Timo Peters Bruder Leichtfuß

Eine der größten Herausforderungen des Lebens – wenn nicht gar die größte überhaupt – ist es, seinen Ängsten ins Auge zu schauen. Viele kleine und große Ängste hindern uns täglich daran, unser Leben in all seinen Möglichkeiten auszuschöpfen. 

In der Serie “Nur Mut”, die regelmäßig auf diesem Blog erscheint, befrage ich Menschen, die sich ihren Ängsten in den unterschiedlichsten Bereichen gestellt haben oder stellen, die mutig durchs Leben schreiten. Diese erzählen, wie sie davon profitiert haben und welche Auswirkungen das auf ihr Leben hatte. Zudem kommen auch Experten zu diesem Thema zu Wort.

In Teil fünf der Serie stellt sich Timo Peters meinen Fragen. Der 30-jährige Hamburger ist der Prototyp eines Abenteurers und lebt größtenteils vom Schreiben. Auf seinem Blog Bruder Leichtfuß berichtet er von seinen spannenden Trips auf der ganzen Welt. Am liebsten ist er per Anhalter unterwegs. Beim Trampen hat er einen passionierten Segler kennengelernt und durch ihn seine Leidenschaft fürs Segeln entdeckt. Was dabei herauskam? Timo schaffte es per Anhalter über den Atlantik, von Spanien bis Brasilien. 

Hallo Timo, beziehungsweise Moin, wie man bei Euch in Hamburg sagt. Ich habe in den vergangenen Tagen dutzende Berichte auf deinem Blog verschlungen und mich dabei gefragt, ob du überhaupt vor irgendetwas Angst hast. Hast du?

Moin Mischa! Klar gibt es Situationen, in denen ich Angst habe oder mir Sorgen mache. Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass sich Ängste am besten damit bekämpfen lassen, indem man Risiken realistisch abschätzt. In vielen Fällen wird das Risiko von Gesellschaft, Medien und Co. künstlich überhöht: Die meisten Überfälle passieren, zumindest in Europa, im Fernsehen. Meine größte Angst ist es deshalb vielleicht, Abenteuer zu verpassen und es irgendwann zu bereuen.

Viele würden sich noch nicht einmal trauen, von München nach Hamburg zu trampen. Du aber bist gleich als Anhalter über den Atlantik getrampt. Hast du dich in dem Moment als mutig empfunden?

Eigentlich nicht – was wahrscheinlich wieder an meiner Risikoanalyse lag. Jedes Jahr überqueren tausende Segler den Atlantik. Die allermeisten davon haben eine großartige Zeit. Vor dem Start dieses Trips kamen die größten Bedenken von Leuten, die noch nie einen Fuß auf ein Segelboot gesetzt hatten. Segler dagegen schauten mich neidvoll an und wünschten mir eine gute Zeit. Das finde ich ziemlich bezeichnend.

So eine Tour als Anhalter über die Weltmeere besteht ja aus zwei Komponenten: Segler zu finden, die einen mitnehmen und dann – wie in deinem Fall – auch sechs Wochen auf hoher See auszuhalten. Was war für dich der schwierigere Part?

Ich bin nicht so der Typ, der ständig fremde Leute anspricht, das kostet mich beim Trampen immer wieder ein wenig Überwindung – sowohl an Land als auch zur See. So lange auf See und vor allem so weit draußen war ich vorher auch noch nie gewesen. Am Anfang des ersten Törns hatte ich da schon einen Moment, an dem ich ehrlich gesagt ziemlich große Angst hatte. Das war, als ich realisierte, dass ich jetzt einige Tage auf einem Boot sozusagen „gefangen“ bin, es nicht verlassen kann und auch kaum Möglichkeiten habe, mir im Notfall Hilfe zu holen. Ich hing einmal über der Reling, „Möwen füttern“. Danach schlief ich erst einmal für zwölf Stunden – danach war alles wieder gut!

Mir wird ja schon beim Gedanken an einen schweren Sturm auf hoher See in so einem kleinen Schiff übel. Euch hat es gleich am zweiten Tag erwischt. Dabei ist einiges kaputt gegangen. Bekommst du in solchen Situationen ein klein wenig Muffe, oder bleibst du selbst da noch cool?

Also in dieser speziellen Situation hatte ich vor allem im ersten Moment richtige Angst. In meinem Kopf sah ich uns schon tagelang manövrierunfähig auf dem Ozean herumtreiben und auf Hilfe warten. Hier war es dann der Kapitän des Bootes, der zunächst einmal klare Anweisungen gab, was ich zu tun hatte. Nach dem ersten Schock klärte er mich über die Optionen auf, die wir damals hatten. Die Seenotrettung erwähnte er nicht, was mich wieder zuversichtlich machte, irgendwann auf der anderen Seite des Ozeans anzukommen. Und so war es dann ja auch.

TimoPeters Bruder Leichfuß Freiheit

Nachdem du schon so viele Abenteuer erlebt hast, die nicht immer ungefährlich waren, stellt sich die Frage: Wie gehst du mit Gefahrensituationen um? Hast du eine spezielle Witterung dafür, und wie schaffst du es, in der Ruhe zu bleiben?

Information und Wissen helfen enorm: Vor meinen Abenteuern informiere ich mich, lese viel und unterhalte mich mit Leuten, die ähnliches unternommen haben. Dabei lege ich dann immer ein besonderes Augenmerk auf die kritischen Situationen und wie die zu lösen sind. Es ist immer am wichtigsten, Optionen für den Notfall im Kopf zu haben. Ansonsten erscheinen Situationen ausweglos,  was Angst macht. Und gerade in Notfällen ist Angst einfach der schlechteste Berater.

Hattest du eigentlich das Abenteurer- und Tramper-Gen schon immer?

Meine Mutti erzählt heute noch ganz gerne, wie ich als ganz kleiner Stöpsel meinen Spielzeugkoffer gepackt habe und mit meinem Dreirad losgefahren bin – Ziel: „Amerika“. Die ersten Jahre konnte sie mich dann noch einfangen. Aber als ich meine erste Radtour mit Zelt über mehrere Tage unternommen habe, war ich dreizehn – Mutti hatte wohl eingesehen, dass es keinen Zweck hat, mich weiter aufzuhalten.

Kannst du beschreiben, was diese Abenteuer, diese spezielle Art zu reisen, bei dir auslösen? Sind es diese „Glückshormone für zwei, drei oder vier“, wie du sie mitten auf dem Atlantik erlebt hast?

Ja. Ich liebe das Gefühl von Freiheit, ich mag es einfach, morgens nicht zu wissen, wo ich mich abends schlafen legen werde. Wenn ich unterwegs bin, merke ich immer wieder, was alles möglich ist. Zwischendurch komme ich mir dann vor wie die verwegenen Helden meiner Jugend: Störtebeker, Kolumbus, Huck Finn und wie sie alle heißen – was dann auch wieder Glücksgefühle in mir auslöst.

Was mir sehr gut gefällt – auch, weil ich das nach meiner halbjährigen Reise mit dem VW Bus bestätigen kann: Du wirbst dafür, viel mehr Vertrauen in die anderen Menschen zu haben und sich zu öffnen. Sind es für dich die Begegnungen mit anderen Menschen, die den eigentlichen Reiz des Reisens ausmachen?

Ganz eindeutig: Neben dem Trampen bin ich auch begeisterter Couchsurfer. Beides sind sehr einfache Möglichkeiten, unterwegs ganz normale Menschen kennen zu lernen. Und das zieht sich durch alle meine Reisen und Abenteuer: Jede Reise ist nur so gut, wie die Menschen, die man unterwegs trifft. Ein schönes Beispiel: Vor fast zehn Jahren war ich für einige Monate in Palästina, also in den israelisch besetzten Gebieten in der Westbank unterwegs. Das Leben dort wird vor allem von Gewalt und Militär dominiert. Es ist schwierig, Fotos zu schießen, auf denen keine Waffe, kein Stacheldraht und kein Tarnnetz zu sehen ist. Die Gegend hat also unter touristischen Gesichtspunkten nicht wirklich viel „Schönes“ zu bieten. Dafür haben mich die Menschen dort extrem herzlich begrüßt und eine unglaubliche Gastfreundschaft an den Tag gelegt – so löst diese Reise noch heute unwahrscheinlich positive Gefühle in mir aus.

Gab es auch schon Menschen, bei denen du nicht ins Auto eingestiegen bist? Oder bei denen du dir während der Fahrt gedacht hast, dass du lieber nicht eingestiegen wärst?

Eigentlich nicht. Naja, ich bin ganz gerne auf Musikfestivals unterwegs und trampe dann auch ganz gerne. Auf dem Rückweg habe ich da schon häufiger mal Angebote abgelehnt, wenn der Fahrer noch eine Fahne hatte oder sehr müde aussah. Generell sind aber Leute, die für Tramper anhalten, sehr offen und freundlich – ist ja auch irgendwie logisch, oder?

Abenteuer Trampen Timo Peters

Auf alle Fälle bist du einer der bekanntesten deutschen Tramper – oder sogar der bekannteste? -, der immer wieder von den Vorzügen dieser Art zu reisen schwärmt und dafür wirbt, dass das Trampen nicht ausstirbt. Warum sollte das jeder einmal ausprobieren?

Trampen ist die perfekte Möglichkeit, zu lernen, dass das Leben ganz einfach sein kann. Und dass die allermeisten Menschen dir nichts Schlechtes wollen, sondern eher das Gegenteil. Menschen sind in aller Regel freundlich und hilfsbereit. Das zu erfahren, tut gut. Es macht optimistisch und verbessert das Bild, das man von seiner Umwelt hat – mir bringt das in unheimlich vielen Situationen im ganz alltäglichen Leben was.

Frei nach dem Credo deines Blogs: „Echte Abenteuer ganz einfach.“ Ist es wirklich so einfach, oder muss man schon ein spezieller Typ dafür sein?

Das schwierigste ist wirklich, sich selber in den Hintern zu treten und loszuziehen.  Wenn man einmal aufgebrochen ist, kommt meistens alles ganz von alleine – und man lernt, dass es für alles eine Lösung gibt. Ich jedenfalls habe noch niemanden von einem Abenteuer abgeraten – und habe deswegen auch noch nie ein schlechtes Gewissen haben müssen. Wichtig bei der Typfrage ist es, ein positiv eingestellter Mensch zu sein. Allerdings beißt sich hier die Katze in den Schwanz: Je mehr Abenteuer ich erlebt habe, desto positiver bin ich selber eingestellt.

Ergänze zum Abschluss bitte den Satz: Das beste Mittel gegen die Angst ist …

… eine realistische Einschätzung des tatsächlichen Risikos – das ist meist viel kleiner als das gefühlte Risiko!

Vielen Dank, Timo, für das Interview!