dir echte Vorfreude. Und nicht das Gefühl “Ich muss da hin.”

3.) Du fühlst Dich dort wohl wie zu Hause und erlebst Geborgenheit.

4.) Keiner muss sich verstellen. Jeder ist, wie er ist – ganz ohne Maske.

5.) Wenn Du wieder fährst, fühlt sich Dein Akku aufgeladen an. Dir muss keiner sagen “Schön, dass Ihr da wart” – oh Mann, wie oft das bei Besuchen geheuchelt wird -, sondern Du weißt, dass es schön war.

6.) Kein Thema ist zu heikel, als dass nicht darüber gesprochen werden könnte.

7.) Gute Freunde hören Dir zu und fragen nach, belehren Dich aber nicht. Falls Du einen Ratschlag brauchst, kannst Du sie immer noch danach fragen.

8.) Du erlebst die Bestärkung für Deinen eingeschlagenen Weg. Niemand versucht Dich auszubremsen, nur weil dem anderen Dein Weg nicht ganz geheuer ist.

9.) Du kannst ausgelassen Nächte mit ihnen durchfeiern. Aber Ihr habt Euch auch noch etwas zu sagen, wenn Ihr wieder nüchtern seid.

10.) Ihr fangt während des Essens spontan zum Singen an und es fühlt sich wie das Normalste der Welt an (Letzeres ist uns kürzlich tatsächlich passiert)

Am Ende natürlich noch ein Riesendank an meine wunderbaren Fotomodells in Ostfriesland, nämlich Selina, Moira und Anna. Das Shooting hätte noch Stunden so weitergehen können 🙂