Forever Camping

Heute lass ich es raus. Gnadenlos. Ohne Reue. Denn es muss sein. Nach knapp vier Monaten Europatour mit meinem geliebten VW Bus Dr. D darf ich feststellen: Forever Camping! Es gibt keine bessere Art der Unterkunft beim Reisen auf diesem Kontinent. Zumindest für mich nicht. Warum das so ist, erfährst du hier:

#1 Über dir ist nur der (Sternen-)Himmel

Du bist draußen. Den ganzen Tag. Du spürst jeden Lufthauch, hörst jeden Vogel zwitschern, jede Zikade zirpen, genießt die Sonne auf deiner Haut oder den Halbschatten unter Pinien. Abends, wenn sich nach einem heißen Tag die erfrischende Kühle breitmacht, ziehst du dir etwas Wärmeres an, sitzt auf deinem Campingstuhl, ein Lämpchen brennt, die Weingläser sind gefüllt und du schaust nach oben. Da blinkt kein Rauchmelder im Hotel-Schlafzimmer. Da ist nur der Sternenhimmel.

Du lebst außerdem mitten in der Natur (wenn du nicht gerade auf dem City-Camping in Tallin, einem ehemaligen Speditionsgelände, campst) und denkst dir unweigerlich: “Verdammt noch mal, was kann es Schöneres geben?” Apropos Natur: Auch das Grillen und Lagerfeuer sind in Hotel- oder Hostelzimmern nicht so gern gesehen. Auf dem Campingplatz hast du dein Feuer immer bei dir.

#2 Du härtest beim Camping ab

Zugegeben, nicht jeder Tag entspricht dem gerade entworfenen Traumbild. Auf meiner Reise zwar fast jeder, aber das ordne ich einfach unter “Das-habe-ich-mir-verdient-Jahrhundertglück” ein. Also es schüttet morgens so richtig, wenn du dich aus dem Zelt oder deinem mobilen Wohngefährt schälen willst. Du denkst dir: “So ein Scheiß.” Aber dann gehst du trotzdem raus, schließlich musst du auf die Toilette, zum Duschen oder Brötchenholen. Und ja, du wirst nass dabei. Aber das ist egal, denn es gehört einfach dazu.

Du wirst während einer Campingtour automatisch viel relaxter, was das Wetter betrifft, als wenn du in einer festen Behausung untergebracht bist. Und wenn du irgendwann doch die Schnauze voll hast, weil es nur noch schüttet und schweinekalt ist? Dann lies weiter.

#3 Das Wetter passt dir nicht? Du fährst weiter

Kennst du das? Du hast deinen Osterurlaub auf Teneriffa gebucht. Weil es dort um die Zeit immer schon so schön warm ist. Nur eben nicht in der Woche, in der du da bist. Dir fällt die Decke auf den Kopf, du verfluchst deine Reiseplanung und das verschwendete Geld.

Und als Camper? Fährst du halt weiter. Packst dein Auto, deinen Bus, dein Wohnmobil oder was auch immer und suchst dir ein schöneres Plätzchen. Weil du maximal flexibel bist. Deine Wetter-App verrät dir, wo es sich hinzufahren lohnt, und schwupp lässt du das Dreckswetter hinter dir. Der nächste sonnige Ort ist aber 3000 Kilometer entfernt? Dann bleibt dir immerhin der geordnete Rückzug in heimische Gefilde und das gute Gefühl, zumindest kein Geld zum Fenster hinausgeworfen zu haben.

#4 Es gibt immer einen bezahlbaren Platz in der Nähe deines Traumziels

Schon mal probiert, im Juli oder August ein bezahlbares Hotelzimmer in Strandnähe zu bekommen, das jüngeren Datums als 1970 ist? Als Camper bist du immer ganz nah an deinen Traumzielen in der Natur. An Seen, am Meer, an Flüssen, in den Bergen (dann eher als Wildcamper): Überall, wo es schön ist, gibt es in der Regel ganz in der Nähe einen Campingplatz, Stellplatz oder sonst eine Möglichkeit, dich niederzulassen. Und das für maximal 30 Euro pro Nacht für zwei Personen (bisher die teuerste Übernachtung meiner Tour, wahrscheinlich gibt es an der Cote d’Azur aber noch teurere Plätze).

In der Natur, nah am Traumziel, bezahlbar – gibt es da noch eine Steigerung?

#5 Du willst um 15 Uhr frühstücken? Kein Problem

Zwei Dinge hasse ich in Hotels am meisten: Von der Zimmerreinigung aus dem Schlaf gerissen zu werden, weil ich mal wieder vergessen habe, das “Do not disturb”-Schild rauszuhängen (und falls es doch hängt, von auf dem Gang laut klappernden und staubsaugenden Geräuschen aufgeweckt zu werden). Und diese absolut bescheuerten Frühstückszeiten. Gut, es gibt inzwischen schon Hotels, in denen man bis 12 Uhr frühstücken kann. Aber die sind die Ausnahme. Also bleibt dir immer die Wahl, nachdem du dich mit Freunden am Vorabend ein wenig ins Nachtleben gestürzt hast, sich viel zu früh herauszuquälen oder das Frühstück sausen lassen und später hungrig sein.

Beim Camping machst du dir dann Frühstück, wann du willst. Und wenn es um 15 Uhr ist. Niemand schreibt dir Essenszeiten vor, niemand versucht, zum Putzen in deinen Bus einzudringen (auch, wenn das manchmal nötig wäre). Du bist ein freier Herr über deine Zeit und deine Unterkunft. Und nein, mir ist es auch noch nicht passiert, dass jemand abends um 20 Uhr ohne anzuklopfen in mein Zelt stürmt und ruft “Abdeckservice!”

#6 Du musst kein Schweigen am Hotel-Nachbartisch ertragen

Hier ein Pärchen, dort ein Pärchen. Und über allem liegt das große Schweigen. Gerade morgens ist die Redseligkeit bei vielen noch nicht so groß (bei einigen wird sie auch untertags nicht größer). Dann läuft dankenswerterweise auch keine Hintergrundmusik, und du kommst dir vor wie im Vorhof zur Hölle. Zwei Optionen hast du: Entweder alle unterhalten oder mitschweigen und schnell wieder flüchten.

Beim Camping machst du, was du willst. Bestimmst deine eigene Musik. Schweigst, wenn du schweigen willst oder redest laut, wenn du laut reden willst. Sitzt womöglich in deiner Schlabberhose, Badehose oder was auch immer am Tisch und genießt die grenzenlose Ungezwungenheit.

#7 Du kommst viel schneller mit anderen Menschen ins Gespräch

Der andere VW Bus, der Hund, das Wetter, die bisherige Tour, die Wärme des Duschwassers, der geniale Aufbau deines Wurfzeltes: Beim Camping gibt es immer übereinstimmende Themen, kommt man so schnell ins Gespräch wie kaum irgendwo anders. Und Camper helfen zusammen, wenn irgendetwas nicht klappt oder wenn irgendetwas im Camper-Haushalt fehlt. Ein Campingplatz ist sicher keine heile Welt. Aber die Art der Unterbringung eint die Menschen und bringt doch alle gedanklich ein wenig näher zusammen.

#8 Du gewöhnst dich an das einfache Leben

Ein kleiner Alutisch. Zwei Campingstühle. Die notwendigsten Kochutensilien. Ein paar praktische und vergleichsweise wenig chice Klamotten. Im Idealfall eine gut gefüllte Vorratskiste, und fertig ist das Camperglück. Gemeinschaftsdusche und Gemeinschaftsklo gehören dazu. Auch in diesem Bereich verschiebt sich die Toleranzgrenze mit der Zeit deutlich.

Du stellst fest, dass das einfache Leben völlig ausreicht, um dich glücklich zu machen. Materielle Dinge rücken gegenüber dem Erleben und Genießen klar in den Hintergrund. Und du gewöhnst dir eine viel größere Dankbarkeit an und lernst die Dinge daheim – im Vergleich zum Camperleben ein wahrer Luxus – ganz anders zu schätzen.

#9 Du lernst die 100 verschiedenen Arten des Schnarchens kennen

Der russische Bär. Der finnische Säger. Der italienische Pfeifer. Der spanische Grunzer. Beim Camping kannst du wunderbare Schnarchstudien anstellen. Beste Voraussetzung ist, dass du in einem Zelt schläfst und deswegen die Umgebungsgeräusche besser wahrnimmst, oder zu später Stunde einen Gang über den Platz machst. Aber keine Angst: Den wilden Schnarcher, der dich vom Schlafen abhält, gibt es viel seltener als gedacht. Nur auf sehr kleinen, engen Plätzen kannst du dir schon mal vorkommen wie in einem Berghütten-Schlafsaal – nur mit besserer Luft.

#10 Du bekommst die internationale Schlafmode vorgeführt

Mein Liebling 2014: Zwei junge Engländer im Häschenkostüm. Selbst, wenn es nicht ganz so ausgefallen ist, bekommst du doch großartige Einblicke in die Camper-Schlafmode der jeweiligen Länder. Denn auf dem Campingplatz wird sich nicht geniert, sondern gern auch mal in Unterhosen aufs Klo marschiert. Auch normale Schlafanzüge, Batik- und Schlabberhosen sind stets in Mode. Beim Camping heißt es: Erlaubt ist, was gefällt. Herausputzen kann man sich auch daheim wieder. Möglicherweise laufen auch viele daheim so rum. So genau will ich das aber gar nicht wissen.

Du hasst Camping und findest das einen großen Quatsch, was ich geschrieben habe? Her mit deinem Kommentar! Ich weiß, dass es da ganz konträre Meinungen gibt und freue mich auf eine schöne Diskussion. Du liebst Camping genauso wie ich? Dann lass es mich wissen, warum das für dich die schönste Art der Unterbringung auf Reisen ist!