Kürzlich habe ich geträumt. Ich laufe in einem riesigen Flughafengebäude herum, bis ich endlich den richtigen Check-in-Schalter gefunden habe. Genauer gesagt die richtige Check-in-Tür (das kommt davon, dass ich so lange nicht geflogen bin, sodass mein Unterbewusstsein nicht mal mehr weiß, wie Flughäfen von innen aussehen).

Auf alle Fälle bin ich aus dem Schlaf aufgeschreckt. Mein Herz hat laut gepocht. Denn diesmal war es nicht einer von den vielen Flug- und Flughafenträumen. Diesmal war es quasi die vorweg genommene Realität.

1992 bin ich das letzte Mal geflogen. 24 lange Jahre, in denen ich so gerne wieder wollte. Doch fehlte mir aufgrund meiner Flugangst jegliches Zutrauen, das jemals wieder zu tun. Wobei ich genau genommen gar nicht weiß, ob es überhaupt Flugangst oder einfach nur die riesengroße Angst davor war, wie seinerzeit panisch in so einer komischen Röhre gefangen zu sein und gefühlt von allen anderen dabei beobachtet zu werden.

Zwei Jahre lang habe ich nun darüber geschrieben, dass ich wieder fliegen werde. Habe mir den ein oder anderen Plan zurechtgelegt und wieder verworfen.

Jetzt ist es Zeit für Taten. Heute in einem Monat hebt mein Flieger nach Sardinien ab. Nachdem ich die Tickets für meine Frau und mich gebucht habe, sitze ich im Idealfall auch drin. Auch wenn im Freundes- und Bekanntenkreis durchaus spekuliert wird, an welcher Stelle ich einen Rückzieher mache.

Ohne alle Ereignisse des 7. Septembers vorhersehen zu können, sage ich einfach mal: an gar keiner Stelle. Die Zeit ist reif für die größte Mutprobe meines Lebens.

Wenn nicht jetzt, wann dann?

Denn eine Frage wurde immer drängender: Wenn nicht jetzt, wann dann? Ich habe mich in den vergangenen 3 Jahren am eigenen Schopf aus dem Sumpf aus Angst und Depressionen gezogen. Ich habe meinen Job gekündigt, eine geile Europareise erlebt, habe mich selbstständig gemacht, habe Antidepressiva und inzwischen jegliche Medikamente abgesetzt und führe ein Leben in Freiheit und Zufriedenheit, wie ich es mir in den kühnsten Träumen nicht hätte ausmalen können.

Ich habe so viele Dinge mutig angepackt und durchgezogen, vor denen sich andere Menschen in die Hosen machen. Da werde ich doch auch einen zweistündigen Flug überstehen.

Schluss mit den Ausweichmanövern

Hört sich an wie das Pfeifen im Walde? Kann sein, ist es wahrscheinlich auch ein bisschen. Aber allemal besser, als mir im Sekundentakt ganz schlimme Dinge vorzustellen und mir einzureden, warum es nicht klappt. Das Muster kenne ich von früher nur zu gut. Hat super funktioniert und mich irgendwann in die Anstalt gebracht (ja, ich darf das schreiben, wir haben unsere Klinik damals liebevoll so genannt).

Diese Ausweichmanöver von mir habe ich in den vergangenen zwei Jahren beim Thema Fliegen durchaus mit Interesse beobachtet. „Ach, schon wieder ein Termin für das Flugangst-Seminar ausgebucht. Wie schade.“ Oder: „Welchen Sinn macht es denn zu fliegen, wenn ich so einen geilen VW Bus vor der Tür stehen habe?“

Als eifriger Leser meines Blogs hast du natürlich erkannt: alles nur Ausreden. Nachdem ich auf meinem Blog verkünde, dass ich mich ALLEN Herausforderungen des Lebens mutig stelle, habe ich nun die große Chance, diese eine fehlende Zahl auf meinem großen Mut-Bingo anzukreuzen.

Nicht soft& sexy, sondern Hardcore

Keine Ausreden mehr, heißt für mich auch: Es gibt keine Soft&Sexy-Variante mit Flugangst-Seminar und Probeflug von München nach Hamburg. Irgendwie stecken da zu viele Ausweichmöglichkeiten drin. Mir gefällt der Flug nicht? Dann fahre ich halt mit dem Zug zurück. Zudem wäre ich selbst nach zwei erfolgreichen Probeflügen mit psychologischer Begleitung immer noch nicht „richtig“ geflogen.

Jetzt gebe ich mir gleich die Hardcore-Variante: Die lustige Ryanair-Verkaufsshow mit Lösen von Toilettenbons und was noch alles dazu gehört. Warum zum Start nicht lieber die gediegene Lufthansa, wurde ich gefragt. Ganz einfach: Mein letzter Flug war mit der Lufthansa und die Erinnerungen daran waren nicht ganz so prima (was aber nicht an der Lufthansa, sondern einzig an mir lag). Insofern ist die Lufthansa für mich keine Garantie für tolle Flüge. Warum also nicht mal was ausprobieren?

Was tun mit dem inneren Zweifler?

Kann ich mir das Fliegen überhaupt wieder vorstellen? Ja und Nein zugleich. Es gibt Momente, wo ich ausflippe vor Freude, dass ich mich traue. Und wenig später denke ich mir beim Anblick der Buchungsbestätigung: „Du Riesen-Hornochse, was hast du getan? Hast du das wirklich getan? Und warum bitteschön hast du das getan?“ Ein dauerndes Wechselspiel zwischen Euphorie und Erschrecken.

Wie soll ich mir auch etwas vorstellen, was ich 24 Jahre lang kategorisch ausgeschlossen habe?

So hat der innere Zweifler derzeit Hochkonjunktur. So viel hatte er schon lange nicht mehr zu tun und freut sich über sein neues Betätigungsfeld. Ich lasse ihn quatschen und verfälsche dann seine Stimme mit einem derb-brummelnden, tief-sächsischen Akzent. Witzig! Ich muss zumindest drüber lachen und kann mich in dem Moment nicht mehr so wie früher in die bedrohliche Szenerie hineinsteigern.

Ich sage mir immer wieder: Es ist eine ganz andere Zeit, ich bin ein ganz anderer Mensch als damals. Ich habe so viel erreicht, also ist es jetzt Zeit für das Abenteuer des Lebens.

Letztlich kann ich durch diese Erfahrung nur gewinnen: Mein Leben wird – ganz egal, wie das Experiment ausgeht – keinen Deut schlechter sein als zuvor.

Wenn der Therapeut mit Flugangst fliegt

Mut machen mir die vielen Kommentare meiner Leser zu dem Thema. Und ein Gespräch, das ich gestern mit dem befreundeten Psychotherapeuten Sandro hatte (hier der Link zu seinem Blog, hier ein Interview über Konfrontationstherapie, das ich mit ihm geführt habe). Er selbst leidet (auch) unter Flugangst und war schon mal kurz davor, nie mehr in ein Flugzeug zu steigen.

Doch er hat gelernt, alle Dinge, die sich während eines Fluges bei ihm an körperlichen Reaktionen zeigen, einfach hinzunehmen. Statt die Angst verdrängen oder weghaben zu wollen, darf sie da sein. Er akzeptiert, dass er Angst hat, lässt sich davon aber nicht seine (möglichen) Ziele ausreden.

Weil ich unheimlich gerne mit Experten spreche und so neugierig bin, wollte ich von ihm wissen, was denn bei mir passieren wird, wenn ich nach so langer Zeit wieder ins Flugzeug steige. Seine lapidare Antwort: „Alles kann passieren. Es kann sein, dass du ganz relaxt bist, weil das gar nicht mehr dein Thema bist bis hin zu einer richtig fetten Panikattacke.“

Worauf ich schon wieder lachen musste, weil seit dem NLP-Seminar das Wort „Panikattacke“ bei mir mit einem Lachflash verknüpft ist. In einer Übung damals ist mir auch bewusst geworden, wie wichtig das Fliegen (oder zumindest es wieder zu probieren) für mich ist. Nachdem ich in der intensiven Übung gedanklich mein Ziel erreicht hatte – also frohgemut und jubelnd in einem südlichen Land aus dem Flieger zu steigen -, sollte ich mit einem halben Jahr Abstand auf mich bzw. das erreichte Ziel zurückschauen. Dabei schossen mir Tränen in die Augen und ohne großes Nachdenken entfuhr mir: “Warum habe ich nur solange gewartet?!”

Mein Werkzeugkasten: Vorfreude, Lachen und Entspannen

Ich habe keine Ahnung, was mich am 7. September erwartet. Ich weiß nur, dass ich inzwischen ein paar Werkzeuge in meinem Köfferchen habe, die mir helfen.

So richte ich meinen Fokus voll auf das Ziel des Fluges, also einen wunderbaren Urlaub auf Sardinien, aus. Und zugleich die mit dem Fliegen verbundenen großen Vorteile und Möglichkeiten für mich in der Zukunft. Inzwischen habe ich schon drei DIN-A-5-Seiten vollgeschrieben. Scheint also wirklich was Gutes zu sein, das Fliegen.

Dazu praktiziere ich wie gewohnt meine Entspannungsübungen, die ich alle in diesem Artikel vorgestellt habe. Und ich höre täglich die Trance “Begeistert fliegen!”, die sehr speziell ist (insofern auch Menschen abschreckt, die NLP bzw. die Stimme und Art von Marc Pletzer nicht kennen), bei der ich jedes Mal lachen muss und die mir ein rundum gutes Gefühl gibt.

Im Idealfall sitze ich mit Kopfhörern im Flieger und lache so laut bei der Trance, dass mich die anderen Passagiere schon blöd anschauen. Und wenn nicht, dann werde ich die zwei Stunden Flug irgendwie überstehen. Gesetzt den Fall, ich finde vorher die richtige Tür zum Check-in …