Erzählen

Soll ich dir mal was erzählen? Ich bin Mischa, habe meinen Job gekündigt, einen VW Bus gekauft, mit dem ich ein halbes Jahr durch Europa gefahren bin und mache mich nun selbstständig.

Spaß beiseite: Meine Geschichte kennst du ja schon. Die erzähle ich hier seit 8 Monaten in all ihren unterschiedlichen Facetten.

Und ich liebe es. Denn endlich habe ich wieder etwas zu erzählen. Im Gegensatz zu früher.

Denn wie ist es denn genau genommen, wenn du in der Arbeitsmühle steckst? Über was redest du? Über die Arbeit. Mit Kollegen fast ausschließlich (selbst außerhalb des Büros), aber auch mit deinen Freunden, deiner Familie.

Klar, bei der Arbeit verbringst du die meiste Zeit (außer beim Schlafen) und erlebst dort am meisten. Auch wenn ich nicht weiß, wie oft das wirklich ein Erlebnis ist.

Dann erzählst du vielleicht noch ein bisschen von den Sportergebnissen des Wochenendes, deinem Hobby oder deinem letzten Urlaub.

Und wenn die Themen abgegrast sind, bleibt immer noch der Klassiker: sich über Kollegen, Nachbarn oder Familienmitglieder auszulassen.

Aber wo bleiben die wirklich großen Themen des Lebens?

Als da sind: deine Sehnsüchte, Träume, Ängste. Deine Leidenschaft, dein Feuer, deine Motivation, deine Stärke, deine Schwäche, deine Freude, dein Schmerz?

Bei mir sind die in dem Alltagswahn einfach untergegangen. Vielleicht sogar eine Weile verloren gegangen. Doch zum Glück habe ich sie wiedergefunden.

Im Rückblick habe ich weder Zeit, noch Kraft noch Lust gehabt, mich um die wirklich großen Dinge des Lebens zu kümmern. In mich hineinzuhorchen und festzustellen, was mich ausmacht, was mich antreibt, was mein Leben lebendig macht.

Der große Vorteil: Es ist ein bequemer Weg, Dinge zu verdrängen.

Der große Nachteil: Du hast irgendwann nichts mehr zu erzählen. Zumindest nichts mehr, was irgendeine Bedeutung hat.

Es geht nicht um die Reise, sondern um den Aufbruch

Vielleicht sagst du jetzt: “Der hat gut reden. Wenn ich ein halbes Jahr mit dem VW Bus herumfahren würde, hätte ich auch was zu erzählen.”

Aber es geht nicht in erster Linie um die Reise. Es geht um den Aufbruch zu mir selbst, um den Mut für Veränderungen und den Weg zu einem neuen Lebensabschnitt.

Deshalb habe ich endlich etwas zu erzählen. Und darüber wollen so erfreulich viele Menschen mit mir reden.

Manchmal kann ich es selbst nicht glauben, wie viele tief gehende Gespräche ich in diesem Jahr geführt habe (selbst mit Wildfremden auf meiner Reise) und wie viele interessante Menschen dadurch in mein Leben getreten sind.

Menschen, die auch unter ihrer Angst litten oder immer noch leiden. Menschen, die unsere Leistungsgesellschaft hinterfragen und sich gedanklich auf den Weg machen. Menschen, die frech, unbequem, verrückt sind, ihr Ding durchziehen und sich nicht um die Meinung anderer kümmern.

Ich genieße diese Gespräche und ziehe unheimlich viel Energie daraus. Früher war ich froh, wenn ich nach der Arbeit meine Ruhe hatte. Jetzt kann ich es gar nicht erwarten, bis sich wieder jemand mit mir treffen und so richtig lang und intensiv reden will.

Ganz viele Menschen haben etwas zu erzählen

Genauso faszinierend finde ich, die vielen Mails, Facebook-Nachrichten und Kommentare hier auf dem Blog zu beantworten. Weil sie zeigen: Ganz viele Menschen haben etwas zu erzählen. Weil ich mich geöffnet habe, vertrauen sie mir ihre Geschichte an. Dafür bin ich zutiefst dankbar.

Ich will dir jetzt nicht sagen, dass mein Weg für dich genauso passen würde. Schließlich weiß ich, dass meine Offenheit hier deutlich über das Maß hinausgeht, das sich viele für ihr Leben vorstellen können.

Nur eins bleibt unbestritten: Wenn du dich gar nicht öffnest – zum Beispiel aus Angst, dich angreifbar zu machen -, dann werden deine Gespräche auch immer an der Oberfläche bleiben. Dann erzählst du dein Leben lang weiter von der Arbeit, dem Fernsehprogramm und anderen belanglosen Dingen.

Du wärst damit in bester Gesellschaft. Aber willst du das?

Was kannst du erzählen? Deine Geschichte interessiert mich!