Eine der größten Herausforderungen des Lebens – wenn nicht gar die größte überhaupt – ist es, seinen Ängsten ins Auge zu schauen. Viele kleine und große Ängste hindern uns täglich daran, unser Leben in all seinen Möglichkeiten auszuschöpfen. 

In der Serie “Nur Mut”, die regelmäßig auf diesem Blog erscheint, befrage ich Menschen, die sich ihren Ängsten in den unterschiedlichsten Bereichen gestellt haben oder stellen, die mutig durchs Leben schreiten.

Im 11. Teil der Serie habe ich mich mit Linda Benninghoff unterhalten. Als ihr Mann 2009 starb, musste sie Privatinsolvenz beantragen, weil sie die Kreditraten für das gemeinsam gekaufte Haus allein nicht stemmen konnte. Anstatt sich hängenzulassen und ihr Schicksal zu beklagen, nahm sie das Heft nun selbst in die Hand. Sie zog zurück in ihre Heimat und machte sich als Texterin selbstständig. Zudem gründete die 43-Jährige vor einem Jahr den Blog MyMoneyMind, mit dem sie Frauen zu einem besseren Umgang mit Geld inspiriert. Quasi als Quintessenz ihrer Erfahrungen hat sie nun den Onlinekurs „Deine innere Stärke“ herausgebracht, indem sie zeigt, wie man sein Selbstwertgefühl steigern kann.

Hi Linda. Ich finde es klasse, wie offen du über deine Privatinsolvenz sprichst. Fiel dir das immer so leicht oder hattest du auch mal Angst, als Versagerin abgestempelt zu werden? Schließlich urteilen die Menschen hierzulande immer gern und schnell …

Hey Mischa, ne, das fiel mir immer leicht. Wie eine Versagerin hab ich mich deswegen noch nie gefühlt. Ich habe mich nicht genug um mein Geld gekümmert, aber darum bin ich ja keine Versagerin. Letztendlich hab ich eine falsche Unterschrift gesetzt – das war’s. Mag sein, dass andere Menschen denken, dass ich versagt habe. Durch meinen Blog weiß ich aber, dass auch Menschen, denen es nach außen scheinbar finanziell super geht, teilweise echt Probleme haben, hinter den Kulissen alles am Laufen zu halten. Ich bin also nicht alleine.

Wie war das damals? Der Mann stirbt, das gemeinsame Haus wird dir weggenommen. Dann auch noch der Schock, dass es nicht ausreichend versichert ist und du aufgrund des riesigen Schuldenberges in die Privatinsolvenz musst. Wie viele Welten sind da auf einmal zusammengebrochen?

Am Schlimmsten war für mich das Trauma, das ich durch die Pflege meines sterbenden Mannes hatte. Drei Wochen habe ich ihn mit Unterstützung von Freunden und Pflegedienst gepflegt, dann ist er zuhause gestorben. Daran hatte ich lange zu knapsen und ich würde es heute auf jeden Fall anders machen! 

Den Traum vom Eigenheim hatte ich nie, von daher fand ich es nicht dramatisch, dass das Haus weg muss. Zumal ich dort nach dem Tod eh nicht mehr leben wollte. Als ich die Unterlagen durchgesehen und gemerkt habe, dass es keine Lebensversicherung gibt, hab ich geflucht – wer würde das nicht? Aber letztendlich hab ich die Insolvenz als logische Konsequenz und als Lösung gesehen. Meinen riesigen Schuldenberg, wie du so schön sagst, hätte ich nämlich wahrscheinlich sonst nie abzahlen können.

Hattest du jemals eine Phase, in der du extrem gehadert hast und dir dachtest: „Okay, das war’s. Mein Leben ist verpfuscht.“?

Ne, zum Glück nicht. Das Trauma durch die Pflege und den Tod hat mich ungefähr drei Jahre begleitet, das war schon heftig. Aber irgendwann hat es nachgelassen und heute kann ich gut mit den Erinnerungen leben.

Woher hast du Mut, Tatkraft und Energie genommen, das Schicksal anzunehmen und unbeirrt dein Ding zu machen?

Weiß nicht. Irgendwie war ich schon immer so, dass ich gemacht habe, worauf ich Lust habe. Allerdings war ich früher dabei nicht sonderlich bewusst und hab nicht geguckt, was ich WIRKLICH will. Stattdessen hab ich mich treiben lassen. Ich sag immer gerne, dass mein Leben vor sich hingeplätschert ist. Dass ich wirklich ein Ding konsequent durchziehe und ein großes Ziel habe, erlebe ich jetzt neu. Durch meinen Blog hat sich irgendwie mein ganzes Leben verändert.

Ich verfolge deinen Weg, seit du vor ungefähr einem Jahr mit dem Bloggen begonnen hast. Als diplomierter Anti-Angst-Experte (so möchte ich übrigens unbedingt mal in einer Talkshow genannt werden) bewundere ich, wie viele Mutproben du in dieser Zeit bestanden und wie du dich dadurch verändert hast. Kommt dir das manchmal unwirklich vor, wie viel in dieser kurzen Zeit passiert ist?

Ja, manchmal. Aufgefallen ist mir das zum Beispiel, als ich im Oktober ein Skype-Interview mit Mara Stix und ihrer Geschäftspartnerin Marie Stoffers gemacht habe. Ende Juli hab ich bei beiden ein Seminar besucht, also nur gut zwei Monate vorher. Im Vorgespräch zum Interview machten mich die beiden darauf aufmerksam, dass das Seminar nicht schon ein halbes Jahr zurückliegt, wie ich gedacht habe, sondern erst zwei Monate. Das kam mir deutlich länger vor, weil wirklich viel passiert ist.

Linda BenninghoffWie hast du es geschafft, dass aus der einstmals kamerascheuen, etwas unsicher wirkenden Ostfriesin eine fröhlich plaudernde Interviewerin geworden ist, die eigene Webinare gibt, fremde Webinare moderiert und für die der Umgang mit Videos nun selbstverständlich wirkt?

Ich glaube, das hängt damit zusammen, dass ich mir etwas aufbauen will, das Ziel immer anpeile und deswegen zu allen Möglichkeiten, die sich mir bieten, erst einmal Ja sage. Raho Bornhorst hatte mir im Juni vorgeschlagen, dass ich ihn interviewen kann. Wer sich mit Persönlichkeitsentwicklung beschäftigt, hat seinen Namen sicherlich schon einmal gehört. Er ist Verleger und Freund von Brian Tracy, Autor und als Coach sehr erfolgreich. Wenn ich zu dem Angebot Nein gesagt hätte, wäre ich wirklich bekloppt gewesen! Also hab ich mit Herzklopfen und schweißnassen Händen zugesagt und das Interview zwei Tage später zitternd durchgezogen. Da habe ich gemerkt, dass mir Interviewen total viel Spaß macht und mache es seitdem regelmäßig.

Gab es einen klassischen Türöffner-Moment oder ist es die Summe aus vielen einzelnen Veränderungen, die dein Selbstwertgefühl so in die Höhe getrieben haben? Was trägt alles dazu bei, dass du dich überwunden hast, Dinge zu tun, die für dich früher unvorstellbar gewesen wären?

Wichtig war für mich der Moment, als ich Mara Stix mit meinem vier Monate alten Blog gefragt habe, ob ich einen Gastartikel bei ihr schreiben darf – durfte ich. Außerdem hab ich mich in der gleichen Zeit wegen einer anderen Sache getraut, Conni Biesalski zu tweeten und sie hat geantwortet. Die hatten beide fast Promistatus für mich und schienen unerreichbar. Damals war ich bei beiden Anfragen mega aufgeregt, heute gehe ich da gelassen mit um, auch wenn es große Berühmtheiten sind. Entweder die antworten oder eben nicht.  Der große Türöffner war für mich das Interview mit Raho.

Wie viel Selbstwert braucht man, um sich zu trauen, seine eigenen Erkenntnisse auch für Geld anzubieten? Und schüttelt dich manchmal eine kleine Panik durch, die dir ins Ohr brüllt: „Das kauft doch eh keiner?“ Und noch viel wichtiger: Wie gehst du mit solchen Angstmomenten um?

Gute Frage! Wobei die anderen auch nicht schlecht waren 😉 Bei mir war es bisher nicht das Problem, meine Erkenntnisse für Geld anzubieten, sondern den Wert darin zu erkennen. Ich hab für meinen Blog ein Ebook über Sparmethoden geschrieben und es vor ein paar Monaten bei Amazon und auf meinem Blog zum Verkauf angeboten. Von meinen Testlesern habe ich echt tolle Feedbacks bekommen, dass sie begeistert sind, schon einiges umgesetzt haben und so. Wenn ich die Testimonials gelesen habe, hab ich aber nur gedacht: “Hm okay. Der schreibt das sicherlich nur, weil er das Buch kostenlos lesen durfte und mich kennt.” Dass die das Buch tatsächlich gut finden könnten, habe ich nicht gedacht. Weil ich noch nicht an mich geglaubt habe. Das Buch hab ich nach ein paar Wochen deswegen wieder vom Blog genommen.

Jetzt bei der Entwicklung meines Selbstwertkurses habe ich gemerkt, dass sich da viel geändert hat. Wenn ich von einem Teilnehmer die Rückmeldung bekomme, dass er es geschafft hat, ein Hindernis zu überwinden oder sein Etappenziel tatsächlich zu erreichen, freue ich mich total und kann das wertschätzen. Einmal musste ich vor Glück und Dankbarkeit sogar weinen, als ich ein Feedback gelesen habe. (Allein den letzten Satz hätte ich vor zwei Jahren noch als esoterisches Gelaber abgestempelt, fällt mir gerade auf. Es ist wirklich viel passiert)

Aber natürlich kenne ich Momente, wo ich denke, dass eh niemand meinen Kurs kauft. “Niemand kennt ihn, braucht ihn, kauft ihn.” Von der Erleuchtung bin ich leider noch ein ziemliches Stück entfernt und solche Gedanken kommen ab und zu hoch. Wenn es mal wieder so weit ist, hilft es mir, zu schreiben. Nicht im Blog, sondern richtig auf Papier. Ich schreibe dann auf, was in meinem Kopf los ist und merke schon beim Schreiben, was ich mir wieder für Quatsch zusammenreime. Beim Schreiben sortieren sich die Gedanken, ich finde Lösungen, neue Wege oder einfach nur ein bisschen Neutralität.

Mittlerweile ist mir vor allem wichtig, dass ich aus dem Mangeldenken rauskomme. Wenn ich mich “ausgeschrieben” habe, geht`s mir besser und ich bin wieder positiv und in der Fülle. Wenn wir positiv denken, ziehen wir Positives an – das habe ich so oft gemerkt im letzten Jahr und sehe es auch bei vielen anderen Menschen. Erst vor ein paar Tagen wieder: Ich habe einen blöden Morgen à la “Ich werde arm sterben”, schreibe mir den Mangel von der Seele und fühle mich wieder richtig toll. Dann klingelt es an der Tür und der Postbote bringt ein verfrühtes Nikolauspaket. Eine Stunde später schreibst du mich an und fragst nach diesem Interview. Gleiches zieht Gleiches an.

Zum Schluss die Frage, die an alle Interviewpartner geht: Das beste Mittel gegen die Angst ist …

… sein Ziel zu kennen und vor Augen zu haben. Wenn ich ein Interview mit Tim Ferriss machen dürfte, würde ich mir sogar eine Vogelspinne über den Arm laufen lassen.