Heute erfolgt meine offizielle Bankrotterklärung als Blogger. Ich erkläre hiermit feierlich, dass du nicht mehr auf mich und meine Ratschläge hören sollst.

Ob ich den Verstand verloren habe? Nein (obwohl ich gerne ein wenig verrückt bin). Ob das Ende des Blogs kurz bevorsteht? Nein (da müsste ich ja verrückt sein).

Was ist dann passiert? Ich habe in letzter Zeit viel gelesen, viel nachgedacht und bin zu folgender Erkenntnis gekommen: Wir Internet-Prediger machen es uns zu leicht.

Wir überfallen unsere Leser zu oft mit unseren geballten Erkenntnissen und lassen sie wissen: “Mach alles so wie ich, dann werden deine Seele, deine Finanzen, deine Selbstdisziplin, dein Blog oder was auch immer in einen Zustand endloser Glückseligkeit übergehen.”

Das ist natürlich ausgemachter Quatsch. Denn ich bin ich. Du bist du. Wir sind alle Individuen und funktionieren zum Glück nicht auf Knopfdruck. Deshalb lautet meine Forderung:

Hör nicht auf mich – hör auf dich!

Worauf ich mit der leicht provokativen Aussage hinaus will: Freu dich über die vielen guten Ratschläge im Netz. Aber betrachte sie ganz realistisch als das, was sie sind: ein unverbindliches Angebot, eine mögliche Hilfestellung. Aber ganz sicher keine Schablone für ein angstfreies erfülltes und glückliches Leben, ein gut laufendes Business, eine überragende Selbstdisziplin, einen super-duper-erfolgreichen Blog.

Denn DU bist die entscheidende Person in deinem Leben. Ich kann und will dir Hilfestellung geben. Ich berichte liebend gerne von meinen Erfahrungen, lege da all mein Herzblut hinein und hoffe, dass du etwas Positives daraus ziehen kannst. Aber am Ende musst du in dich hineinhören und spüren, ob es auch zu dir passt.

Herausgeworfenes Geld für Anti-Panik-Bücher

Ein Beispiel von mir aus früheren Zeiten, in denen ich noch nicht Ratgeber, sondern Ratsuchender war: Viele Jahre lang habe ich verzweifelt versucht, gegen meine Panikattacken anzukommen. Habe Buch um Buch dazu verschlungen, die empfohlenen Übungen gemacht und am Ende die Feststellung gemacht: Das Geld hätte ich auch zum Fenster hinauswerfen können.

Warum? Weil die Ratschläge (noch) nicht zu mir gepasst haben. Weil ich für den großen Schritt nicht weit genug war bzw. diesen ohne therapeutische Unterstützung damals noch nicht gehen konnte.

Ich habe mich immer brav an das Credo dieser Ratgeber gehalten: “Du musst immer wieder in die angstauslösende Situation hineingehen. Dann kannst du deine Angst bezwingen.”

Dieser Satz ist richtig, aber nur ein Teil der Wahrheit, wie ich erlebt habe. Denn ich habe mich hinters Steuer gesetzt und bin Autobahn gefahren, obwohl ich die Male zuvor Angstattacken hatte. Was passierte? Ich hatte jedesmal wieder eine Attacke. Oder die Konferenz in der Redaktion. Über Monate hinweg hatte ich jeden Morgen eine Attacke. Ich habe mich jedesmal der Angst gestellt und bin wieder hinein. Gebessert hat sich nichts. Zu dem Thema könnte ich noch viele Beispiele nennen. (Deshalb habe ich mich mit einem Experten über die Konfrontationstherapie unterhalten)

Ich bin verzweifelt, weil all die “So schaffst du es”-Bücher mir nicht helfen konnten. “Warum klappt das bei allen, nur bei mir nicht?”, habe ich mich immer gefragt. Ganz einfach: Weil ich die Erfahrungen der Autoren nicht einfach meinem Leben überstülpen konnte. Weil ich ich bin und meinen eigenen Weg finden musste.

Update: Zum Glück habe ich inzwischen zwei Bücher gefunden, die ich rundherum empfehlen kann und die sich deutlich von den beschriebenen abheben. In diesem Artikel stelle ich sie vor.

Und dieser Weg führte über meinem Zusammenbruch und ein radikales Umdenken meiner Lebensumstände und Einstellungen. Ich musste erst anfangen, mich selbst zu lieben, stolz auf mich sein zu können, Unsicherheit anzunehmen und mich voll und ganz den unendlichen Möglichkeiten des Universums anzuvertrauen, damit ich meine Panikattacken loswurde.

Ich bin glücklich, dass ich mit dieser Erfahrung nicht allein bein. Vor wenigen Tagen habe ich einen wunderbaren Artikel dazu entdeckt. Er handelt davon, dass die Standardmethoden, um mit Ängsten umzugehen, nicht auf jeden anwendbar sind.

Der eine sagt so, der andere so

Dasselbe gilt auch für alle anderen Bereiche. Egal, womit du dich befasst: Es kann und wird nie DEN Standard-Tipp geben, der wirklich jedem hilft.

Vor allem, da sich die guten Ratschläge teilweise widersprechen. Ich muss öfter mal lachen, wenn ich in der einen Woche auf dem einen Blog lese: “Das Leben beginnt jenseits der Komfortzone.” Und dann nächste Woche auf einem anderen: “Warum die Komfortzone etwas Gutes ist.”

Oder: “Wie du dein Business günstig in Asien zum Laufen bringst.” Und dann geraume Zeit später woanders: “Warum es keine gute Idee ist, deine Selbstständigkeit im Ausland zu starten.”

Was lernen wir daraus? Ich für meinen Teil, dass Tipps nicht besser werden, nur weil die dazugehörigen Überschriften besonders marktschreierisch sind. Und dass mein Gespür für mich und meine Bedürfnisse mir deutlich besser tut als das blinde Nachahmen irgendwelcher Ratschläge.

Trotzdem will ich diesen Artikel nicht beenden, ohne auch noch etwas (hoffentlich) Hilfreiches beizusteuern. Mein Rat lautet: Lies viel zu den Themen, in denen du vorankommen willst. Saug alles auf, aber laufe niemandem (oder seinen Tipps) gedankenlos hinterher, sondern hinterfrage immer, ob es auch zu dir passt.

Sei dein eigener Guru. Geh in die Richtung, in die dein innerer Kompass zeigt. Wenn du gnadenlos ehrlich zu dir bist, zeigt er den richtigen Weg an.

Oder kurz gesagt: Hör auf dich!

Update: Mit 2 Jahren zusätzlicher Erfahrung habe ich nochmal – mit deutlichen Worten – über das Thema geschrieben: Schluss mit der Selbstoptimierung! 

Wie sind deine Erfahrungen mit dem Thema? Hattest du auch schon das Gefühl, dass du von einem guten Ratschlag einfach überfordert warst? Und dass es dir vielleicht sogar besser ging, als du genau das Gegenteil gemacht hast? Ich freue mich auf deinen Kommentar!