Heute Morgen, 6.45 Uhr. Der Wecker klingelt und ich denke mir: “Ach nö! Ich soll jetzt mein kuschliges Bett verlassen, nur um 50 Dinge aufzuschreiben, die ich in meinem Leben noch machen will?”

Ja genau, eine von diesen 50-Dinge-Listen im NLP-Seminar, von denen ich vor zwei Wochen schon in diesem Artikel über die Vorteile des Schreibens berichtet hatte.

Jetzt mal im Ernst. Es gibt doch an einem Sonntagmorgen wirklich bessere Dinge für einen erwachsenen Mann zu tun, als so alberne Hausaufgaben zu machen.

Außerdem habe ich doch auf meiner Bucketlist die Sachen schon mal aufgeschrieben. Bin ich nicht viel zu müde, um schon aufzustehen? Wenn ich die 9 Aufgaben zuvor gemacht habe, kann ich doch eine mit gutem Gewissen auslassen. Ach, vielleicht verrate ich es einfach nicht, wenn die Trainerin fragt, wer die Liste geschrieben hat.

Noch besser: Ich melde mich und sage, dass ich sie absichtlich nicht geschrieben habe, um festzustellen, wie es sich anfühlt, eine Aufgabe nicht erledigt zu haben.

So liege ich 10 Minuten in meinem Bett und lege mir Ausrede über Ausrede zurecht, bis sich ein fettes Grinsen meines Gesichts bemächtigt und ich die Stimme der Trainerin aus den Vortagen höre, die andere Teilnehmer gefragt hat:

“Erzähl doch mal: Wie hast du es gemacht, dass du es nicht gemacht hast?”

Ich kapiere in dem Moment, dass es keinen einzigen Grund gibt, die Aufgabe nicht zu machen. Einzig und allein meine Stimme im Kopf wollte die einfachste Lösung, nämlich nichts tun.

Was für eine großartige Lehrstunde, die mir meine alten Muster schwungvoll auf dem Frühstückstablett serviert. Mir wird klar, wie viel Gutes ich mir in meinem Leben hätte tun können, wenn ich das Dranbleiben früher gelernt hätte.

10 Minuten Ausreden für eine 15-minütige Aufgabe

Denn so schwer ist es gar nicht. Letztlich braucht es nur eine positive Ausgangssituation für die Dinge, die ich erledigen will.

In meinem Fall heißt das: Meinem Wunsch nach noch nicht aufstehen und Wärme erfülle ich, indem ich mir eine Wärmflasche und eine Tasse Tee mache und zurück ins Bett krieche. 15 Minuten später habe ich 70 Sachen auf meiner Liste stehen.

Jetzt lache ich noch lauter. Ich habe 10 Minuten lang Ausreden gesucht, um eine Sache zu machen, die mich 15 Minuten kostet? Ist das mein Ernst? Verrückt, oder?

Als ich den Block zur Seite lege, merke ich den Stolz auf mein Dranbleiben. Wäre ich den Ausreden gefolgt, die sich mein Gehirn ausgedacht hat, wäre das schlechte Gewissen garantiert gewesen.

Die Geschichte im Anschluss, die ich entworfen hätte, um das Aufgeben kurz vor der Ziellinie zu rechtfertigen, wäre natürlich trotzdem brillant gewesen.

100 gute Gründe – und keiner davon stimmt

Das ist der entscheidende Punkt, den du sicher auch kennst: Wenn wir etwas nicht durchziehen, haben wir 100 gute Gründe, warum das unausweichlich war.

Das Problem dabei: Kein einziger stimmt.

Inzwischen habe ich gelernt, dass ich lange Zeit einfach keine gute Strategie zum Dranbleiben hatte. Ich habe mich viel zu sehr auf das “Müssen” konzentriert. Mir also erfolgreich eingeredet, dass die zu erledigenden Dinge einfach anstrengend, nervig, zeit- und kraftraubend oder was auch immer sind.

Und dabei eins übersehen: Es lag nicht an den Aufgaben und Herausforderungen selbst, sondern einzig an der negativen Bewertung, die ich ihnen zugemessen habe.

Wie soll ich eine Sache gut zu Ende bringen, wenn ich mir vorher die ganze Zeit einrede, wie schlimm der Aufwand ist, den ich damit habe?

Der Unterschied zwischen 10 Mails und 10 Mails

Kurz gesagt: Die 10 Mails, die du noch für deinen Chef schreiben musst, können dich tierisch nerven. Die 10 Mails, die du danach deinen besten Freundinnen schreibst, machen dir dagegen richtig Freude.

Die Ausgangslage ist dieselbe: Du sitzt am PC und schreibst Mails. Nur hast du vorher beschlossen, dass Arbeit schlimm ist und keinen Spaß machen darf, während private Nachrichten Freude machen.

Oder du bist Freiberufler und wirst dafür bezahlt, Artikel zu schreiben (etwaige Ähnlichkeiten mit dem Betreiber dieses Blogs sind rein zufällig). Dann daddelst du möglicherweise eine gewisse Zeit des Tages auf Facebook herum, anstatt deine Aufträge zu Ende zu bringen.

In beiden Situationen sitzt du am Rechner. Einmal ist es die böse Arbeit. Das andere Mal ist es Vergnügen.

Äh, nein, ist es nicht. Das ist einzig und allein verschwendete Lebenszeit, die dich abgehalten hat, deine Ziele schneller zu erreichen (oder überhaupt Ziele zu erreichen).

Das wunderbare Nachher-Gefühl

Dabei ist die Lösung so einfach: Stell dir jedesmal das Endergebnis deiner Aufgabe bildlich vor und freu dich schon vorher darauf, wie du sie stolz erledigt hast.

Gerade, wenn es darum geht, erste kleine Änderungen in deinem Leben vorzunehmen, kann das extrem hilfreich sein.

Stell dir bildhaft vor, wie du dich hinterher fühlst …

  • wenn du zum ersten Mal 15 Minuten beim Walken warst
  • wenn du zum ersten Mal kräftig Nein gesagt hast
  • wenn du dich zum ersten Mal getraut hast, allein in einem Restaurant zu essen
  • wenn du nach vielen Jahren wieder ein paar Kilometer Autobahn gefahren bist

… oder was auch immer es ist, was du bisher erfolgreich vor dir hergeschoben hast. Ich weiß, dass du 100 gute Gründe dafür hast. Und ich weiß auch, dass die nicht stimmen, wie oben beschrieben.

Ich habe mich früher immer davor gedrückt, draußen Sport zu machen, wenn es kalt, nass oder dunkel ist. Im schlimmsten Fall noch alles zusammen. Jetzt ist das kein Thema mehr. Ich stelle mir einfach vor, wie ich hinterher müde und glücklich die Haustüre aufsperre und mich ein paar Minuten zum Entspannen auf die Yogamatte lege. Dieses Gefühl, mir etwas richtig Gutes getan zu haben – einfach herrlich!

Hauptsache gute Laune

Du kannst dich auch auf andere Weise in gute Laune bringen. Hauptsache, du bringst dich in gute Laune. Hör deine Lieblingsmusik, schau ein schönes Bild an, mach einen Kopfstand (also nur, wenn du das kannst), tanz albern herum  oder meditiere ein paar Minuten – und dann erledige das, was du dir vorgenommen hast.

Aus dem “Oh Mann, wieso muss ich das tun?”-Zustand wirst du nämlich keine Dinge anfangen oder zu Ende bringen (und falls doch, dann lässt das Ergebnis meist zu wünschen übrig).

Meine Reifeprüfung in Sachen Dranbleiben waren die letzten 2 Wochen vor dem Erscheinungstermin meines ersten Buchs. Oh ja, da gab es ganz schön viele Momente, in denen ich noch viel mehr gute Gründe gehabt hätte, um kurz vor Ende aufzugeben.

Die Summe der Herausforderungen, Lerneffekte, des zeitlichen Aufwands und der emotionalen Schwankungen beim ersten großen Projekt war enorm. Trotzdem hatte ich immer ein Bild im Kopf: Wie ich am Sonntagmorgen (also vor einer Woche, scheint meine Lieblingszeit zu sein), die Seite mit stolzgeschwellter Brust online stelle und den Newsletter verschicke “Das Buch ist da!”.

Für mich ein klarer Wendepunkt im Erreichen von großen Zielen und dem Wissen, dass es nur mit dem Dranbleiben geht.

Damit ich dieses traumhafte Gefühl noch viel öfter auskosten kann, habe ich heute zum Abschied von meinem NLP-Trainer noch diesen Rat bekommen: “Mischa, bleib dran!”

Wie ist es bei dir? Bringst du für dich wichtige Sachen zu Ende oder bleibst du auch öfter auf halber Strecke hängen? Oder fängst du gar nicht erst an? Ich bin gespannt, wie du dich für Veränderungen motivierst und freue mich auf deinen Kommentar!

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