Es ist gerade 2.43 Uhr und du liest diesen Artikel? Dann kommt er augenscheinlich zur richtigen Zeit.

Das Thema liegt diese Woche in der Luft. Auch wenn ich eine lange Ideenliste habe: Am liebsten folge ich der aktuellen Inspiration und greife das auf, was sich mir förmlich aufdrängt.

Das war in den vergangenen Tagen ganz klar die Frage: “Wie kann man auch ohne Medikamente gut schlafen?” In der Familie, bei Freunden und auch in einer Leser-Mail ging es immer wieder darum.

Also: Auftrag erkannt. Heute geht’s um Schlafen. Im Idealfall ums gute Schlafen.

Wie ich das Schlafen ohne Medikamente neu lernen durfte

Ich selbst habe ein Jahrzehnt lang ziemlich gut geschlafen. Mein Schlafmittel: Antidepressiva (und manchmal auch richtig heftige Schlaf- und Beruhigungsmittel) plus ziemlich oft Alkohol.

Wenn ich nicht gerade ganz heftige Phasen von Angst und/oder Depression hatte, war ich damit ganz gut ruhig gestellt.

Der Nachteil: Ich war damit auch untertags ganz gut ruhig gestellt, hatte nicht gerade Lust zum Bäume ausreißen und war meist froh, wenn die Tage recht unspektakulär vorüber gegangen sind. Von den Nebenwirkungen der Antidepressiva und des konstanten Alkoholkonsums ganz zu schweigen.

Als eine von vielen Veränderungen in meinem Leben habe ich in den vergangenen dreieinhalb Jahren viel an meiner Schlafqualität gearbeitet und so einiges ausprobiert.

So richtig ernst wurde es im vergangenen Jahr, als ich endgültig meine Psychopharmaka erfolgreich abgesetzt habe. Wie es mir dabei ging, kannst du in diesem Artikel lesen.

Jetzt gab es keine chemische Unterstützung mehr. Ich durfte herausfinden, wie ich auch ohne Medikamente gut schlafen kann.

Und ja, das ist mir ziemlich gut gelungen. So über den Daumen gepeilt schlafe ich in 90 bis 95 Prozent aller Nächte gut bis sehr gut.

Ich habe mich viel mit dem Thema beschäftigt, einiges ausprobiert und gebe deshalb gerne meine Erfahrungen weiter. (Ich weiß, liebe Eltern von Babys und Kleinkindern, dass euer Thema anders gelagert ist – immerhin spielt die Zeit für euch.)

Meine wichtigsten Erkenntnisse und Rezepte zum guten Schlaf

#1 Du stirbst nicht gleich, wenn du mal nicht gut schläfst

Was wird nicht überall für ein Drama aus dem Schlafen gemacht. Ständig beschallen dich alle möglichen Ratgeber damit, wie schlimm es ist, wenn du nicht gut schläfst.

Natürlich ist guter Schlaf essentiell für unsere Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Dem will ich nicht widersprechen. Doch gleichzeitig geht die Welt von ein paar unruhigen Nächten nicht unter.

Viel schlimmer für dein Wohlbefinden ist nämlich, wenn du dich ständig unter Druck setzt, wie dein idealer Schlaf auszusehen hat. Anstatt manchmal einfach zu sagen: “Es ist, wie es ist.”

Ist doch völlig normal, wenn du wegen eines Jobwechsels, einer anstehenden Reise, eines bevorstehenden Dates oder eines wichtigen Projekts (egal ob privat oder beruflich) aufgeregt bist und nicht wie gewohnt zur Ruhe kommst.

Mir ging es in den vergangenen Monaten so, als mein erstes Buchprojekt extrem viel Zeit und Energie benötigt hat und als ich zum ersten Mal seit 24 Jahren wieder geflogen bin. Da gab es genug Nächte, in denen ich unruhig war und mir tierisch hätte Sorgen machen können, warum ich nicht gut schlafe.

Mein hilfreichstes Mittel war, die Situation zu akzeptieren, weil ich den Auslöser kannte und zu wissen, dass auch wieder andere Zeiten mit gutem Schlaf kommen. Und so war es auch.

#2 Durchschlafen wird völlig überbewertet

Einschlafen um 22.30 Uhr, aufwachen um 6.30 Uhr und von der restlichen Zeit nichts wissen: Das ist das Idealbild in unseren Köpfen vom perfekten Schlaf.

Das ist Käse, sagen Schlafforscher, weil wir im Schnitt nachts 28-mal aufwachen. Hier gibt es einen sehr interessanten Artikel zu den größten Schlaf-Irrtümern.

Die acht Stunden Schlaf am Stück, mit denen wir uns unter Druck setzen, gab es vor Einführung des künstlichen Lichts gar nicht.

Für unsere Vorfahren war es bis vor wenigen Jahrhunderten noch völlig normal, nach dem Sonnenuntergang ins Bett zu gehen, ein paar Stunden zu schlafen und wieder aufzustehen. Dann waren die Menschen ein bis zwei Stunden wach, haben sich mit Nachbarn unterhalten, kleine Aufgaben erledigt oder hatten Sex (du kannst dir aussuchen, was für dich die Lieblingsvariante wäre).

Der amerikanische Psychiater Thomas Wehr führte in den 1990er Jahren dazu ein Experiment durch, das in diesem Artikel gut beschrieben ist. Er setzte eine Gruppe von Menschen jeden Tag 14 Stunden in kompletter Dunkelheit verbringen. In der vierten Woche hatten sich die Teilnehmer an den neuen Bio-Rhythmus gewöhnt und begannen so zu schlafen, wie es unser Körper unter natürlichen Voraussetzungen tun würde. Nach vier Stunden wachten sie für ein bis zwei Stunden auf, anschließend schliefen sie erneut für etwa vier Stunden.

Was du draus lernen kannst? Nachts aufwachen ist völlig unproblematisch, solange du es nicht zum Problem machst. Und warum nicht mal zwischendrin aufstehen, wenn du gar nicht mehr einschlafen kannst? Es liegt bestimmt Bügelwäsche herum oder du beginnst mit deiner Autobiographie.

#3 Schließ den Tag positiv ab

Du hältst es für eine super Idee, auch nachts um 22 Uhr noch deinen Partner damit zu nerven, wie schrecklich dein Chef heute zu dir war? Nimmst also die schlimmen fünf Minuten zum Anlass, dir und deinem Liebsten so richtig schön den Abend und den Schlaf zu versauen?

Wie wäre es denn, wenn du mal auf die restlichen 1075 Minuten schaust, die du wach warst und in denen dir wahrscheinlich viel Gutes widerfahren ist?

Nimm dir ein Büchlein zu Hand und schreibe ein paar Sachen auf: was gut gelaufen ist, wer nett zu dir war, über was du Lustiges gelacht hast, welche Erfolge du hattest, was du dir selbst bewiesen hast, für was du dankbar bist.

Die Methode ist so simpel und wirkt schlichtweg Wunder. Und ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, wieso die meisten Menschen das trotzdem nicht machen, sondern lieber maulig ins Bett gehen.

#4 Denk den nächsten Tag voraus

Die alt bekannte Falle: Du liegst im Bett und plötzlich rattert es. Das muss ich morgen machen und das muss ich machen und das muss ich machen und das muss ich machen …

Kein Wunder, dass du jetzt nicht einschlafen kannst. Warum überlegst du dir nicht eine halbe Stunde vor dem Schlafengehen, was morgen ansteht und wie du es bewältigen wirst?

Mach dir eine schöne Prioritätenliste. Je öfter du das tust, desto öfter werden “Ich muss das machen”-Dinge herunterfallen, weil du feststellst, dass die gar nicht wirklich wichtig sind.

Du kannst beruhigt ins Bett gehen, weil du auf den nächsten Tag vorbereitet bist. Im Idealfall planst du immer auch ein ganz konkretes Zeitfenster für dich ein (z.B. für Sport, Meditation, Yoga, Musik, Treff mit Freunden etc.).

#5 Stell das Affengeschnatter ab

Die beste Möglichkeit, zur Ruhe zu kommen, ist: zur Ruhe zu kommen. Du kannst nur gut einschlafen, wenn du deinem Geist die Chance auf Abschalten gibst.

Bereite dich ganz bewusst auf die ruhige Phase vor: vielleicht mit wohltuender Musik (auch wenn dir Heavy Metal sonst wohltut, ist das jetzt gerade keine top Idee), einer Tasse Tee, einem positiven Buch, Meditation, sanftem Yoga, Entspannungsübungen – oder was auch immer dir hilft, den Übergang Richtung Nachtruhe zu gestalten.

Das funktioniert bei mir selbst dann, wenn ich um 22 Uhr (was zum Glück sehr selten vorkommt) erst den Laptop zuklappe. Ein paar sanfte Übungen zu meditativer Musik und mein Geist weiß ganz schnell, was jetzt gespielt wird.

#6 Lass die Glotze aus

Am besten für immer. Es gibt in meinen Augen keine größere Zeitverschwendung und Möglichkeit der Verblödung.

Wenn du überhaupt nicht drauf verzichten kannst oder magst, dann versuch bitte wenigstens nicht, dich mit Nachrichten, Polit-Talkshows oder blutrünstigen Krimis in den Schlaf zu wiegen.

Dann sagt nämlich dein Unterbewusstsein: “Ah cool, dieser Mensch will mehr von Aufregung, Streit, Horror und Unruhe. Kann er im Schlaf gerne haben!”

Ich habe vor vielen Jahren geglaubt, ich könnte nur mit laufendem Fernseher einschlafen. Keine gute Idee. Gar keine gute Idee …

#7 Schlafen funktioniert auch ohne Tablet und Smartphone

Nein, du musst deiner betrunkenen Freundin nachts um 3.32 Uhr keine WhatsApp zurückschreiben, wenn sie sich gerade bei dir wegen ihres Liebeskummers ausweint.

Du musst auch im Bett mit deinem Tablet keine Börsenkurse mehr checken oder lustige Katzenvideos anschauen.

Dein Bett ist zum Schlafen da (oder was dir sonst noch so einfällt) und kein Technikzentrum.

Und dein Smartphone und Tablet sind in einem anderen Raum. Lautlos. Ohne Vibrieren. Einfach ruhig.

Dieser Punkt ist für mich nicht diskutabel.

#8 Kein Alkohol, kein Alkohol, kein Alkohol

Ach, hatte ich schon mal erwähnt, dass du am besten abends auf Alkohol verzichtest? (Was jetzt nicht heißt, dass du morgens oder mittags trinken sollst.)

Alkohol ist grundsätzlich keine gute Idee, wenn du unter Ängsten leidest oder psychisch nicht ganz stabil bist. In diesem Artikel auf dem Blog “Ich habe auch Angst” ist super erklärt, wie Alkohol Angst und Depressionen auslösen bzw. verschlimmern kann.

Das kann ich aus eigener, langjähriger Erfahrung nur allzu gut bestätigen. Vielleicht schläfst du mit Alkohol besser ein. Aber sicher schläfst du nicht besser durch und wachst schon gar nicht erholter auf.

Ich bin kein kompletter Abstinenzler, sondern trinke auch hin und wieder mal ein Bier oder ein Glas Wein. Und jedes Mal komme ich zu der – für mich inzwischen nicht mehr überraschenden – Feststellung: Ohne Alkohol habe ich einen viel besseren Schlafrhythmus. Je länger ich keinen Alkohol trinke, umso besser schlafe ich.

Keine Angst, ich will dir dein Feierabendbier oder dein Glas Rotwein nicht madig machen. Nur: Falls du mit deinem Schlaf nicht ganz zufrieden bist, darfst du dir dieses Thema gerne einmal näher anschauen.

#9 Iss zu Abend, nicht zur Nacht

Wahrscheinlich hast du das schon 1000-mal gelesen, deshalb spare ich mir langes Geschwafel.

Nur so viel: Dein Körper will schlafen und nicht Pizza oder Gummibärchen verdauen. Also gönne ihm ein paar Stunden Verdauungszeit, bevor du ins Bett gehst.

Wenn ich spät und reichhaltig esse, habe ich eine Garantie auf einen unruhigen Schlaf. Also mache ich das lieber nicht so oft.

#10 Beweg dich täglich draußen

Hast du auch schon 1000-mal gelesen, stimmt trotzdem. Ohne eine gewisse Grundbelastung deines Körpers ist er einfach nicht müde genug, um dir (tiefen) Schlaf zu gönnen.

Beweg dich täglich 30 Minuten draußen, besser noch 60 Minuten. Ob zu Fuß, mit dem Rad, Surfbrett oder Skiern ist egal. Genauso, ob du dich langsam oder schnell bewegst. Wenn du langsam anfängst, wirst du eh mit der Zeit schneller.

Und jetzt bitte keine Ausrede von wegen Winter, Kälte, Dunkelheit, Nässe und so. Dafür gibt es die passende Kleidung und Stirnlampen. Frag Hundebesitzer, wenn du es nicht glaubst.

Ach, du hast keine Zeit dafür? Aber du hast Zeit, abends grübelnd im Bett zu liegen, weil du nicht einschlafen kannst? Merkst du was?

#11 Lern, dich zu entspannen

Ich kann inzwischen an fast jedem Ort zu jeder Zeit schlafen (fürs Fliegen übe ich noch). Warum? Weil ich seit dreieinhalb Jahren konstant Entspannungsübungen mache und regelmäßig meditiere.

Es ist nicht nötig, dass du deine Übungen zwingend abends machst. Such dir eine Sache heraus und praktiziere sie jeden Tag. 5 oder 10 Minuten geführte Meditation zum Beispiel reichen schon völlig aus. Dafür ist selbst in der Mittagspause des Bürojobs genug Zeit. Ich habe es ausprobiert.

In diesem Artikel habe ich die besten Entspannungstechniken vorgestellt: Entspannung ist alles – Meine 7 besten Tools, Tipps und Tricks.

#12 Wenn das alles nicht hilft (was ich dir nicht glaube)

Du machst alles genau so wie beschrieben und kannst trotzdem nicht gut schlafen? Oh nein, du sollst doch den lieben Blogger-Onkel nicht anlügen. Das kaufe ich dir nicht ab.

Nichtsdestotrotz kannst du noch weitere Sachen probieren, wenn du gerne noch besser schlafen willst. Denn dein bisheriges Verhalten war augenscheinlich nicht zielführend. Dazu eines meiner Lieblingszitate:

Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.
(Albert Einstein)

Wenn du sonst immer im Stockdunkeln schläfst, lass mal die Rollos oben. Wenn es sonst muckelig warm ist, mach mal die Fenster auf und lass frische Luft rein.

Schnupper an einem Lavendelkissen oder beruhigendem Duftöl, lass dich massieren oder genehmige dir selbst eine kleine Massage, probier es mit pflanzlichen Beruhigungsmitteln oder hör eine Schlaftrance. (Letztere funktioniert bei mir immer.)

Und jetzt gebe ich endlich Ruhe.

Gute Nacht!

Was hilft dir am besten für einen guten Schlaf? Schreib deinen Tipp bitte unbedingt in die Kommentare, damit wir hier eine möglichst große Liste an hilfreichen Dingen zusammenbekommen. Danke schon mal!

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