Was für eine beschissene Idee, nach Spanien zu fahren.

Zwei Tage vor Abfahrt hatte ich plötzlich überhaupt keine Lust mehr drauf. Fragen tauchten auf, wie: „Was soll das jetzt bringen? Braucht’s denn jetzt den ganzen Stress mit der Fahrerei?“

Früher hätte es eine einfache Antwort gegeben: „Ach, dann lass ich es halt sein.“

Heute weiß ich, dass ich es GERADE DESHALB tun muss. Gerade, weil der Komfortzonenverteidigungs-Antiveränderungs-Schweinehund (geiles Wort, gell?) so laut bellt.

Inklusive aller Nebenwirkungen, wie Magenschmerzen nach der Abfahrt und verstärkter Unruhe auf den ersten 300 Kilometern. Bekomme ich jetzt Panik? Ach nein, es ist ja nur der Komfortzonenverteidigungs-Antiveränderungs-Schweinehund zu meinen Füßen.

Weiß du, warum ich jetzt an einer Strandbar in Katalonien sitze und zu den Klängen von Julio Iglesias diese Zeilen schreibe – und nicht im Home-Office? Weil ich eine Vereinbarung mit dir habe.

Ich habe ein paar Tausend Zeugen pro Monat, dass ich meinen Ankündigungen auch Taten folgen lasse. Also: Wie hätte meine Ausrede nach dem Artikel der Vorwoche lauten sollen, die erklärt, dass ich doch nicht gefahren bin? Genau, die gibt es nicht.

Kein billiger Rückzug mehr, keine Ausreden, kein mañana (na gut, nur noch manchmal).

Das ist für mich Verbindlichkeit.

Ich beschließe etwas, was mir gut tut oder mich weiterbringt. Ich schreibe es auf und besorge mir Zeugen dafür (und wenn es nur das eigene Tagebuch ist). Und die Zeugen braucht es, damit ich dann auch zur Tat schreite .

41 Jahre Unverbindlichkeit gegen 2,5 Jahre Verbindlichkeit

Mein Komfortzonenverteidigungs-Antiveränderungs-Schweinehund wurde über vier Jahrzehnte so gut genährt, dass er immer noch genug stille Reserven hat. Kaum bekommt er ein bisschen Futter, schon wird er wieder quietschfidel.

Ein Punkt, den ich zugegebenermaßen komplett unterschätzt hatte. Wär doch so schön gewesen: Zusammenbruch – Therapie – große Reise – Selbstständigkeit – läuft!

Doch dann, die erschreckende Feststellung: Nee, das war ja gerade einmal der Anfang. Man stelle 41 Jahre Unverbindlichkeit den 2,5 Jahren Verbindlichkeit gegenüber. Jahrzehnte von Davonlaufen gegen eine kurze Zeit von Taten und mutigem Hineinstürzen in Herausforderungen.

Damit das Gewicht auf der richtigen Seite der Waage noch schwerer wird, brauche ich dich. Ganz egal, ob du mich bestärkst, mir Fragen stellst, mich mit deiner Offenheit rührst, meine Artikel kommentierst oder sie einfach liest.

All das zeigt mir, dass dieser Blog leben muss. Und dafür danke ich dir von Herzen. Denn du schaffst als mein Leser die Verbindlichkeit, die ich dringend benötige.

Damit habe ich eine Vereinbarung mit mir selbst und dir. So eine Verbindlichkeit ist immens wichtig. Sie ist der einzige Weg zur Veränderung und zum besten Leben.

Wie ich Verbindlichkeit für mich schaffe

Das gilt übrigens nicht nur für mich, sondern für jeden Menschen. Mehr dazu später. Erst noch ein paar Beispiele, in welchen Bereichen ich für mich Verbindlichkeit geschaffen habe.

  • Bei herausfordernden Anfragen (z.B. Video-Interviews) sofort zusagen und erst hinterher fluchen („auf was lasse ich mich denn da wieder ein?“)
  • Die 30-Tage-Challenge im Citizen Circle, in der es darum geht, jeden Tag mindestens eine Stunde seinen eigenen Businessideen zu widmen
  • Die Mastermind-Gruppe von (angehenden) Online-Unternehmern, in der ich alle zwei Wochen über meine Business-Fortschritte berichte und neue kurz- und mittelfristige Ziele formuliere
  • Wichtige Dinge durch verbindliche Aussagen schriftlich festhalten (muss ja nicht immer öffentlich sein)
  • Meine Bucketlist mit großen Wünschen („was da steht, sollte ich doch verdammt noch mal auch anpacken!“)
  • Meine Selbstständigkeit (ich verpflichte mich dazu, mich jeden Monat um meinen Lebensunterhalt stets aufs Neue zu kümmern)
  • Mein jüngster Artikel zur VW-Bus-Therapie (bis zu dem Zeitpunkt habe ich selbst nicht daran geglaubt, dass ich heuer noch loskomme)
  • Meine Zusage an Nima von Abenteuer Spanien „Ich werde Euch im Oktober heimsuchen“ (ich glaube, bis zu meiner Abfahrt hat sie nicht daran geglaubt, dass ich die Drohung tatsächlich wahrmache).

Kurz gesagt führen verbindliche Zu- oder Aussagen in erster Linie nicht gerade zu Freudensprüngen – aber dafür in zweiter und dritter Linie. Weil der Belohnungsapparat erst verzögert anspringt, neigen wir dazu, unangenehm erscheinende Dinge frühzeitig zu beerdigen und gewisse Strapazen lieber zu umgehen.

Oder warum lieben es so viele Menschen einen frühen Morgen mitzuerleben, aber niemand will früh aufstehen? Gibt es etwas Größeres, als in der Dämmerung durch die noch verlassenen Straßen einer Stadt zu streifen und zu spüren, wie langsam das Leben zurückkehrt? Oder am Meer oder einem Berg zu sitzen und zu staunen, wenn die Sonne zum ersten Mal am Horizont heraus spitzelt?

Doch vor die Wahl gestellt, entscheiden wir uns in der Regel für? Genau.

Soll ich’s wirklich machen oder lass ich’s lieber sein?

Ein paar weitere Beispiele aus dem täglichen Leben gefällig, in dem du jederzeit die Möglichkeit hast, Verbindlichkeit zu schaffen oder weiterhin zuzulassen, dass dich der Komfortzonenverteidigungs-Antiveränderungs-Schweinehund so energisch in die Wadln beißt?

  • Du machst jeden Morgen 10 Minuten Yoga – oder bleibst lieber länger liegen.
  • Du kochst dir einmal am Tag ein frisches Essen – oder langst lieber weiter zur Tiefkühlkost.
  • Du schreibst jeden Tag in dein (Dankbarkeits)-Tagebuch – oder spielst lieber Candy Crush Saga auf Facebook.
  • Du gehst jeden Abend raus zum Laufen – oder schaust lieber Fußball im Fernsehen.
  • Du arbeitest jeden Tag mit Affirmationen – oder jammerst lieber weiter, dass sich nie etwas in deinem Leben ändert.
  • Du sagst konsequent Nein zu den Dingen, die dir nicht gut tun – oder lässt dich lieber weiterhin mit deinem Helfersyndrom kräftig von allen ausnutzen.
  • Du bestreitest ab sofort jede Kurzstrecke zum Bäcker, Supermarkt, zur Post zu Fuß oder mit dem Rad – oder fährst lieber weiterhin Auto und beschwerst dich, dass du zu dick, nicht fit genug und ständig kränkelnd bist.
  • Du sprichst jedesmal einen Menschen an, wenn dich etwas an ihm interessiert – oder ärgerst dich lieber hinterher, dass du es nicht getan hast (das Beispiel musste einfach hier rein, weil ich gerade eine Ü-50-Kitesurferin gefragt habe, ob ich das auch in meinem fortgeschrittenen Alter noch lernen könne).

Wie schaffst du Verbindlichkeit? Meine Tipps

Okay, du willst jetzt etwas ändern, damit es dir besser geht oder du in einem bestimmten Bereich voran kommst. Aber wie?

So kannst du Verbindlichkeit schaffen:

  • Triff eine konkrete Aussage bzw. formuliere ein Ziel
  • mündlich oder schriftlich
  • unter Zeugen (öffentlich, Gruppe, Umsetzungspartner mit selbem Ziel, Ehepartner, Tagebuch, Video-Botschaft oder was auch immer)
  • und sage ganz klar,
  • was du
  • wann
  • wie und
  • warum ab jetzt machen wirst.

Das „Warum“ ist mit Abstand der wichtigste Punkt. Nur, wenn du das eindeutig formulieren kannst, weißt du, dass es auch wirklich dein Ziel ist. Und nicht ein allgemein formuliertes Glücksrezept wie Abnehmen, Sport treiben, mehr Lesen, weniger Alkohol oder sonstiges Blabla.

Du hast dein Warum gefunden? Es treibt dich an, erzeugt einen leicht wohligen Schauer auf dem Rücken gepaart mit der Angst vor dem unbequemen Weg? Sehr gut!

Dann könnte ein verbindlicher Beispielsatz mit allen wichtigen Bestandteilen lauten (deiner lautet vermutlich völlig anders):

„Ich mache ab jetzt jeden Morgen direkt nach dem Aufstehen 15 Minuten lang Yoga, weil ich dadurch viel mehr Energie für den bevorstehenden Tag habe (alternativ: einen straffen Hintern bekomme, meinem Rücken etwas Gutes tue, meine Fitness steigere, meine Psyche verbessere, mich in Einklang mit meinem Atem bringen kann, endlich die sexy Yoga-Klamotten kaufen darf).

Im Idealfall führst du dazu ein Büchlein, um deine Fortschritte zu dokumentieren und aufzuschreiben, wie es dir dabei geht. Und/oder lässt deine Zeugen/Umsetzungspartner daran teilhaben.

Hej, du verpflichtest dich gerade, dir etwas Gutes zu tun! Ist das nicht das Größte?

Jetzt jammer erst einmal schön („wie bescheuert muss ich sein?“).

Und dann freu dich!

P.S.: Ich sitze jetzt am Strand, schaue den Kitesurfern zu. Wolkenloser Himmel, 22 Grad, steife Brise. Mir geht das Herz auf. Es war keine beschissene Idee, nach Spanien zu fahren. Ich habe es nicht sein lassen. Ich war lange genug unverbindlich …

Wie sind deine Erfahrungen mit Veränderungen? Geht es bei dir schnell oder brauchst du eine lange Anlaufzeit? Wie verpflichtest du dich, dein angestrebtes Ziel tatsächlich zu erreichen? Und ziehst du es dann auch durch oder bleibst du noch oft auf halber Strecke hängen? Ich freue mich auf deinen Kommentar!