Was für eine doofe Überschrift! Hast du dir zuerst gedacht, oder?

Ich auch. Dann fand ich sie lustig und habe sie doch ausgewählt.

Der Hintergrund: In dieser Woche durfte ich feststellen, dass einige meiner Leser und Follower geradezu (Achtung Kalauer!) panische Angst davor haben, dass es mir zu gut geht.

Warum? Auf meiner Facebook-Seite habe ich in einem 20-minütigen Video darüber erzählt, dass ich gerade durch eine kleine Talsohle marschiert bin. Ich habe mir vor lauter Begeisterung über meine vielen Projekte zu wenig Ruhe gegönnt, an einigen Stellen wichtige Routinen schleifen lassen und mich bei der Flut an täglichen Nachrichten nicht gut genug abgegrenzt. Mein Körper hat mir ein paar klare Signale gegeben, ich habe sie verstanden und an einigen Stellschrauben gedreht. So weit, so gut (oder kurzzeitig so schlecht).

Neben den unfassbar vielen ermunternden, aufmunternden und bestätigenden Kommentaren habe ich auch ein paar Nachrichten bekommen, weshalb spontan dieser Artikel entstanden ist.

Der Tenor (so ganz grob formuliert): Es sei erleichternd zu wissen, dass es auch bei mir nicht nur bergauf geht. Diese vielen Erfolgsmeldungen waren manchen Lesern geradezu suspekt, sodass sie jetzt froh sind, dass auch ich mal ne Durchhängerphase habe. Jetzt sei ich endlich wieder normal, näher an der Realität.

In meiner Mitte oder nicht?

Eine Leserin schrieb sogar wortwörtlich: “Ich habe mich super über dein Video gefreut, zeigt es doch, dass du endlich wieder auf dem Weg zu dir bist und vor allem, dass Du wieder Zugang zu deinen eigentlichen Fähigkeiten und Möglichkeiten gesucht und gefunden hast. Die letzten Monate hast Du dich mit dem, was ich von dir mitbekam, doch eher immer weiter von dem entfernt, was dich im Kern ausmacht.”

Einen kurzen Moment habe ich überlegt, ob ich mich tierisch aufregen soll. Dann habe ich einfach ein paar Minuten lang nur gelacht. Meine Frau hat schon ganz komisch geschaut, weil ich mich gar nicht mehr einbekommen habe.

Was so lustig dran ist?

Ich war noch nie näher in meiner Mitte, an meinem Kern, an meiner Quelle als in den vergangenen Monaten.

Wer mir das nicht glaubt, darf gerne mal die Teilnehmer meines Mutmacher-Camps fragen, die Zuhörer meinen Vorträge, Patrick Lynen, mit dem ich zusammen mein Hörbuch aufgenommen habe, und alle anderen Menschen, die in meiner Nähe waren. Noch nie hatte ich das Gefühl, dass ich so in meiner Kraft bin, dass ich beruflich zu 100 Prozent das richtige mache, dass ich als professioneller Mutmacher das Beste gebe, was ich zu geben habe.

Ich glaube, da darf ich schon mal lachen, wenn so eine Ferndiagnose ein klein wenig am Ziel vorbeischießt.

Mich gibt es nicht in echt oder unecht, sondern in allen Facetten. Ich hatte ein gigantisches halbes Jahr. Und sehe nicht ein, wieso ich da irgendwas verschweigen, mich nicht kräftig dafür feiern und in die Welt hinausposaunen sollte, dass es gerade einfach läuft. Dass sich viele – teils unkonventionelle – Entscheidungen der vergangenen Jahre immer mehr zu einem stimmigen Gesamtbild festigen.

Und jetzt hatte ich halt gerade mal ne richtig beschissene Woche, für die niemand als ich selbst verantwortlich war. Punkt. Das akzeptiere ich, habe daraus gelernt und schaue nun wieder voller Begeisterung nach vorne, anstatt wochenlang im Chor der Jammerer mitzusingen.

Keine Lust mehr aufs Gefängnis

Ich verstehe alle Zweifler, weil ich mich selbst manchmal zwicken muss.

Abgesehen davon: Auch ich ertappe mich ab und an, dass ich anderen Menschen nicht ihren Erfolg gönne (was mein Verstand natürlich immer super logisch begründen kann und sich als eigene Geschichte gleich ganz anderes anhört, haha) oder meine, andere müssten sich anders verhalten oder präsentieren, als sie es tun.

Und dann merke:

Hoppla, ich hatte ja nur Angst, abgehängt zu werden. So einfach darf das doch bei anderen nicht funktionieren.

Ja, das ist der alte Gefängnis-Insassen-Reflex: Selbst wenn es im Gefängnis noch so Scheiße und ungemütlich ist, trauen wir uns den eigenen Ausbruch nicht zu. Und wollen definitiv keine Meldungen von Menschen hören, denen das gelungen ist. Ja, am liebsten möchten wir sie, während sie schon halb über der Mauer sind, am Bein wieder herunterziehen. Damit sie wieder da landen, wo alle sind.

Das Gute, das Andere, die Freiheit ist uns in den Momenten suspekt. Wir wissen schon, dass wir diese Ziele eigentlich anstreben. Doch ist unsere größte Angst, dass wir allein im Gefängnis zurück bleiben. Also halten wir lieber die anderen von der Flucht ab (gilt, wie du sicher schon erlebt hast, für alle Lebensbereiche).

Da ich aber irgendwie so gar keinen Bock mehr auf muffelige Gefängnisluft habe und eine frische Meeresbrise meiner Seele deutlich besser tut, richte ich meinen Fokus auf jenseits der Mauern.

Was zum Beispiel für diesen Blog heißt, dass ich dich nicht vollheulen muss, wenn ich bei 20 geilen Tagen mal einen Katastrophentag habe. Klar habe ich den (und habe auch nie anderes behauptet). Denn was bitteschön wäre dein Nutzen von einer Ausrichtung hin zu “Mimimi, is ja mal wieder alles sooo schlimm.”?

Warum du bei Erfolgsmeldungen anderer noch skeptisch bist

Mir geht es darum zu zeigen, dass es trotz aller Wachstumsschmerzen richtig gute – und manchmal sogar schnelle -Entwicklungen geben kann, wenn wir die ewige (deutsche) Skepsis und Angst durch Vertrauen ersetzen.

Zum Glück bin ich diesbezüglich bei Weitem nicht das einzige Beispiel. Wenn du trotzdem lieber deinem inneren Mahner zuhörst und solche Erfolgsmeldungen nicht glaubst oder lieber nicht so oft liest, dann liegt es vielleicht daran:

  • Du willst deine Angst immer noch bekämpfen, anstatt sie als Teil deines Lebens anzunehmen (Ich mache etwas UND ich habe Angst; nicht: Ich mache dann etwas, wenn ich irgendwann mal keine Angst mehr habe).
  • Du bist zu ungeduldig mit dir und kannst deine eigenen Fortschritte nicht würdigen und dementsprechend feiern. Deshalb hoffst du insgeheim, dass andere auch nicht so schnell vorankommen.
  • Du hast den unumstößlichen Glaubenssatz, dass du vom Schicksal schwer getroffen bist und deshalb für immer leiden musst. Du hast lebenslänglich. Kann man nichts machen.
  • Du fühlst dich sicherer und besser, je mehr Leidensgenossen du hast und willst gar nicht, dass jemand andere Erfolge vorweisen kann. Denn das könnte heißen, dass es (auch) an dir liegt.
  • Dir fehlt das Vertrauen, dass Dinge sich auch positiv entwickeln können, wenn du sie nicht direkt steuern kannst. Du weißt zwar nicht mal, wie das Wetter morgen wird und was du anziehen wirst. Aber die Katastrophen, die passieren werden, die kennst du schon ganz genau.

Zusammengefasst: Das, was du über mich (oder andere suspekte Wesen) sagst und denkst, ist im Großen und Ganzen nur ein Spiegel deiner eigenen Situation.

An dieser Tatsache habe ich selbst, wenn ich mal wieder ins Zweifeln oder Kritisieren abrutsche, immer wieder zu knabbern. Ich mag den Gedanken dann gar nicht, doch trotzdem ist da verdammt viel Wahres dran.

Keine Angst vor öffentlichen Schmerzen

Für mich war es enorm heilsam, meine Schmerzen diesmal öffentlich zu machen. Weil ich damit zeigen wollte, dass es bei allen Höhenflügen immer wieder Momente gibt, die sich niemand so aussucht. Die den richtigen Anlass zum Innehalten geben und unglaubliches Lernpotenzial bieten.

In erster Linie für mich. Vielleicht auch für andere, die das lesen.

Denn es ist unerlässlich, genau hinzuschauen und hinzufühlen. Und wenn ich merke, dass etwas aus dem Ruder läuft, dann darf ich mir das eingestehen.

Gleichzeitig habe ich ein viel besseres Frühwarnsystem und deutlich mehr Werkzeuge in meinem Köfferchen, um auch nach Pannen bald wieder Fahrt aufnehmen zu können.

Fahrt aufnehmen heißt aber nicht, nur mal kurz zu verschnaufen, um mich dann wieder völlig zu verausgaben. Da kenne ich leider Beispiele aus der Persönlichkeitsentwicklungs-/Patientenbloggerszene, die kluge Ratschläge für die Lebensbalance geben, um dann vor lauter Begeisterung für ihr Thema in eine Burnout-Zwangspause geschickt zu werden.

Fahrt aufnehmen heißt stattdessen, meinen Kompass wieder klarer auszurichten, noch öfter Nein zu sagen, mich wieder auf die Routinen zu konzentrieren, die mir gut tun und gewisse Projektideen zu verschieben oder ganz in die Tonne zu kloppen.

Es gibt kein anderes Lebensziel, als gut auf mich zu achten.

Kennst du auch den Gefängnis-Insassen-Reflex? Oder kennst du Menschen, die deine Entwicklung am liebsten torpedieren und dich wieder zurück ins Gefängnis holen wollen? Ich freue mich auf deine Erfahrungsberichte.

Foto: Dominik Berchtold