Am 17. April feiere ich meinen zweiten Geburtstag. Verrückt, oder? So ein alter Dackel wie ich und dann so ein Aussage …

Auf die Idee bin ich gekommen, als meine Frau vor ein paar Tagen gesagt hat: “Wahnsinn, was sich bei dir in den vergangenen zwei Jahren getan hat.” Das habe ich zum Anlass genommen, dem Tag eine besondere Bedeutung zuzuweisen, der so viel in meinem Leben verändert hat.

17. April 2013, der Tag, an dem nichts mehr ging. Ein Tag, der so schmerzhaft war, der sich so unwirklich anfühlte, an dem der letzte Funken Energie verloren gegangen war. Der Tag, an dem ich überzeugt war, dass ich nie mehr werde arbeiten können und ein Leben lang auf Hilfe angewiesen bin.

Kurz gesagt: Der 17. April war das Ende meines Lebens, wie ich es bis dato kannte. Zusammenbruch, Ende. Perspektive nicht vorhanden.

Rückwirkend gesehen war es wahrscheinlich der wichtigste Tag meines Lebens. Aus dem Ende wurde ein Anfang. Der Tag, an dem alles begann. Mein zweiter Geburtstag. Ein Grund zum Feiern.

Wenn der Personalchef vor Schreck vom Stuhl fällt

War das eine 180-Grad-Wendung, die ich seitdem hingelegt habe? Äußerlich betrachtet bestimmt. Oder wie mir ein Kumpel schrieb, der mich ein paar Jahre nicht mehr gesehen hatte: “Bei dir ist wirklich kein Stein auf dem anderen geblieben.”

Wirklich?

Okay, mein Lebenslauf der vergangenen zwei Jahre würde jeden Personalchef vor Schreck vom Stuhl hauen:

Natürlich hat sich mein Leben stark geändert. Nur so extrem, wie es auf dem Papier steht, fühlt es sich in meinem Inneren gar nicht an. Ich erkläre es mir damit, dass die Saat für dieses Leben schon immer da war. Es brauchte wohl erst das einschneidende Erlebnis und den Zugang zu meinen wirklichen Bedürfnissen, damit diese aufgehen kann.

Ich merke immer mehr, wer ich bin und nicht, wen ich darstellen will. Ich bin gut zu mir, schone mich aber nicht, wenn es um unbequeme Dinge geht. Mich immer wieder nackig zu machen – nein, nicht was du denkst, mehr so im verbalen Sinn – hilft mir ungemein.

Durch diesen Blog und das Schreiben wird meine Therapie fortgesetzt. Und du bist mein Co-Therapeut. Wie fühlt sich das an? Für mich ziemlich gut (es sei denn, ich bekomme jetzt Honorarforderungen von dir).

Das Kind muss noch viel lernen

Am Freitag in einer Woche werde ich also zwei Jahre alt. Was zeichnet mich in meinen jungen Jahren so aus?

Bestimmt die kindliche Unbekümmertheit, ein gewisser Übermut und dass ich mir nicht mehr um so viele Dinge einen Kopf mache. Dazu kommt noch ein Urvertrauen, dass sich schon alles so entwickeln wird, wie es soll.

Was steht mir auf dem Weg zum Erwachsensein noch bevor? Vor allem ganz viel Lernen.

Aber nicht das lebenslange Lernen, das auf jeder Absolventenfeier gepredigt wird und nur heißt, dass ich mir im Betrieb immer schön die Fähigkeiten aneignen muss, die ich am Arbeitsplatz benötige – und oftmals eben nur da.

Sondern das Lernen, das in der neu gewonnenen Freiheit und der Selbstständigkeit unabdingbar ist. Dabei stellen sich folgende Fragen:

  • Wie gehe ich mit meiner Freiheit um und nutze sie für mich?
  • Wie viel Disziplin bringe ich ohne 9-to-5-Job auf?
  • Wie viel Zeit brauche ich für mich, um nicht in die alte Überforderungsfalle zu tappen?
  • Wie finde ich die richtige Mischung aus Heimatgebundenheit und dem Bedürfnis nach ein bisschen Vagabundenleben?
  • Will ich wirklich jahrelang mein Geld nur mit PC-Arbeit verdienen oder brauche ich auf Dauer mehr Offline-Beschäftigung, um zufriedener zu leben?
  • Kann ich mir überhaupt erlauben, auch mal zwei Tage offline zu sein?
  • Wie viel Zeit kann ich meinem Blog widmen?
  • Wie viel Zeit muss ich dafür aufwenden, um mich vor allem in den sozialen Medien weiter zu vernetzen und die Kontakte aufrechtzuerhalten?
  • Welche Projekte treibe ich voran, was lass ich lieber sein, was verschiebe ich auf die Zukunft?
  • Wie optimiere ich mich meine Organisation, meine Kundengespräche, meine Preise, meine Produkte, mein Marketing – also alles, was mit dem Business zu tun hat?

Wie du siehst, ist bei mir sehr viel im Fluss. Wie andauernd seit dem 17. April 2013.

Es gibt Tage, da überfordert mich das, gebe ich offen zu. Weil ich das Gefühl habe, alles müsste schneller gehen, ich müsste mehr Dinge parallel schaffen. Es ist anstrengend, wenn sich die Gedanken um 20 Dinge gleichzeitig drehen.

Dann muss ich mich bewusst zurückpfeifen, um den Fokus wieder zu bekommen. Muss mir laut sagen: “Eins nach dem anderen.”

Der Prozess ist noch lange nicht zu Ende

In der Regel klappt das. Und meine persönlichen Gewinne aus der neuen Lebenssituation sind sowieso unbezahlbar, sodass ich die schwierigen Tage gerne dafür in Kauf nehme.

Jeden Tag aufs Neue darf ich so kreativ sein, wie ich will. Ich werde gefordert, lerne ständig dazu, treffe großartige Leute, lerne noch mehr dazu, habe überraschende Begegnungen und Jobaufträge und lerne immer weiter.

Mit meinem früheren Leben möchte ich sicher nicht mehr tauschen. Gleichzeitig stelle ich fest, dass mein Prozess noch lange nicht zu Ende ist, obwohl sich in zwei Jahren so verdammt viel getan hat.

Für einen Zweijährigen habe ich wirklich schon jede Menge gesehen und erlebt. Ich habe mir vorgenommen, mir noch öfter vor Augen zu halten, was ich in der Zeit alles erreicht habe. Und dann darüber zu staunen wie ein Kind.

Wahrscheinlich bin ich auch der einzige Zweijährige, der zu seinem Geburtstag gute Freunde einlädt und mit ihnen ein paar Gläser Bier oder Wein trinkt …

Hattest du in deinem Leben auch so einen Wendepunkt? Ein Tag, der so beschissen war, aber sich hinterher als überaus wertvoll und notwendig herausgestellt hat? Falls ja, freue ich mich sehr auf deinen Kommentar. Falls nein, natürlich auch.