Okay, Stefan Hiene, jetzt is auch mal wieder gut. Mag ja sein, dass du die Leser (und vor allem Leserinnen) deiner Aufwachmedizin mit “Guten Morgen Geliebte” ansprichst. Schönes Wiedererkennungs-Merkmal, Marketing-Gag oder was auch immer.

Aber dass du mir jetzt eine Facebook-Nachricht mit der Anrede “Geliebter Mischa” schickst, das ist jetzt doch ein bisschen arg persönlich, oder? Klar, ich finde dich und (fast) alles, was ich bisher von dir gehört oder gelesen habe, genial, wegweisend, irritierend-verstörend und zugleich unheimlich befreiend. Und ich lass das alle wissen, die das wissen wollen. Und alle anderen auch.

Doch was soll ich jetzt mit so einer intimen Ansprache anfangen? Woher willst du wissen, dass du mich liebst? Darfst du das schreiben? Und was macht das überhaupt für einen Eindruck, ich meine, du weißt schon, so von Mann zu Mann …?

Was soll ich SO einem antworten?

Diese und noch viel mehr Fragen stürmten am 17. Juli 2016 auf mich ein, als ich um 23.53 Uhr die besagte erste persönliche Nachricht von Stefan bekam. Sie rüttelten an mir, sie brachten so viele meiner Konditionierungen zum Thema “Liebe” ins Wanken und ließen mich ein Stück weit ratlos zurück. Was soll ich denn SO einem bitte antworten? Und vor allem wie?

“Aber Stefan, ist es nicht Verdrängung und Wunschdenken, wenn ich mich auf das Gute und die Liebe konzentriere, die ich angeblich sein soll, bei all dem Schlechten und der Angst und dem Hass auf dieser Welt?”

Ja, das ist gut möglich! Und wie nennst du es, dass du dich bisher auf all das Schlechte auf der Welt konzentriert hast?
(Stefan Hiene)

Ausgehend von der Tatsache, dass ich am nächsten Morgen um 6.27 Uhr geantwortet habe, muss es wohl eine kurze Nacht gewesen sein. In der ich – neben ein wenig Schlaf – hauptsächlich darüber philosophiert habe, wieso “Liebe” eigentlich so ein Trigger-Wort ist. Wieso es (scheinbar) reserviert ist für Partner/Lebensgefährten und Kinder, vielleicht noch Eltern und ganz nahestehende Verwandte und Freunde.

Warum wir das Gefühl, nach dem wir alle am meisten dürsten, geradezu vor anderen verstecken? Ich meine, wer traut sich denn, seiner Nachbarin ohne jeglichen sexuellen Hintergedanken zu sagen “Ich liebe dich”, ohne dabei zu befürchten, vom sonst so netten Herrn Nachbarn gleich ein ordentliches Veilchen verpasst zu bekommen?

Welcher heterosexuelle Mann sagt zu einem anderen Mann “Ich liebe dich”? Und was würde es auslösen, wenn wir dieses Wort bzw. diesen Satz aus der Schamzone nehmen würden und es völlig normal wäre statt “Geiler neuer Wagen, Alter!” einfach “Ich liebe dich” zu sagen?

Wie viele verkrustete Herzen würden aufbrechen, wie viele über so lange Zeit verdrängte Gefühle könnten sich endlich Raum schaffen?

Hiene, Miltenberger – alles Spinner!

Ja, ich schreibe das auf die Gefahr hin, dass 50 Prozent der männlichen Leser jetzt mit einem “Der hat sie doch nicht mehr alle” meinem Blog für immer den Rücken zuwenden. Betrifft die Frauen natürlich genauso, nur schließen sie meiner Erfahrung nach bei dem Thema nicht ganz so schnell die Tür zu.

Falls du jetzt denkst: “Hiene, Miltenberger – alles Spinner!”, dann kann ich das gut nachvollziehen. Und gleichzeitig bitte ich dich darum, dich zu fragen, was dich an dem Thema so besonders triggert?

Bei mir waren es hauptsächlich die beiden Aspekte “Liebe ist doch was ganz Intimes und nur für einen kleinen Kreis reserviert” und “Wenn ich dem jetzt schreibe, ‘Geliebter Stefan’, bin ich dann schon ein bisschen schwul?”

Mache nie wieder etwas für andere.
Mache alles nur noch für dich.
Dadurch wirst du erst so richtig wirksam.

(Stefan Hiene)

Was habe ich denn jetzt zurück geschrieben am 18. Juli 2016 um 6.27 Uhr? “Geliebter Stefan, (das ist so cool, jetzt hast du mich dazu gebracht, das auch mal einem Mann zu schreiben) …”

Ob mich das Überwindung gekostet hat? Und wie! Doch ich wollte das Experiment unbedingt machen. Wollte zwingend wissen, wie sich das anfühlt. In der Tat sehr seltsam und unwirklich – und doch irgendwie sehr richtig.

Beim ersten Mal stand der spielerische Aspekt (“Was löst das bei mir aus?”) noch im Vordergrund. Von Mal zu Mal wurde es selbstverständlicher, konnte ich das, was ich schreibe, auch mehr und mehr fühlen.

Ja, ich liebe Stefan Hiene und ich stehe dazu

Ja, ich liebe Stefan Hiene. Dieser Mann ist so berührend, so verletzlich, so 100 Prozent authentisch. Er traut sich, den ganzen Tag Stefan Hiene zu sein – völlig egal, wie viele Menschen er damit abschreckt. Für mich in seiner Rolle als Mann und vor allem als Mensch eines der großen Vorbilder unserer Zeit.

Umso mehr habe ich mich geehrt gefühlt, als ich ihn für seinen großen Stefan Hiene Onlinekongress interviewen durfte. Oder er mich. Oder wir uns.

Am 14. Juni wird das Interview ab 5.15 Uhr für 24 Stunden zu sehen sein. Parallel dazu übrigens auch der großartige Musiker SEOM, dessen Werdegang ich seit 15 Jahren aus relativer Nähe mitverfolgen durfte und dem ich seinen Erfolg nach so langer Anlaufzeit von Herzen gönne.

Wir wissen gar nicht, was Freiheit ist. Unser Horizont ist zu begrenzt. Und da wir die Erfahrung nie gemacht haben, sind wir ängstlich. Folglich treffen wir unsere Entscheidungen nicht aufgrund von Möglichkeiten, sondern aufgrund von Angst. Die war aber schon immer ein schlechter Ratgeber. (Stefan Hiene)

Ich weiß nicht, ob es schon jemals zwei Männer im deutschsprachigen Raum gab, die in einem Interview (unter anderem) so offen und schonungslos über ihre Ängste und Panikattacken gesprochen haben. Ich weiß auch nicht, ob es schon mal ein Interview gab, in dem der eine Gesprächspartner (in dem Fall ich) am Ende aufgrund der Lichtsituation kaum mehr zu sehen ist. Angesichts unserer intensiven Unterhaltung war das letztlich vollkommen egal.

Eins steht fest: Die 10 Interviews, die zum Abschluss des Kongresses ab Dienstag, 13. Juni, unter der Rubrik “Inspiration” ausgestrahlt werden, sind (nicht nur, weil die Anmeldung nichts kostet) ein riesiges Geschenk an die Menschen.

Ich habe inzwischen ein eigenes Büchlein, in das ich Zitate von Stefan Hiene schreibe (und bin damit bei Weitem nicht der Einzige …). Welche Räume sich öffnen, wenn er mit Menschen spricht, ist für mich einmalig.

Meine feste Überzeugung ist: Wer ihm und seinen Interviewpartnern zuhört, kann danach nicht mehr 1:1 dieselbe Einstellung zum Leben haben wie zuvor.

Ich liebe Stefan Hiene und ich stehe dazu.