glaubst du an dich?

An was wirst du glauben, oder glaubst du an dich?

(Rosentolz: Wir sind am Leben)

Glauben – was für ein unheimlich schwieriges, großes, komplexes, sensibles Thema. Trotzdem traue ich mich daran. Weil es mir unter den Nägeln brennt. Und weil mir die Liedzeile von Rosenstolz seit Monaten nicht aus dem Kopf geht.

Meine Antwort auf die Frage: Ja, ich glaube an mich. An meine Fähigkeiten, das Leben mit all seinen Unsicherheiten anzunehmen und für mich bestmöglich zu gestalten. Daran, dass niemand anderes für mein Wohlergehen zuständig ist. Nur ich selbst.

Ich brauche kein schlechtes Gewissen

Ich beobachte, dass sich streng gläubige Menschen ein wenig vor den Kopf gestoßen fühlen, wenn sie mich fragen, ob ich an Gott glaube und ich antworte: “Nein, ich glaube nur an mich.”

Warum ich das sage? Weil ich zutiefst davon überzeugt bin und auch erfahren habe, dass mir die klassische kirchliche “Gläubigen-Karriere” nicht gut tut. Ich brauche die zehn Gebote nicht als Regelwerk, um respektvoll mit meinen Mitmenschen umzugehen. Ich brauche niemanden, der mir ein schlechtes Gewissen macht, weil ich irgendwo “gesündigt” habe.

Ich will jetzt mein Leben auskosten mit all seinen Facetten, anstatt mir Gedanken darüber zu machen, was ich alles nicht machen darf, damit ich nach dem Tod nicht in die Hölle komme.

Ich will nicht ins Paradies, wenn der Weg dorthin so schwierig ist.
Ich stelle keinen Antrag auf Asyl, meinetwegen bleib ich hier. 

(Die Toten Hosen: Paradies)

Trotzdem halte ich Spiritualität für ganz wichtig. Meiner Meinung nach muss ich mich dafür aber nicht an irgendeine Glaubensgemeinschaft, Sekte oder einen Guru anketten, blind hinterherrennen und alles nachplappern.

Spiritualität kann ich überall erfahren: In einer dreistündigen buddhistischen Meditation – habe ich schon mitgemacht, war sehr beeindruckend -, in der überwältigenden Schönheit der Natur, und auch in der Kirche.

Für mich ist der Großteil der katholischen Gottesdienste stinklangweilig und weitgehend weltfremd. Doch habe ich in den vergangenen Jahren auch Gegenbeispiele erlebt, die mir noch immer eine Gänsehaut bescheren, wenn ich daran denke. So war der Firmgottesdienst meines Neffen so voller Lebensfreude, Energie und großartigen Gedanken, die der Bischof den Jugendlichen mit auf den Weg gegeben hat, dass ich echt überwältigt war und mir ein Tränchen verdrücken musste.

Den nicht erklärbaren Dingen vertrauen

Vielleicht hänge ich aufgrund meiner Erziehung und Prägung, bis ich 20 Jahre alt war, auch gedanklich noch zu sehr an dem Gott des katholischen Leitbilds. Vielleicht täte ich mich leichter, wenn ich Gott stellvertretend für das allumfassende Göttliche, die göttliche Energie sehen würde, die uns in den Mitmenschen und der Natur tagtäglich begeht.

Für die Dinge, die wir nicht auf Anhieb begreifen und schon gar nicht durch die Wissenschaft erklären können. Die aber da sind, spürbar sind und uns ganz neue Wege ermöglichen, wenn wir uns im Vertrauen darauf einlassen, wie ich schon im Artikel Das Leben und ich beschrieben habe. Diese Energie zu spüren und sich von ihr leiten zu lassen, hat mir unglaublich auf dem Weg aus der Krise geholfen.

Fünf hilfreiche Dinge

Also, ich glaube daran, dass es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die sich dem Verstand entziehen. Die aber trotzdem nicht verhindern oder es mir nicht ersparen, dass ich mein Leben selbst führen muss, mit all seinen Konsequenzen. Dass ich mich nur dann von meinen unnötigen Ängsten lösen kann, wenn ich bedingungslos an mich glaube. Folgende Dinge helfen mir dabei:

Mir jeden Tag zu sagen, dass ich für mein Glück oder Leid einzig und allein zuständig bin. Ich kann die Verantwortung an niemanden abdrücken. Niemand ist schuld, wenn es mir schlecht geht, weder die Eltern, noch Partner, Freunde oder Autoritäten. Denn ich habe jederzeit die Möglichkeit, meine Konsequenzen aus ungesunden Beziehungen oder Arbeitsverhältnissen zu ziehen.

Zu wissen, dass ich der einzige Experte für mein Leben bin, der all seine Erfahrungen dafür nutzt, weiter auf meinem Weg voranzukommen. Dazu brauche ich keine Wissenschaftler, die mir erklären, was ich wie oft zu essen habe, wie lange ich schlafen, wie oft ich mich bewegen soll.

Mir täglich Inspirationen von Menschen zu holen – sei es durch ganz viel Lesen oder persönliche Gespräche -, die auch einmal vom Weg abgekommen sind, schmerzhafte Einschnitte erfahren mussten, die Querdenker sind und sich nicht mehr auf der Normalo-Spur bewegen wollen, nur weil es alle anderen machen.

Mich für alle kleinen Dinge zu loben, die ich schaffe und immer wieder stolz darauf zu sein, wenn mir etwas Neues gelingt oder ich der Angst mal wieder ins Gesicht geschaut habe.

Und mir ab und an einfach zu sagen, dass ich ein richtig guter Typ bin, mit dem es Freude macht, Tag für Tag zu verbringen.

Ich muss gar nichts

Noch eine Anekdote zum Schluss: Auf meiner Europareise habe ich eine leicht crazy Künstlerin kennengelernt, die auch in ihrem Leben schon einiges durchgemacht hat. Sie hat mir gesagt, dass sie das alles nur überstehen konnte, weil sie an Gott glaubt. Als ich ihr dann meine übliche Antwort darauf gegeben habe, war sie etwas aufbrausend und hat gesagt: „Du MUSST an Gott glauben.“ Daraufhin habe ich ihr die Adresse meines Blogs aufgeschrieben, gelächelt und entgegnet: „Ich muss gar nichts.“

Religion ist, der Erfahrung eines anderen zu glauben.
Spiritualität ist, eine eigene Erfahrung zu haben.

(Tattva.de)

Welche Erfahrungen hast du mit Religion und Spiritualität gemacht? Was hilft dir und tut dir gut, was steht deinem Glück eher im Weg? Und ist es von mir zu kurz gesprungen, wenn ich meinen Glauben auf den Glauben an die eigene Stärke ausrichte? Ich bin sehr gespannt auf deinen Kommentar.