Tarzan rettet Jane. Ken rettet Barbie. Superman rettet Lois Lane. Al Gore rettet die Welt. (Großartiger Einstieg, wehe, an der Stelle lacht niemand!)

Doch wer rettet dich? Erlöst dich von Angst, Unsicherheit, Schmerzen, Unruhe, Unzufriedenheit? Gibt dir endlich, endlich den entscheidenden Tipp oder Tritt?

Weil du weißt: Wenn das passiert, dann geht’s ab. Dann nimmt dein Leben Fahrt auf, dann erledigen sich die Probleme wie von selbst. Dann fängst du so richtig an, dein Ding zu machen.

Mit einem Blick auf die Überschrift fällt die Antwort nicht schwer: niemand. Klingt doof, ist aber so.

Ich wünschte ja auch, dass es anders wäre. Wie im Film könnte doch ein Superheld auftauchen. Oder zumindest ein Gelber Engel, der statt meinem Auto mein Leben wieder flott kriegt.

Dieser Niemand hat ganz schön viel zu tun

Doch in der Realität sieht es so aus:

  • Niemand liefert dir den Schlüsselmoment, ab dem sich alles ändert.
  • Niemand holt dich aus deinem Scheiß-Job.
  • Niemand befreit dich von deinen Ängsten.
  • Niemand besorgt dir liebevolle Freunde.
  • Niemand hat das passende Medikament, mit dem alles gut wird.
  • Niemand erlöst dich vom Perfektionismus.
  • Niemand bringt dir bei, Nein zu sagen.
  • Niemand nimmt dir die Unsicherheit, wenn du Neues wagst.
  • Niemand bewahrt dich vorm Scheitern.
  • Niemand tröstet dein verletzliches inneres Kind.
  • Niemand weiß, wann der richtige Zeitpunkt für deine Veränderungen gekommen ist.
  • Niemand hat ein Patentrezept für dein Leben.
  • Niemand geht den ersten Schritt für dich.

Ja, ich weiß. Du liest schon ein Ratgeberbuch nach dem anderen. Hörst inspirierende Podcasts, bist Dauergast in Webinaren, Kursen und Seminaren. Hast dich coachen lassen und vielleicht schon so viele Zertifikate wie andere Leute Tischtennispokale gesammelt.

Oder warst in zig Therapien. Selbsthilfegruppen. Aktiv in verschiedenen Foren. Hast dir selbst das Gefühl gegeben, du kümmerst dich so richtig um dein Thema.

All das hat seine Berechtigung. Gut, dass es das alles gibt. In der Tat unverzichtbare Hilfen.

Nur das allein wird dich nicht retten.

Die Erlösung beginnt erst, wenn du den ersten Schritt machst. Und dann noch einen. Und noch einen.

Die heilsame Wirkung des ersten Schritts

In den vergangenen drei Jahren habe ich mehr erste Schritte gemacht als in den 20 Jahren zuvor zusammengerechnet. Bin quasi zum Erste-Schritte-Experte mutiert.

Deshalb fallen mir die Schritte nicht leichter. Das Unbehagen, die Unsicherheit, die innere Gegenwehr und gewisse Fluchtreflexe bleiben meine treuen Begleiter, wenn Herausforderungen anstehen.

Nur mache ich im Gegensatz zu früher die Schritte genau deshalb. Weil ich weiß, dass ich es aushalte. Weil ich weiß, dass ich nur im (manchmal durchaus schmerzhaften) Lernprozess wachsen kann.

Und weil am Ende eh kein Szenario nur ansatzweise so schlimm wird, wie es sich mein Clown im Kopf ausgemalt hat. By the way ein überaus begabter Künstler, dem ich seine Werke nur nicht mehr abkaufe, was er mir manchmal übel nimmt.

Wie sieht dein erster Schritt aus?

Wie könnte dein erster Schritt aussehen, den du schon solange gehen willst (und das Gefühl hast, es geht nicht, weil jemand deine Schnürsenkel zusammengeknotet hat)?

Wenn du dich traust, deine Bedürfnisse zu spüren, weißt du es wahrscheinlich genau.

Ist es …

  • … das Bild, das du schon lange malen wolltest?
  • … das Buch, das du nach zwei Kapiteln aufgehört hast?
  • … das versöhnende Gespräch mit einem Familienmitglied oder Freund?
  • … die abendliche Bewegung statt Fernseh-Reflex?
  • … der Vortrag, um dein neues Business bekannter zu machen?
  • … der Verzicht auf Alkohol zumindest einen Tag (eine Woche, einen Monat)?
  • … der Entschluss für eine lange Reise?
  • … die Anmeldung für eine Veranstaltung, bei der du niemanden kennst?
  • … die Kündigung, die du nach drei Jahren tatsächlich aus der Schublade holst?
  • … das Ende von “Everybodys Darling” verbunden mit manch kräftigem Nein?
  • … einfach Zeit für dich, jeden Tag, ohne Ausrede?

Geh langsam, aber geh!

Was auch immer es ist: Nichts außer dir selbst hält dich vom ersten Schritt ab. Alles andere sind Ausreden.

Du brauchst dabei nicht zu hetzen. Dir keine monstermäßigen Pläne machen, die so weit weg vom Status Quo sind, dass du ganz schnell wieder aufgibst.

Lass dir alle Zeit der Welt. Geh langsam, aber geh.

Wenn du Energie für Zwischensprints hast, dann renn los. Wenn du irgendwo hängen bleibst, stolperst, strauchelst, dann lach drüber und geh trotzdem weiter.

Für mich funktioniert das nur so. Manchmal fühle ich mich wie eine Schnecke. Doch auch die kommt voran. Lieber bewege ich mich im Zeitlupentempo, als stehenzubleiben und über die zu lachen, die nur langsam vorankommen.

Ich kann niemanden retten

Zu verstehen und akzeptieren, dass niemand mich rettet, fand ich früher in der Opferrolle ganz schön schwer. Genauso hart ist es für mich heute loszulassen und einzusehen, dass ich niemanden retten kann.

Auch diese ersten Schritte bin ich gegangen, nehme mich inzwischen bewusst zurück (was mal mehr, mal weniger gut gelingt) und halte mich an das buddhistische Sprichwort: Der Lehrer ist da, wenn der Schüler bereit ist.

Jeder macht seine Erfahrungen zum richtigen Zeitpunkt. Auch wenn ich manchmal daneben stehe und andere Menschen schütteln möchte, weil ihre Rettung so nahe liegt und sie beide Augen fest davor verschließen.

Ich kann (leider) niemanden erlösen. Ich kann bei meinen Themen nur vorangehen und Beispiel geben.

Wenn daraufhin jemand anfängt, erste Schritte zu machen, um seine eigene Rettung einzuleiten, bin ich der glücklichste Mensch der Welt.

Welchen ersten Schritt schiebst du schon länger vor dir her? Oder wo bist du losgelaufen und stecken geblieben? Oder gehörst du auch zu denen, die andere Menschen gerne retten würden und dann feststellen, dass es nicht geht? Ich freue mich auf deinen Kommentar!

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