So ein Ballonfahrer hat es einfach. Wenn er zu wenig Höhe hat, lässt er einfach ein wenig Sand aus den Säckchen ab. Oder er kann den Ballast komplett abwerfen, wenn er richtig schnell steigen will oder muss.

Und was tun wir nur allzu gern? Wir hängen noch ein paar große Sandsäcke mehr an den Ballon, damit wir nur nicht zu schnell vorankommen. Hier noch ein Aufgabe mehr, dort noch ein zusätzlicher Auftrag, ein weiteres spannendes Projekt, noch ein Hobby, noch ein Auto, noch ein Kredit, noch ein Termin, noch, noch, noch …

Ist nicht gerade überraschend, dass dabei die Leichtigkeit auf der Strecke bleibt. Wie soll man vorankommen, an Höhe gewinnen, zum Fliegen beginnen, wenn gefühlt an Armen, Beinen und Kopf jeweils zentnerschwere Säcke hängen?

Ich habe mir nicht mehr und nicht weniger vorgenommen, als 2016 der Meister im Ballast abwerfen zu werden. Die Leichtigkeit meines neuen Lebens – sprich die Zeit nach meinem Klinikaufenthalt vor 3 Jahren – ist mir im Laufe des vergangenen Jahres spürbar abhanden gekommen. Spätestens als ich kürzlich in diesem Artikel die Frage gestellt habe, was es eigentlich heißt, sein Leben zu leben, wurde mir das schmerzhaft klar.

Keine faulen Kompromisse mehr

Ich bin aber nicht mehr bereit und kann es mir auch nicht erlauben, faule Kompromisse einzugehen. Ich will ein Leben in Leichtigkeit und mit Freude führen, weil ich das kann und es verdient habe (so wie natürlich alle anderen Menschen auch). Aber ich kann das nur, wenn ich achtsam bin, ganz genau hinschaue, was mich herunterzieht und welche Dinge und Menschen mich beflügeln.

Meine großartigen Erfolge der vergangenen 3 Jahre im Umgang mit der Angst, bei der Veränderung negativer Lebensumstände und -einstellungen nutzen mir nämlich nichts, wenn ich nicht konsequent am Ball bleibe. Nicht in dem Sinne von “Ich muss mich weiter optimieren”, sondern bei der Frage “Was tut mir gut? Was will ich noch alles Positives in mein Leben ziehen?”

Ballast abwerfen kann ganz schön weh tun

Gleichzeitig heißt das auch: Wenn ich mich nicht wie ein Sandsack, sondern eher wie eine Feder fühlen will, dann muss ich leichter werden. Lustigerweise purzeln parallel zu diesem Vorhaben bei mir die Kilos nur so runter (was mit Sicherheit auch mit der kürzlichen Grippe und einer Ernährungsumstellung zu tun hat).

Okay, genug des Rumgelabers. Was habe ich konkret getan, um Ballast abzuwerfen?

Die wichtigste und schmerzhafteste Entscheidung war, das gemeinsame Dienstleistungsprojekt VollKorrekt zu beerdigen (die Seite wird in den nächsten Tagen vom Netz genommen). Genau genommen hatte mir meine innere Stimme das schon vor zwei Monaten gesagt. Trotzdem habe ich mich zum Weitermachen überreden lassen, bis ich am Montag klipp und klar gesagt habe, dass ich keinerlei Perspektive mehr sehe. Zum Glück waren wir alle im Team dieser Meinung, nur hatte sich bis dato niemand getraut, es in der Offenheit auszusprechen.

Ein paar Tage lang hat das jähe Ende wirklich weh getan. Doch jetzt bin ich unendlich froh und erleichtert, dass ich meine Bedürfnisse so klar kommuniziert habe und fühle mich wie von einer großen Last befreit, die mich (trotz aller Motivation und herrlich produktiver Phasen) in den vergangenen Monaten immer wieder nach unten gezogen hatte. Zugleich bin ich unendlich dankbar für die gemeinsame Projektarbeit mit wunderbaren Menschen, die vielen Erfahrungen und vor allem für die Tatsache, dass es ohne jegliche Vorwürfe und Streit, sondern sehr respektvoll und positiv zu Ende ging.

Beim Co-Working allein zu Haus

Eine ähnliche Erleuchtung hatte ich vor 3 Wochen, als ich in der Gründervilla in Kempten gearbeitet habe. Wieder einmal saß ich beim Co-Working allein im Büro. Das ganze Haus schien wie ausgestorben. Mir war an den Händen und Füßen kalt. Und irgendwann habe ich mich gefragt: “Was mache ich eigentlich hier? Allein kann ich zuhause auch sein, aber da habe ich wenigstens meine Couch für den Mittagsschlaf.”

Nicht falsch verstehen: Die Gründervilla ist eine super Einrichtung und Co-Working von der Idee her auch. Nur nutzt mir das alles nichts, wenn ich mich in dem Moment dort nicht wohlfühle. Nach dieser Erkenntnis habe ich sofort eine Mail an die Betreiber geschrieben, dass ich erst einmal für 3 Monate aussetze. Ich will neue Arbeitsplätze/Orte ausprobieren. Und wer weiß, vielleicht komme ich kehre ich ja dann aufgrund meiner neuen Erfahrungen mit Freude wieder in die Gründervilla zurück.

Die dritte wichtige Entscheidung in Sachen Ballast abwerfen bezog sich auf mein ehrenamtliches Engagement für das Slow Food Convivium Allgäu. Ursprünglich war ich dort mal Helfer in der Not, später Pressebeauftragter, dann zweiter Vorsitzender, verantwortlich für Maileingang, Newsletter, Internet, Termine, und, und, und … Sind also im Lauf der Zeit ziemlich viele Sandsäcke mit der Aufschrift “noch” dazugekommen. Also habe ich alles abgeworfen, bis nur noch das Sandsäckchen “Newsletter” hängen blieb. Die Begeisterung der anderen Mitglieder im Führungsteam hielt sich in argen Grenzen. Ich dagegen hatte das Gefühl, endlich mal wieder richtig durchschnaufen zu können.

Neuer Platz für die wichtigen Dinge

Ich spüre durch das Loslassen an mehreren Stellen in der Tat jetzt eine neue Leichtigkeit und Klarheit. Gefühlt nimmt die von Tag zu Tag zu, so wie meine To-do-Liste immer kleiner wird. Plötzlich merke ich, wie nun Platz darauf ist für die wirklich wichtigen Dinge: mein erstes Buch, eine eigene Webseite mit meinem Freelancer-Portfolio und auch mein Blog, an dem ich wichtige Verbesserungen schon zu lange vor mir hergeschoben habe.

Dann stehen im April und Mai insgesamt 12 Tage NLP-Seminar auf meinem Programm. Auch das wird mir helfen, meinen Fokus noch klarer auszurichten und mich offen dem ein oder anderen Hemmnis zu stellen. Ganz abgesehen davon, dass ich schon ein paar frühere Teilnehmer des Kurses getroffen habe und die etwas ganz Besonderes ausstrahlen. Ich weiß jetzt schon, dass dort sehr viel Freude und überraschende Erkenntnisse auf mich warten werden.

Nicht zu vergessen das Thema Flugangst. Auch dank meiner großartigen Leser, die so zahlreich auf meinen Artikel dazu geantwortet haben, bleibt das fest auf der Agenda. Aktuell lote ich mit meinem Therapeuten die Möglichkeiten aus, wie wir uns der Sache nähern können. Falls das nicht klappt, habe ich noch weitere Ansätze in der Hinterhand.

Wieder in Therapie – ein Segen!

Apropos Therapeut: Mit meiner Rückkehr nach zwei Jahren habe ich eine goldrichtige Entscheidung getroffen. Damit habe ich auch den Ballast abgeworfen, ich könnte den Rest meines Lebens schon alles mit mir allein ausmachen. Jetzt sehe ich aber, wie wohltuend es ist, wenn ich eine qualifizierte Sichtweise von außen bekomme. Diese kann ich mir nicht selbst geben, meine Familie und meine Freunde auch nicht.

Durch meine Erfahrungen der vergangenen Jahre konnte ich auf einem verdammt hohen Niveau wieder einsteigen. Sprich, mich muss niemand mehr aus einem dunklen Loch herausholen, ich brauche keine Medikamente mehr und ich muss auch zu keinen Veränderungen überredet werden. Ich will ja selbst, dass sich etwas bewegt und brauche manchmal nur eine kleine Hilfe, einen Anstupser.

Das fühlt sich alles sehr stimmig und leicht an. Ich denke, mein Ballon ist wieder bereit zu steigen.

Jetzt interessiert mich natürlich: Wie handhabst du das mit dem Ballast abwerfen? Tust du dir leicht damit oder schleppst du noch zu viel mit dir herum? Hast du schon Pläne, was du in diesem Jahr loswerden willst? Ich freue mich auf deinen Kommentar!

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