Stell dir vor, du fährst zu einem Seminar und keiner sagt dir, was du zu tun hast. Kein Programm, keine Übungen, kein Methoden-Handout fürs Nachlesen zuhause. Alles, was passiert, hängt von dir ab. Deinen Launen und Gefühlen, deiner körperlichen Konstitution, deinem Umgang mit den anderen Teilnehmern sowie vom Wetter und noch ein paar anderen Unwägbarkeiten.

Eine Zumutung, oder? Wenn einer sich schon für seinen Kanu-Urlaub in Schweden (wenn du eher ein visueller Typ bist, spring gleich mal zu den Bildern am Ende) von anderen bezahlen lässt, dann muss er denen doch wenigstens was beibringen!

Stimmt. Dazu hat ein einziger Satz gereicht: “Du darfst hier so sein, wie du bist – ohne Maske, ohne Show, einfach du.” Mehr gab es für uns in der Woche unseres Männer-Kanucamps in Schweden nicht zu tun und nicht zu lernen.

Insbesondere ich selbst durfte den Leitsatz mit Leben füllen. Den Satz, den mir im Vorfeld meine liebe Freundin Anja Reiche mit auf den Weg gegeben hatte. Und den ein Teilnehmer beim ersten Lagerfeuer am Starttag auf meine Frage, was die Gruppe von mir braucht, exakt so geäußert hat: “Sei einfach nur du. Mehr braucht es nicht.”

Der Teilnehmer war übrigens JayBe, der auf seinem Youtube-Kanal unsere Erlebnisse in einer 30-minütige Dauer-Gänsehautsendung zusammengefasst hat: 1 Woche Kanutour und Selbsterfahrung in Schweden mit Mischa Miltenberger (wenn du dir das Video ansiehst, kannst du dir den Rest des Textes sparen 😉 )

einfach sein – wie soll das gehen?

einfach sein. Klingt super. Schöner Kalenderspruch. Doch was heißt das in der Realität?

Für mich ganz klar: Volles Vertrauen ins Leben. Das, was geschehen soll, wird geschehen. Das Leben macht keiner Fehler. Je weniger ich vorgebe, desto mehr Raum ist für die Prozesse jedes Einzelnen. Ich muss keinen Vorturner spielen, sondern einfach nur präsent sein. Und je mehr ich mich selbst in meinen verschiedenen Rollen und Facetten wahrnehme und auslebe, desto eher erlauben sich das auch die Teilnehmer.

Schließlich ist das Leben ein großes, wundervolles Spiel. Und wir dürfen wieder lernen, uns aus unserer gewohnten Eindimensionalität zu befreien. Im Tun, in der täglichen Auseinandersetzung innerhalb einer kleinen Gruppe – und ganz weit außerhalb der heimischen Komfortzone – festzustellen, wie viel mehr wir können, als wir von uns geglaubt haben.

Sich den eigenen Ängsten zu stellen und offen darüber zu reden. Körperlich an die Grenzen und auch mal darüber hinaus gehen und zu merken, dass wir auch das überleben. Sein Herz anderen Männern auszuschütten, Gefühle zu zeigen und sich nicht dafür zu schämen. Als ruhiger Typ auch mal richtig laut zu werden. Als Harmoniebedürftiger mal richtig zu streiten. Als Kopfmensch schauen, wie weit einen die Intuition/das Bauchgefühl bringt. Um Hilfe bitten. Zu seinen Schwächen stehen. Derbe Witze zu reißen genauso wie gemeinsam Mantras zu singen.

Jeder Moment eine Bereicherung. Jeder Moment eine Erfahrung. Ohne das übliche Konzept aus Erwartung und Bewertung (okay, zumindest meistens …). Einfach nur da zu sein, authentisch und mit offenem Herz und Visier. Das hat jeden Einzelnen von uns zehnmal weitergebracht, als wenn ich uns in irgendwelche starren Übungen gepresst hätte.

Ich will so sein, wie ich bin – du darfst!

Der Schlüssel dazu: Hingabe an das Leben. Hingabe an die Gruppendynamik. Hingabe an die Launen der Natur. Kein Gejammer (okay, selten), stattdessen immer die Frage: Wie machen wir jetzt das Beste aus der Situation?

Eine tiefe Verbundenheit untereinander, die auch dann nicht verloren ging, wenn einer die anderen Jungs mal richtig Scheiße fand und das offen artikuliert hat. Im Gegenteil: Dann gingen der Spaß und die Arbeit erst richtig los. Hinzuschauen, was die Situation mit einem selbst zu tun hat und hinzuspüren, wo ich mich selbst gerade in der Wut, Angst, Trauer oder Verzweiflung des anderen wiederfinde.

Und falls dir das jetzt alles ziemlich gruppentherapeutisch vorkommt: keine Bange, die meiste Zeit haben wir einfach nur uns, die Natur, die Weite, den Raum, das Abenteuer, das Wasser, das Abschalten, die Stille und die Freundschaft unter Männern genossen. Mit ganz viel Humor, Musik, feinem Essen direkt vom Lagerfeuer, inspirierenden Gesprächen und echter Männerarbeit (Holz sägen und hacken, Kanus schleppen, Feuer machen, Feuer bewachen, im 13 Grad warmen Wasser baden).

Weil wir uns so konsequent erlaubt haben, wir selbst zu sein, passierte etwas Magisches. Das Gefühl, sich selbst genug zu sein. Nichts zu vermissen, nichts planen zu müssen, geschweige denn sich an irgendwelche langweiligen, alten Geschichten zu erinnern. Wenn nichts anderes zählt als der Moment, der nächste Paddelschlag, der nächste Zug an der Säge, das nächste Stück Holz auf dem Feuer, das nächste Mal innehalten und der Stille lauschen: dann werden alle unsere daheim so sorgfältig aufgeschaukelten Probleme plötzlich ziemlich nichtig. (by the way: sie werden auch dann nicht wichtiger, wenn wir wieder zuhause sind – wir vergessen dann nur wieder, worauf es wirklich ankommt).

Männercamp, Teil zwei – diesmal in der Toskana

Das Kanucamp war ein Experiment, das nicht besser hätte enden können. Ich hatte selbst keine Ahnung, wie ich meine Rolle als Leithammel einer reiner Männertruppe ausfüllen werde. Nach dem Feedback der Teilnehmer hat das wohl ziemlich gut geklappt.

Deshalb will und werde ich auch künftig einzelnen Seminare ausschließlich für Männer anbieten (und alle anderen wie gewohnt natürlich für Frauen und Männer).

Der nächste Streich folgt schon im September. Vom 11. bis 15. September treffen wir uns in gemischter Zusammensetzung in den Freilufträumen in der Toskana, um ein Outdoor-Camp der ganz besonderen Art miteinander zu erleben. Kein Plan, dafür viele Überraschungen und noch viel mehr Möglichkeiten für Lachen, nährende Gespräche, Reflexion, Stille und Abenteuer in der Natur.
Neugierig? Dann schau mal hier: Outdoor-Camp Toskana – Einfach zusammen Sein